Das Ende des «Mohrenkopfs»Rassismus-Debatte hat massive Folgen für die Hersteller
Manor hat die «Mohrenköpfe» aus dem Sortiment entfernt, Coop überlegt noch, nur die Migros Basel hält weiterhin an den Schaumküssen fest.

«Ojemine», seufzt Marianne Richterich, Produzentin beliebter «Mohrenköpfe» aus Laufen. Als würde sie ahnen, was in nächster Zeit auf sie zukommen wird. Sie muss ernsthaft um ihr Hauptgeschäft fürchten, nachdem die Genossenschaft Migros Zürich dieser Tage die Dubler-«Mohrenköpfe» aus ihren Verkaufsregalen verbannt hat. Grund dafür ist die aktuelle Rassismus-Debatte um den gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd.
«Wir Laufner sind Mohren.»
Der Food-Service-Anbieter Valora aus Muttenz, schweizweit vertreten, verkauft aktuell nur noch Restbestände aus der Laufner Schokoladen-Manufaktur, wie Valora-Sprecher Lukas Metter sagt. «Während der Sommerpause wird Valora die Sachlage im Detail prüfen und neu beurteilen.»
Ähnlich offen klingt das weitere Vorgehen auch bei Grossverteiler Coop. «Wir überprüfen unsere Sortimente regelmässig. Aktuell stehen wir mit Richterich und Dubler im Kontakt», sagt Coop-Sprecherin Marilena Baiatu.
Einen Schritt weiter in der Entscheidungsfindung ist Manor. Gestern wurden die Restbestände der umstrittenen «Mohrenköpfe» aus den Verkaufsregalen geräumt. Bis auf weiteres führe man die Produkte nicht mehr im Sortiment, sagt Manor-Sprecher Fabian Hildbrand. Die Regalbeschriftung für die Schaumküsse seien in allen Filialen schon vor Jahren angepasst worden. «Das Wort Mohr ist eine stereotype Bezeichnung, leider verfänglich und negativ konnotiert.» Manor bedauert gemäss Hildbrand den Entscheid, «da die Produkte hochwertig und bei den Konsumentinnen und Konsumenten sehr beliebt sind».
Existenzängste und klare Ansage
Marianne Richterich fürchtet nun um ihre Haupteinnahmequelle. Millionen von «Mohrenköpfen» verlassen jedes Jahr die süssen Produktionsbänder am Laufner Maisenweg – übrigens kunstvoll gefertigt auch von ausländischen Mitarbeitern mit dunkler Hautfarbe.
Erfunden hat die Richterich-«Mohrenköpfe» Othmar Richterich, der eigentlich zusammen mit Hanspeter Richterich den Bonbonhersteller Ricola weiterentwickeln sollte, sich dann aber für einen Alleingang als Chocolatier entschied. Er reagierte damit auf den wachsenden Hunger auf Süssigkeiten nach Ende des Zweiten Weltkriegs.
Witwe Marianne Richterich will auch nach der neuesten Rassismus-Debatte nichts davon wissen, ihren Kassenschlager umzubenennen. «Wir Laufner sind Mohren», sagt sie in Anspielung auf den Spottnamen des Bezirkshauptortes. Deshalb hätten «Mohrenköpfe» auch rein gar nichts mit dunkelhäutigen Menschen zu tun. Das Wort «Mohren» stamme von Moor, was im Altdeutschen «Wildschwein» bedeute.
Warum die Laufner mit dem Spottnamen «Mohren» bezeichnet würden, wisse man nicht genau. Es gebe verschiedene Vermutungen. So seien etwa die Strassen der Kleinstadt früher schnell schmutzig geworden, da sie nicht geteert gewesen seien. Ihr verstorbener Gatte Othmar habe einen Namen gesucht, der eng mit Laufen verbunden sei. Rassistische Hintergründe habe es nie gegeben. Deshalb denke sie auch nicht daran, den Kassenschlager wegen der laufenden Debatte umzubenennen.
Tatsächlich gibt es rund um Laufen viele Gemeinden, für die es zum Teil recht knackige Spottnamen gibt. So heissen die Zwingner «Chabischöpf», die Dittinger «Schnägge», die Röschenzer «Mattegumper», die Wahlener «Gschwellti» und die Laufener eben «Mohre». Sie habe noch nie gehört, dass sich deswegen ein Laufner Bürger beleidigt gefühlt habe, sagt Richterich.
Ähnliches gilt auch für die «Schlüüch». So werden die Nunninger genannt, weil sie sich zu früheren Zeiten, als viele von der Strohflechterei und der Seidenverarbeitung lebten, Wollstränge umgehängt hatten. Einiges gefallen lassen müssen sich auch die Brislacher. Sie gelten als «Hornvieh». Sie sind offenbar so stolz darauf, dass sie selbst ihre Dorfzeitung nach ihrem Übernamen benannt haben.
Migros Basel distanziert sich von Migros Zürich
Lediglich die Genossenschaft Migros Basel hält Richterich aktuell die Stange. Anders als in Zürich sieht man hier keinen Grund, die Richterich-«Mohrenköpfe» aus den Verkaufsregalen zu nehmen. «Es handelt sich dabei um ein regionales Traditionsprodukt, welches seinen Namen vom Spitznamen der Bewohner von Laufen ableitet», sagt Migros-Sprecher Moritz Weisskopf. Die Richterich-«Mohrenköpfe» werden deshalb weiterhin bei den Take-aways und Migros-Restaurants angeboten. Dubler wird dagegen nicht im Basler Sortiment geführt. Dafür gibt es Schaumküsse aus der hauseigenen Schokoladenfabrik Frey.
Der Entscheid der Genossenschaft Migros Zürich, die auf den «Mohrenkopf»-Streit rasch reagiert hat, erstaunt insofern, als dass deren Chef Jörg Blunschi während Jahren im Laufner Gemeinderat sass und den historischen Zusammenhang mit den «Mohren» respektive «Wildschweinen» eigentlich kennen müsste.
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