Türkei sperrt Luftraum nach SyrienPutins alter Verbündeter laviert zwischen Moskau und Kiew
Ankara erschwert Moskau die Versorgung seiner Truppen im nahöstlichen Kriegsgebiet. Es dürfte für Russland auch schwerer werden, dort stationierte Einheiten in die Ukraine zu verlegen.

Die Türkei hat ihren Luftraum für russische Militär- und Zivilflugzeuge auf dem Weg nach Syrien gesperrt. Damit hat Ankara die Möglichkeiten Moskaus eingeschränkt, seine in dem nahöstlichen Bürgerkriegsland kämpfenden Truppen und die dortigen Luftwaffen- und Marinestützpunkte zu versorgen. Gleichzeitig dürfte es für Russlands Staatschef Wladimir Putin schwieriger geworden sein, in Syrien stationierte Truppen oder Waffen an die Ukraine-Front zu verlegen.
Als der türkische Aussenminister Mevlüt Cavusoglu die Luftraumsperrung bekannt gab, betonte er, dies sei keinesfalls als Affront zu verstehen. Er habe die Sperrung seinem russischen Amtskollegen Sergei Lawrow bereits im März angekündigt, dieser habe es Russlands Präsidenten rechtzeitig mitgeteilt. Putin habe daraufhin angeordnet, dass die Syrien-Flüge ab dem vereinbarten Zeitpunkt im April eingestellt würden. Die Überflugrechte müssen vierteljährlich verlängert werden.
Sperrung der türkischen Wasserstrassen
Cavusoglu verglich den Vorgang mit der Sperrung der türkischen Wasserstrassen für ausländische Kriegsschiffe auf der Grundlage internationaler Verträge. Diese Massnahme, die Ankara zu Kriegsbeginn auf der Basis des Vertrags von Montreux getroffen hatte, verhindert, dass die russischen Flottenverbände im Schwarzen Meer verstärkt werden können.
Moskaus Kriegsschiffe müssten, aus dem Mittelmeer kommend, die Meerengen der Dardanellen und den Bosporus durchfahren, um ins Schwarze Meer und vor die ukrainische Küste zu gelangen. Cavusoglu betonte, dass die Türkei zu Kriegsbeginn auch ein geplantes Nato-Manöver im Schwarzen Meer durch die Bosporus-Sperre unmöglich gemacht habe. Man habe Russland mit der Durchfahrt westlicher Kriegsschiffe «nicht provozieren» wollen.

Der frühere AKP-Abgeordnete Emin Sirin sagte, die Sperrung des Luftraums werde die Versorgung der Truppen in Syrien spürbar schwerer machen: «Der Seeweg ist geschlossen. Die Flugrouten über den Iran reichen nicht aus, die Russen müssen auch über Georgien fliegen», so Sirin. «Spezialisten sagen mir, dass die Russen noch nicht wissen, was sie künftig in Syrien tun werden.»
Die Türkei als Schwarzmeer-Staat betreibt eine Politik des pragmatischen Spagats im Ukraine-Konflikt. Sie unterhält gute Beziehungen zu beiden Kriegsparteien. Sie lässt keinen Zweifel daran, dass sie Moskau als Aggressor sieht, obwohl sie wirtschaftlich abhängig von russischer Energie, von Getreidelieferungen und vom russischen Tourismus ist. Zugleich hat sie sich den meisten Strafmassnahmen gegen Moskau nicht angeschlossen.
Es gebe erste Entwürfe für mögliche Abkommen zur Beilegung der Kriegshandlungen, sagt Cavusoglu.
Im Gegenzug beliefern türkische Privatunternehmen die Ukraine mit Drohnen. Die wichtigste Rolle Ankaras aber ist die des Vermittlers. Erste hochrangige Treffen der Kriegsgegner hatten in der Türkei stattgefunden. Aussenminister Cavusoglu sagte nun: «Zwischen den Führungspersonen» – gemeint sind Putin und sein ukrainischer Amtskollege Wolodimir Selenski – «funktioniert eine Hintertür-Diplomatie.» Es gebe erste Entwürfe für mögliche Abkommen zur Beilegung der Kriegshandlungen. Sollte es Fortschritte geben, würden sich Putin und Selenski in der Türkei treffen, behauptete Cavusoglu. Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan hatte am Sonntag erneut mit Selenski telefoniert und versichert, die Türkei könne im Fall eines Abkommens Sicherheitsgarantien übernehmen.
Cavusoglu hatte letzte Woche Aufsehen erregt, als er behauptete, einige Nato-Staaten wollten den Ukraine-Krieg bewusst in die Länge ziehen. Dem Sender CNN-Turk hatte er gesagt: «Sie wollen, dass Russland dadurch stärker geschwächt wird.» Cavusoglu benannte keinen der Staaten, die dies angeblich verfolgen. Naheliegend ist, dass neben den USA vor allem osteuropäische Nato-Staaten wie Polen, die baltischen Staaten oder Rumänien ein Interesse haben dürften. Diese Nato-Staaten müssen sich durch Russland selbst bedroht fühlen.
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