Kilometerlange UmwegePrattler Gewerbler schimpfen über neues Verkehrsregime
Seit die Rheinstrasse gesperrt ist und weil Anschlüsse an die neue Kantonsstrasse fehlen, müssen im Gewerbegebiet an der Netzibodenstrasse weite Umwege genommen werden.

Marco Stohler ist hörbar ausser sich, versucht aber trotzdem, sich «professionell» auszudrücken. Der Betriebsleiter der Scania AG, die an der Netzibodenstrasse in Pratteln unter anderem Werkstätten für Lastwagen und Busse betreibt, klagt über weite Anfahrtswege, seit die Rheinstrasse auf einem kurzen Abschnitt auf Höhe Pratteln gesperrt ist.
Die Rheinstrasse soll mehrheitlich zu einer reinen Velo- und Fussverkehrsachse umgestaltet werden, während in Richtung Rhein ein neues Wohnquartier geplant ist. Der Kanton leitet den Durchgangsverkehr seit Dezember über die neu gebaute Rauricastrasse als Kantonsstrasse entlang der Autobahn. Baudirektor Isaac Reber lobte noch Ende November das neue Verkehrsregime. Doch die Betriebe an und rund um die Netzibodenstrasse/Lohagstrasse haben seitdem nichts mehr zu lachen.
Denn wie im Vorfeld befürchtet, finden Kundinnen, Kunden und Chauffeure die Geschäfte nicht mehr. Die Signalisation der neuen Verkehrsführung sei mangelhaft, kritisiert Marco Stohler. War früher die Anfahrt ins Gewerbegebiet über die Rheinstrasse her direkt und einfach möglich, ist heute ein weiter Umweg notwendig, weil die Zufahrtsstrassen von der neuen Kantonsstrasse ins Gewerbegebiet noch nicht fertiggestellt sind. «Gerade bei Lastwagen kostet jeder Kilometer viel Geld», gibt Stohler zu bedenken.
Rheinstrasse zu früh gesperrt?
Nicht nur Marco Stohler kritisiert das neue Verkehrsregime. Auf Nachfrage tönt es bei mehreren Betrieben ähnlich oder sogar noch schlimmer. Von 40 bis 50 Prozent gesunkener Kundenfrequenz spricht Hassan Richard, Geschäftsführer der Firma Office World, die an der Netzibodenstrasse Büro- und Computerbedarf verkauft. Auch Daniel Buser, Geschäftsführer der First Stop Reifen & Auto Service AG, beklagt sich und stellt die ökologische Sinnfrage, wenn jetzt seine Kundinnen und Kunden einen kilometerweiten Umweg fahren müssen.
Richard und Buser erzählen, wie Kunden verzweifelt anrufen und nach dem Weg fragen. Im Quartier kann niemand verstehen, weshalb der Kanton die Rheinstrasse bereits gesperrt hat, obwohl die geplanten Verbindungsachsen an die neue Kantonsstrasse entlang der Autobahn noch nicht bestehen.
Verständnis für den Ärger zeigt der für das Ressort Tiefbau zuständige Prattler Gemeinderat Urs Hess (SVP). Er kritisiert insbesondere die mangelhafte Signalisation. Doch auch die Gemeinde Pratteln ist am Schlamassel nicht ganz unschuldig. Der Bau des südlichen Teils der Lohagstrasse als Anschluss aus dem Gewerbegebiet an die neue Kantonsstrasse ist in weite Ferne gerückt. Urs Hess erklärte kürzlich im Einwohnerrat, dass aufgrund der Sistierung der Planungen in Salina Raurica auch die für die Lohagstrasse nötige Baulandumlegung sistiert sei. Auch beim Anschluss der Netzibodenstrasse an die Rauricastrasse gibt es Verzögerungen.
Provisorische Strassenverlängerung in Abklärung
Die Schliessung der Rheinstrasse gründe auf Beschlüsse des Landrats, sagt Catia Allemann, Mediensprecherin der Baselbieter Bau- und Umweltschutzdirektion (BUD). Der Landrat habe es dabei explizit abgelehnt, den Verkehr auf der zentralen Achse Netzibodenstrasse zu führen, und dabei auch in Kauf genommen, dass die Gewerbebetriebe nicht mehr aus allen Richtungen, insbesondere von Augst her, gleich direkt erreichbar seien. Der Regierungsrat sei sich bewusst, dass das Gewerbegebiet noch nicht direkt erreichbar und die Erschliessung somit noch nicht optimal sei. Insofern könne der Regierungsrat eine gewisse Unzufriedenheit nachvollziehen, betont Allemann.
Nun versuchen Gemeinde und Kanton, die Nord-Süd-Verbindung mit einer provisorischen Verlängerung der Lohagstrasse als Anschluss an die neue Kantonsstrasse zu verbessern. Der Anschluss über die Netzibodenstrasse an die neue Kantonsstrasse wird erst Ende Jahr vollendet sein. Die Gewerbler versuchen derweil, mithilfe der Wirtschaftskammer und einer Petition Druck auf den Kanton auszuüben, damit dieser die Rheinstrasse vorübergehend wieder öffnet.
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