Rechtliche Grundlage: unbekannt
Wo Porschefahrer Philippe T. verurteilt wurde, dürfen andere in Basel ungestraft parkieren. Der Bund widerspricht der Polizei bezüglich der Gründe für die Bussenfreiheit.
Parkieren ist dort verboten, wo die Fahrzeuge den Verkehr behindern oder gefährden könnten. So steht es im Strassenverkehrsgesetz in Artikel 37. Das gilt grundsätzlich überall, unabhängig von der restlichen Signalisation. Die Polizei büsst Parksünder üblicherweise wegen Verletzung einer Spezialbestimmung in der Ordnungsbussenverordnung, zum Beispiel wegen Parkierens innerhalb des Parkverbots.
Kommt es nach einer Parkbusse wegen einer Einsprache zu einer Gerichtsverhandlung, schauen Staatsanwaltschaft und Richter jedoch häufig genauer hin und beurteilen den Tatbestand danach, ob das parkierte Fahrzeug eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer geschaffen hat.
Porschefahrer Philippe T., über dessen Kleinkrieg mit den Behörden die BaZ regelmässig berichtet hat, musste dies mehrfach erfahren. Weil jedes parkierte Auto grundsätzlich eine Behinderung des Verkehrs darstellt, hat das Bundesgericht das Gesetz so ausgelegt, dass eine Behinderung «erheblich» sein muss. Dass der Verkehr wegen eines parkierten Autos auf die Gegenfahrbahn ausweichen muss, reicht in der Regel nach der Gerichtspraxis – zumindest in Nebenstrassen – für die Schaffung einer Unfallgefahr nicht aus.
Dennoch bleibt die Auslegung von Artikel 37 eine Ermessensfrage, die den Behörden viel Spielraum gibt. Spielraum, den sie zu ihren Gunsten ausnützen. Das zumindest glaubt Porschefahrer Philippe T. Weil der Unternehmer mit den Jahren zur Überzeugung gelangt ist, dass er von der Basler Justiz ungerecht behandelt wird, begann er den Spiess umzudrehen. Er verzeigt jedes Fahrzeug von Polizei oder staatsnahen Betrieben wie den BVB, das in vergleichbaren Situation abgestellt war, in denen er gebüsst oder verurteilt wurde. Der Unternehmer verwendete jedes Mal genau jene Formulierungen, wie sie die Staatsanwaltschaft in den Strafbefehlen und Anklageschriften gegen ihn benutzte. Der BaZ liegen mehrere dieser Anzeigen vor. In all diesen Fällen aber gab es keine Verurteilung, wie die Staatsanwaltschaft auf Anfrage bestätigte.
Schweres Geschütz aufgefahren
Rückblende: Als der heute 44-jährige T. im März 2012 in der Spiegelgasse ausserhalb des Parkfelds sein Auto abgestellt hatte, sprach ihn das Strafgericht zunächst noch frei. Richter René Ernst (SP) war der Ansicht, der Porsche sei legal abgestellt gewesen: Auf einer Nebenstrasse, nicht im Halteverbot, nicht im Parkverbot, genügend weit entfernt vom Fussgängerstreifen und mit einer Restfahrbahnbreite von über drei Metern. Sogar den vom Bundesgericht geforderten Abstand zum nächsten Parkfeld habe er eingehalten. Die Staatsanwaltschaft wollte jedoch eine Verurteilung und fuhr schwereres Geschütz auf: T. habe im Bereich einer Kurve parkiert und den Verkehr behindert, hiess es plötzlich. Ein Velofahrer habe sich sogar erschrocken und wegen des parkierten Porsches ausweichen müssen. Es ging nun nicht mehr um eine Ordnungsbusse, sondern um den eingangs erwähnten Artikel 37 des Strassenverkehrsgesetzes.
Noch bevor die zweite Instanz ihr Urteil fällte, liess der Kanton an der Spiegelgasse, nur wenige Meter neben der Stelle, an der T. parkierte hatte, einen Behindertenparkplatz markieren. Unmittelbar hinter der beanstandeten Kurve durften manche Autos fortan legal parkiert werden. Dennoch ist das Appellationsgericht der Staatsanwaltschaft später gefolgt und hat den Freispruch in eine Verurteilung gedreht. Das Bundesgericht stützte das Urteil.
Immer wieder sah T. später in der Spiegelgasse – vor dem Polizeiposten – falsch parkierte Fahrzeuge. Drei Mal erstattete er Anzeige, weil die Falschparkierer direkt auf dem Einspurpfeil der Einspurstrecke zum Storchenparking standen, wie die Bilder auf dieser Seite belegen. Ein BVB-Bus stand sogar im Bereich der Sicherheitslinie. Beim parkierten Service-Fahrzeug habe die Polizei bei den BVB auf Nachfrage erfahren, dass kein Einsatz vorläge, der das Parkieren hätte rechtfertigen können, heisst es in der Anzeige.
Keine Chance bei Einspurstrecke
Zur Erinnerung: T. hatte mit der Justiz leidenschaftliche Gefechte wegen des Geltungsbereichs von Einspurstrecken geführt. Er stand in zwei Fällen vor Gericht, weil er in der Steinenschanze auf einer Einspurstrecke parkiert habe. Immer verliess er die Verhandlung als Verlierer. Juristische Niederlagen hagelte es für T. auch nach Einsprachen gegen Bussen, die er in der St.-Jakob-Strasse erhalten hatte. Staatsanwaltschaft und die Gerichte argumentierten damals, im Bereich eines Fahrspurabbaus dürfe man nicht parkieren, erst recht nicht, wenn andere Autos über die Tramschienen ausweichen müssen.
Ganz anders beurteilte es die Staatsanwaltschaft hingegen im Fall eines BVB-Busses, der im März 2017 in der Gundeldingerstrasse ungünstig abgestellt wurde: Nur wenige Meter nach der Verzweigung Mönchsbergerstrasse. T. konnte seelenruhig sein Auto im nahen Parkfeld abstellen und auf «Fotojagd» gehen. Der parkierte Bus mit der Aufschrift «Weiterbildung – Bitte nicht einsteigen» zwang den restlichen Verkehr an jenem Mittwochvormittag im Bereich des Spurabbaus zu einem gefährlichen Ausweichmanöver über die Tramschienen. Genau die Situation also, für die T. in der St.-Jakob-Strasse verurteilt worden war. Zudem hat der Busfahrer ein Schild ignoriert, während der Porsche damals nicht im signalisierten Parkverbot stand.
Autos mussten Bus ausweichen
Bei T. argumentierten Staatsanwaltschaft und die Gerichte, er habe mit seinem Auto ein gefährliches Hindernis geschaffen, das «einen flüssigen Verkehr stark beeinträchtigen und bei starkem Verkehrsaufkommen zeitweilig zu einer Blockierung des Auto- und Tramverkehrs sowie zu Stau führen kann».Beim BVB-Bus befand die Staatsanwaltschaft diese Beeinträchtigung hingegen nicht als gegeben, obwohl eine Bildserie, die der BaZ vorliegt, belegt, wie andere Autos hinter dem Bus anhalten, ausscheren und via Tramschienen den abgestellten Bus passieren mussten.
Die Staatsanwaltschaft wollte nicht auf die einzelnen Fälle eingehen. Laut Kriminalkommissär Peter Gill wurden «bei allen Anzeigen durch die Polizei alle für die Beurteilung bedeutsamen Tatsachen sorgfältig abgeklärt». Den belastenden und entlastenden Umständen sei gleichermassen Beachtung geschenkt worden. «Die Beteiligten erhielten ausserdem Gelegenheit, zu den Tatvorwürfen Stellung zu nehmen.» Dann wurden die Verfahren eingestellt respektive nicht einmal Anhand genommen.
Staatsanwaltschaft hält sich bedeckt
Ob BVB-Fahrzeuge Sonderparkierrechte haben, wollte Gill nicht beantworteten, sondern verwies auf die Polizei. Diese benötigte zehn Tage Bedenkzeit und bezog sich dann auf Artikel 85 in der Verkehrsregelverordnung (VRV): Der Artikel erlaubt «Ausnahmefahrzeugen» bei zwingenden Gründen und bei genügenden Sicherheitsmassnahmen das Abweichen von Verkehrsregeln. Das gelte sinngemäss auch «für Fahrzeuge zum Bau, zum Unterhalt und zur Reinigung der Strasse», heisst es im Gesetz.
Mit dieser Regelung im Hinterkopf könnten die Polizisten an der Front von einer Busse in den oben beschriebenen Fällen absehen, sagte Sprecher Toprak Yerguz. Dass die Fahrzeuge ihre Gefahrenlichter einschalten, sei nicht zwingend notwendig. Je nach Situation reiche es, wenn für den übrigen Verkehr genügend Platz vorhanden ist.
Bund widerspricht
Das Bundesamt für Strassen (Astra) widerspricht der Polizei: In Artikel 85 gehe es um Ausnahmefahrzeuge, also Fahrzeuge, die zu gross oder zu schwer sind. Und der Zusatz gelte ausschliesslich für Fahrzeuge, die zum Strassenbau oder Strassenunterhalt eingesetzt werden. Diese Kriterien sind nicht für die BVB-Fahrzeuge anwendbar.
Porschefahrer T. schüttelt über die Argumentation der Polizei den Kopf. «Die Polizei weiss nicht, was sie tut.» Er spricht von «Filz» im Justizapparat und einer «systematischen Ungleichbehandlung». «Es wird immer klarer, dass die Behörden Querulanten wie mich mit einem anderen Massstab beurteilen als Falschparker aus den eigenen Reihen», sagt er. Anzeigen von T. gegen Polizeiangehörige wegen Amtsmissbrauchs hat die Staatsanwaltschaft im letzten Herbst eingestellt. Dass es die Polizei generell auf T. abgesehen haben soll, sei «absurd», hiess es damals.
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