Politisch flexibler Datenschutz
Links-Grün will Verkehrssündern mit Überwachungskameras das Handwerk legen. Als es darum ging, Kriminelle abzuschrecken, waren Kameras jedoch ein inakzeptabler Eingriff in die Persönlichkeitsrechte.

Unter dem Eindruck von spontan gebildeten Saubannerzügen und gewalttätigen Demonstrationen wollte die Polizei vor ein paar Jahren an 13 Standorten insgesamt 72 Kameras montieren, um rascher auf Ereignisse reagieren und die taktische Vorlaufzeit nutzen zu können. Die Anlage hätte dauernd in Betrieb bleiben sollen, damit die Aufzeichnungen nach der Verübung eines Verbrechens den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung gestanden wären.
Für Links-Grün im Basler Grossen Rat war dies ein inakzeptabler Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Bürger und nach einer Grundsatzdebatte wurde auf die Vorlage gar nicht erst eingetreten. Viel zu gross waren für die Grünen und die Ratslinken die Datenschutzbedenken und die Angst vor einem Überwachungsstaat.
Jetzt, ein paar Jahre später, wird erneut im Rat über die Installation von Überwachungskameras diskutiert, doch dieses Mal geht es nicht um gewalttätige Manifestanten, Räuber und Vergewaltiger, sondern um den Automobilisten. Links-Grün möchte nicht mit schnöden Rechtsbrechern die Zeit vertrödeln, wenn mit technischen Installationen die verbotene Zufahrt zur Innenstadt sanktioniert werden kann. Da spielen Datenschutzbedenken plötzlich keine Rolle mehr, und bei der Debatte im Grossen Rat über den Anzug von Grünen-Grossrat Michael Wüthrich fiel weder von linker noch von grüner Seite das Wort «Überwachungsstaat».
Sicherheit ist Links-Grün egal
Auch das Votum von SVP-Grossrat Christian Meidinger, als ehemaliger Polizeioffizier ein ausgewiesener Sicherheitsfachmann, man solle anstelle von Kameras Poller installieren, die neben einer Einfahrtsperre auch einen hohen Sicherheitsgewinn bringen würden, fand kein Gehör.
In Tat und Wahrheit geht es um eine weitere Abzocke von Autofahrern, die sich nahtlos in die vielen Schikanen gegen den motorisierten Individualverkehr einfügt, wie jüngst die vorsätzliche Verursachung von Rotlichtstaus. Die Kamerainstallation ist in jedem Fall ein erster Schritt zur Einführung von Road-Pricing. Denn wer lediglich Autos aus der Innenstadt verbannen möchte, müsste zwingend Poller befürworten, und wenn politische Kreise, die sonst äusserst heikel auf Datenschutzfragen reagieren, plötzlich Videoaufzeichnungen im öffentlichen Raum befürworten, werden andere Ziele verfolgt.
Befürworter von einem Basler Road-Pricing-System ziehen immer den Vergleich zu London mit seinem vor Jahren eingeführten Road-Pricing. Wer London und seine Metropolregion mit nahezu 14 Millionen Einwohnern mit Basel und seinem Verkehrsmanagement vergleicht, hat den Bezug zur Realität vollends verloren.
Pulsierendes Leben: Fehlanzeige
Da drängt sich eher ein Vergleich mit kleineren italienischen Städten auf, wo Autos, Lieferwagen und jene charmanten, dreirädrigen Piaggio-Kastenroller den öffentlichen Raum oft chaotisch belegen. Und auf den mit Vehikeln vollgestopften Plätzen sitzen Leute in Cafeterias, deren Betreiber die kleinen Tische mithin bis zur Hälfte auf den Parkplätzen aufgestellt haben. Denn erst durch die unaufgeregte Vermischung von Fussgängern, Velofahrern und dem motorisierten Individualverkehr entsteht pulsierendes Leben.
Wer an einem frühen Abend über den Basler Münsterplatz oder nach Ladenschluss durch die Freie Strasse geht, verspürt nicht den Wunsch nach Verweilen, sondern wird depressiv. Und letztendlich hat die Polizei weitaus Sinnvolleres zu tun, als Überwachungsbildchen zu sichten und fehlbaren Lenkern Bussen auszustellen.
Markus Melzl ist ehemaliger Kriminalkommissär und Sprecher der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt.
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