Rajoy bereitet Spanier auf harte Zeiten vor
Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy hat den Gang unter den Euro-Rettungsschirm verteidigt. Er sei nötig, um das Land «vor dem kompletten wirtschaftlichen Niedergang» zu retten.
Trotz des geplanten Antrags auf EU-Finanzhilfe für die spanischen Banken wird sich die wirtschaftliche Lage Spaniens nach Ansicht von Ministerpräsident Mariano Rajoy in diesem Jahr weiter verschlechtern. Spanien werde in der Rezession stecken bleiben und die Arbeitslosenquote werde über das derzeitige Niveau von fast 25 Prozent steigen, sagte Rajoy am Sonntag. Bereits jetzt hat das Land die höchste Arbeitslosenquote in der ganzen Eurozone.
«Dieses Jahr wird ein schlechtes sein», sagte Rajoy. Die Wirtschaft werde um 1,7 Prozent zurückgehen und die Arbeitslosigkeit zunehmen. Gleichwohl werde Spanien seine wirtschaftliche Glaubwürdigkeit zurückgewinnen, indem die Banken unterstützt würden, sagte der Regierungschef weiter. Letztlich könnte dadurch auch wieder die spanische Wirtschaft wachsen. Wann es soweit sein könnte, sagte Rajoy nicht. Der Ministerpräsident rechnete damit, dass dies dazu beitragen würde, die Glaubwürdigkeit in der Eurozone wiederherzustellen.
Rajoy: Schuld ist die Vorgängerregierung
Die Entscheidung, gestern Finanzhilfe zu beantragen, sei schwierig gewesen, sagte Rajoy weiter. Aber sie werde Spanien vor dem kompletten wirtschaftlichen Niedergang retten.
Für die wirtschaftlichen Sorgen seines Landes machte Rajoy die Vorgängerregierung unter dem Sozialisten José Luis Rodríguez Zapatero verantwortlich, ohne diese beim Namen zu nennen. Vergangenes Jahr habe die Staatsverwaltung 90 Milliarden Euro mehr ausgegeben als sie eingenommen habe, sagte Rajoy. Derartiges Verhalten könne nicht beibehalten werden. «Wir können so nicht leben.»
Bis zu 100 Milliarden Euro
Spanien will zur Sanierung maroder Banken ein Rettungspaket «light» beantragen. Im Gegensatz zu Griechenland, Irland und Portugal, die bereits unter den Euro-Rettungsschirm geschlüpft sind, muss die Regierung in Madrid dafür keine zusätzlichen Sparprogramme auflegen.
Die Regierung in Madrid verkündete gestern Abend nach hartem Ringen mit der Eurogruppe, sie werde Hilfe für die von einer geplatzten Immobilienblase angeschlagenen Banken beantragen und dafür auch gerade stehen. Finanzminister Luis de Guindos nannte vor Journalisten keine konkrete Summe. Den genauen Betrag werde die Regierung nach einer unabhängigen Prüfung des Bankensektors angeben, deren Ergebnis spätestens am 21. Juni vorliegen werde, erklärte er.
Es solle genug Geld für die Rekapitalisierung der Banken plus ein Sicherheitspuffer in beträchtlicher Höhe beantragt werden. Der IWF hatte die Lücke am Freitag auf mindestens 40 Milliarden Euro beziffert. Die Eurogruppe hatte nach stundenlangen telefonischen Beratungen zuvor bereits bis zu 100 Milliarden Euro zugesagt.
Geld für Spanien, nicht für Banken
Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble begrüsste wie seine Kollegen «die Entschlossenheit» der Regierung, das Bankenproblem mithilfe der Euroschirme zu lösen. Zugleich betonte er, nicht die Banken, sondern Spanien bekomme das Geld. Damit hafte Madrid für die Milliardenhilfen und habe zugleich die Aufsicht über die Banken.
Damit setzte sich Berlin gegen Paris und weitere Stimmen innerhalb der EU durch, die sich für direkte Finanzhilfen an die Banken ausgesprochen hatten, schreibt die «Financial Times». Strengere Auflagen konnte Spanien jedoch vorerst abwehren. Mehrere Nordländer wollten Madrid zu weiteren Reformen zwingen. Auch eine finanzielle Beteiligung des IWF, die in der Regel an harte fiskalpolitische Bedingungen geknüpft ist, konnte Spanien verhindern. Der IWF soll nur beratend zur Seite stehen. Die Bedingungen blieben auf den Finanzsektor beschränkt, heisst es in der Erklärung der Eurogruppe.
Schäuble will erreichen, dass die Hilfe aus dem ESM kommt, der im Juli seine Arbeit aufnehmen wird, und nicht aus dem EFSF. Das wäre «noch besser, weil der ESM effizienter ist», erklärte er. Deswegen sei nun eine rasche Ratifizierung des ESM notwendig. Im EFSF sind derzeit noch 250 Milliarden Euro verfügbar, der ESM hat noch 250 Milliarden Euro zusätzlich.
«Spaniens 100-Milliarden-Euro-Spiel»
Nun wird sich zeigen müssen, ob die in Aussicht gestellte Hilfe die Märkte wird beruhigen können. Das ist laut dem spanischen Finanzminister de Guindos eines der Ziele der Hilfsaktion. Die Summe von 100 Milliarden Euro sei da, «um alle Zweifel zu zerstreuen». Er zeigte sich zuversichtlich, dass nicht der ganze Betrag benötigt wird.
Die führenden angelsächsischen Wirtschaftpublikationen wiesen auch auf problematische Aspekte hin. «Spanische Banken unterstützen den spanischen Staat, indem sie Staatsanleihen kaufen und der Staat rettet die Banken mit öffentlichen Geldern», bemerkt die «Financial Times». Damit bestehe das Risiko, dass sich die Diskussion auch auf die spanische Wirtschaft als Ganzes und die Fiskalpolitik ausdehne. Das «Wall Street Journal» nennt die Hoffnung auf eine Beruhigung der Märkte gar «Spaniens 100-Milliarden-Euro-Spiel». Gehe die Rechnung nicht auf, werde ein viel grösseres Rettungspaktet nötig. Das würde die Zweifel nähren, ob der Europäische Rettungsmechanismus mit 750 Milliarden Euro gross genug sei. «Und das wiederum würde die Aufmerksamkeit wieder auf andere verletzliche Länder der Eurozone richten, nicht zuletzt Italien.»
Eher positive Analystenstimmen
Einige Analysten bewerteten die Entwicklung jedoch vorsichtig positiv. Jacob Kirkegaard vom Peterson Institute for International Economics in Washington erklärte, die Märkte hätten von der spanischen Regierung vor allem gewollt, dass sie die desaströse Lage des Bankensektors eingestehe.
Rafael Pampillon von der IE Business School in Madrid sagte, die «Ungewissheit und daraus resultierende Panik wird langsam aus den Märkten verschwinden». Eswar Prasad von der Brookings Institution erklärte, die Entscheidung verschaffe der Eurozone zumindest vorläufig Luft.
Die Euroländer – allen voran Deutschland – hatten Spanien zum Griff zum Eurotropf gedrängt. Dort sind viele Geldhäuser nach dem Platzen der Immobilienblase mit faulen Krediten vollgesogen. Wegen der Unsicherheit ist die Kreditwürdigkeit des Staates angekratzt, das Land muss bedrohlich hohe Zinsen zahlen. Die Euroländer wollten Madrid noch vor der Griechenland-Wahl am nächsten Sonntag abschirmen, wenn sich die Krise bei einem Sieg der radikalen Kräfte verschlimmern könnte.
Erleichterung bei Regierungen
Die EU-Kommission äusserte sich über die spanische Ankündigung zum Griff nach dem Rettungsschirm erleichtert. Brüssel stehe bereit, nun rasch vor Ort die Bedingungen für den Finanzsektor auszuhandeln, teilten Kommissionschef José Manuel Barroso und Währungskommissar Olli Rehn mit. Lagarde erklärte, der Weltwährungsfonds stehe bereit, «um die Umsetzung und Überwachung dieser finanziellen Hilfe durch regelmässige Berichterstattung zu unterstützen».
Auch US-Finanzminister Timothy Geithner begrüsste die spanische Entscheidung und die Hilfe der Euroländer. Diese seien willkommene Massnahmen in Richtung einer Eindämmung der europäischen Schuldenkrise. US-Präsident Barack Obama hatte bereits am Freitag aus Sorge über ein Übergreifen auf die USA eine Lösung der Krise angemahnt. Der französische Finanzminister Pierre Moscovici sagte, der Deal trage dazu bei, das Vertrauen in der Eurozone wiederherzustellen. «Die heute Abend verkündete Einigung zeigt die verstärkte Solidarität unter den Euroländern und deren entschiedenen Wunsch, die Stabilität in der Eurozone zu gewährleisten», erklärte er.
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