Rätselraten mit dem Roboter
Keine Industrienation überaltert so schnell wie Japan. Sind Roboter die Zukunft für die Pflegeheime?
Singen, Streicheln, Sprechen - japanische Senioren haben dafür öfter einen Roboter als Partner. Die Gesellschaft überaltert rasch, kluges Gerät soll das Problem stemmen helfen. Japaner sind technikbegeistert - einen Roboter als Kumpel mag trotzdem nicht jeder.
«Lasst uns im Rhythmus klatschen», ruft der Roboter namens «Parlo» mit kindlicher Stimme. Im Saal des Pflegeheims Fuyo-En in Tokios Nachbarstadt Yokohama blicken gut ein Dutzend betagte Japanerinnen und Japaner die Maschine auf dem Tisch für einen Moment etwas ratlos an.
Nicht jeder hat den 40 Zentimeter kleinen humanoiden Roboter verstanden. Ein Pfleger in weissem Kittel tritt heran und wiederholt mit lauter Stimme «Parlos» Aufforderung. Eine Dame in der ersten Reihe ruft begeistert «Ja, ja». «Parlo» beginnt zu tanzen.
«Der Roboter ist Teil des Alltagslebens hier geworden», erzählt Heimleiter Akira Kobayashi. Seine Pflegeeinrichtung liegt in einer Sonderwirtschaftszone zur Förderung von Robotern, die von der japanischen Regierung in Tokios Nachbarprovinz Kanagawa eingerichtet wurde.
Einstimmung in Erholungsstunden
«Wir nutzen 'Parlo' zur Einstimmung in unsere täglichen Erholungsstunden mit den Bewohnern unseres Altersheims», erzählt Kobayashi, während der Roboter mit Senioren Rätselraten spielt. «Er verfügt über 365 verschiedene Programme.»
Entwickelt wurde «Parlo» von der japanischen Firma Fuji Soft. Computer seien bisher lediglich Werkzeuge gewesen, erläutert Eiji Honda, Leiter der Roboterabteilung. «Wir wollten daraus einen Partner machen.»
«Parlo» ist mit künstlicher Intelligenz (KI) ausgestattet, er kann Menschen an ihren Stimmen erkennen und mit ihnen kommunizieren. Mit seinen Armen und Beinen erinnert er an grössere Androide wie Hondas «Asimo» oder Sonys Roboterhund «Aibo», die vor Jahren weltweit für Aufsehen sorgten und Japans Stellung als führende Roboternation unterstrichen.
Japan konzentriert sich aber längst nicht mehr nur auf Unterhaltungsroboter - Service- und Pflegeroboter rücken zunehmend in den Mittelpunkt. Kein Wunder: Keine andere Industrienation überaltert so schnell wie Japan. Als Folge wird ein erheblicher Mangel an Pflegekräften erwartet - im Jahr 2020 schätzungsweise 400'000.
Starke Helfer
Roboter sollen diese Lücke schliessen. Vom Automobilkonzern Toyota stammt der «Care Assist Robot», der Patienten aus dem Bett hieven soll, der Elektronikriese Panasonic hat ein Bett ersonnen, bei dem sich ein Teil in eine Art Rollstuhl verwandelt, sowie Roboteranzüge, die es dem Träger ermöglichen sollen, schwere Gegenstände oder Menschen zu transportieren.
Panasonics Roboterbett. (Video: Youtube/Network World)
Zu den neuesten Entwicklungen gehört der humanoide Roboter «Pepper» des Telekommunikationskonzerns Softbank, der Emotionen deuten und im Februar 2015 auf den Markt kommen soll. «Was wir anstreben, ist ein Roboter mit Persönlichkeit, der auf eigenen Willen hin zum Glück einer Familie beitragen kann», sagt Softbank-Chef Masayoshi Son.
Dank modernster künstlicher Intelligenz und Stimmenerkennungstechnologie kann «Pepper» verschiedene Stimmlagen, Gesichtsausdrücke und Gesten erkennen. Der 121 Zentimeter grosse und 28 Kilogramm schwere Roboter kann diese Daten in der Cloud speichern und mit anderen Robotern austauschen. «Pepper» soll nicht nur im Haushalt helfen, sondern auch alten und vereinsamten Menschen als Partner zur Seite stehen.
Fröhlicher dank Robotern
Die Roboter in Japan sind nicht unbedingt dazu gedacht, Pflegekräfte zu ersetzen - sie sollen ihren menschlichen «Kollegen» vor allem eine Hilfe sein. «Ehrlich gesagt, ginge es hier auch ohne Roboter wie «Parlo«», sagt Kobayashi vom Pflegeheim Fuyo-En. Der Roboter sei einfach ein weiteres Mittel, die alten Menschen dazu anzuregen, zu kommunizieren oder beim Essen fröhlicher zu sein.
Industrieroboter sparen Arbeitskräfte und erhöhen die Produktivität, erläutert Shiro Sekiguchi. Er ist führender Mitarbeiter einer Organisation zur Förderung der Verbreitung von Pflegerobotern in der Tokioter Nachbarstadt Yokohama. «In der Pflegebranche spielen jedoch die Menschen die Hauptrolle, und die Roboter unterstützen die Menschen, sie leben miteinander. Es wird nicht dazu kommen, dass Roboter die Pflege von Menschen übernehmen», sagt er.
Ohnehin gestaltet sich die flächendeckende Einführung von Service- und Pflegerobotern derzeit noch schleppend. Nach Angaben des Wirtschaftsforschungsinstituts Yano belief sich der Markt für Pflegeroboter im Steuerjahr 2012/2013 (1. April) auf lediglich gut eine Milliarde Yen . Ein Grund sind Experten zufolge die hohen Entwicklungskosten. Weiteres Problem sei die Funktionalität.
Im Pflegebereich stossen die Entwickler schnell an die Grenzen des technisch Machbaren. Zudem gibt es bei den Senioren trotz aller Technikbegeisterung durchaus Vorbehalte gegenüber Robotern. Auch im Pflegeheim Fuyo-En macht nicht jeder mit, wenn «Parlo» zum gemeinsamen Singen auffordert.
SDA/jym
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