«Präsident der Reichen»
Heftige Kritik an Emmanuel Macrons Steuerreform zugunsten von Wohlhabenden.

Die Abgeordneten der französischen Nationalversammlung haben mit der Zustimmung zu den geplanten Einnahmen im Staatshaushalt 2018 gestern der Steuerreform von Präsident Emmanuel Macron ihren Segen gegeben. Dieser musste bei dem politischen Test keine böse Überraschung befürchten, da er über eine deutliche Sitzmehrheit in dieser Kammer verfügt. Diskutiert wurden vor allem zwei signifikante Änderungen: die Reform der Reichtumssteuer ISF (Impôt de solidarité sur la fortune) und die massive Senkung der lokalen Wohnsteuer (Taxe d'habitation). Es handelt sich um Wahlversprechen eines neuen Präsidenten, der es eilig hat und der seinen Wählern zeigen möchte, dass er keine Abstriche in seinem Programm zu machen gedenkt.
Der Abstimmung waren hitzige Debatten in den Medien und in der Nationalversammlung vorausgegangen. Die linke Opposition wirft Macron und der Regierung vor, mit dieser Steuerreform einseitig die Wohlhabendsten in der französischen Gesellschaft zu begünstigen. Diese profitieren von der Senkung der Reichtumssteuer. Sie wird künftig nur noch auf hohe Vermögen erhoben, die in Immobilienwerte investiert sind, nicht mehr dagegen auf mobilen Werten wie Aktien und anderen Beteiligungen. Macron hofft, dass damit mehr Reichtum in die Produktion fliessen wird. Der Kapitalmangel ist tatsächlich ein notorisches Problem der französischen Wirtschaft. Macron möchte, dass die Privilegierten mehr Risiken eingehen, und dazu sollen sie fiskalisch ermuntert werden. In diesem Sinne führt er auch eine Einheitssteuer von 30 Prozent auf Kapitalgewinne ein.
Gemeinden laufen Sturm
Eine enorme Einbusse für den Fiskus bringt der Wechsel von ISF zu ISI (Impôt sur l'immobilier) nicht. Denn schon vorher hatten die Reichsten, die von zahlreichen Möglichkeiten der internationalen Steueroptimierung Gebrauch machen, ohnehin praktisch keine Vermögenssteuer bezahlt. Dennoch hat diese Reform eine grosse symbolische Bedeutung. Die ISF stellt für die Linke eine heilige Kuh dar. Dass damit keineswegs verhindert wurde, dass der soziale Graben zwischen den Reichsten und den Mittellosen ständig wuchs, wurde in der Diskussion tunlichst verschwiegen. «Präsident der Reichen» ist inzwischen ein Etikett, das Macrons Popularität schadet. Neun von zehn meinen laut Umfragen, der Präsident bevorteile einseitig die Vermögenden im Land.
Er möchte dem begegnen, indem er rund 80 Prozent der Haushalte die lokale Wohnsteuer erlässt, was de facto zu einer Kaufkraftsteigerung führen müsste. Heute bezahlen die Mieter jeweils mehrere hundert oder sogar mehr als tausend Euro pro Jahr. Opposition gegen diese Reform kommt von den Gemeinden. Die taxe d'habitation wird nämlich auf lokaler Ebene erhoben und dient den kommunalen Sozial- und Bildungsausgaben.
Zwar hat die Regierung versprochen, diese Ausfälle würden finanziell durch staatliche Zuwendungen ausgeglichen. Das aber nehmen ihr viele Bürgermeister nicht ab. Sie protestieren, weil sie einen Teil ihrer kleinen Steuerhoheit verlieren und entweder (noch mehr) sparen oder andere lokale Steuern erhöhen müssen.
Der Kaufkraftgewinn für den Durchschnittsbürger hat zudem einen Haken: Es fehlen grundsätzlich 8,5 Milliarden Euro, wenn die meisten Haushalte die Taxe d'habitation nicht mehr bezahlen. Um dieses Loch zu stopfen, ohne das Defizit der öffentlichen Finanzen zu erhöhen, soll mit einem fiskalischen Trick die Sozialabgabe CSG für die meisten Einkommen erhöht werden. Von dieser Politik der einen Hand, die nimmt, was die andere gibt, wird in Frankreich mit einem Sprichwort abgeraten: Man dürfe nicht Pierre entkleiden, um Paul anzukleiden. Aber auf den Volksmund hört Macron derzeit weniger als auf seine «reichen Freunde», behauptet die Opposition.
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