Parkplatznot in Basler QuartierPlötzlich waren die parkierten Autos ein Problem
Wegen eines einzigen Unfalls in elf Jahren müssen im Basler Wettsteinquartier 32 Parkplätze weichen. Der ACS plant nun eine Einsprache. Doch die Parkplatzsituation dürfte bald noch prekärer werden.

Die Aufregung ist gross im Quartier. Der Kanton will in der Wettsteinallee 32 Parkplätze abbauen. Ausgerechnet dort, wo die Parkplatznot sowieso schon besonders gross ist. Der dort bestehende, rund 1,5 Meter breite Velostreifen in Fahrtrichtung Wettsteinplatz «entspricht nicht mehr den Sicherheitsvorgaben des Kantons», sagt Daniel Hofer, der Sprecher des Bau- und Verkehrsdepartements (BVD), zum Grund für den Abbau. Die Velofahrer müssten dort entlang parkierter Autos fahren, «was immer wieder zu gefährlichen Situationen führen kann».
Hans-Peter Ebneter, Vorstand des Neutralen Quartiervereins Oberes Kleinbasel, ist wütend. Für ihn ist die Begründung des Kantons nur vorgeschoben. Tatsächlich weist die offizielle Unfallstatistik in diesem Streckenabschnitt von 2011 bis 2021 nur drei (!) Verkehrsunfälle auf, bei denen sich jemand verletzt hat. In allen drei Fällen blieb es bei leichten Verletzungen, und nur in zwei Fällen war ein Velo beteiligt. In diesen elf Jahren gab es zudem nur einen einzigen Unfall auf der Strassenseite, auf der jetzt das Entfernen der parkierten Autos für mehr Sicherheit sorgen soll.
Velostreifen plötzlich zu schmal
Der Parkplatzabbau passiert auf Anregung der Velolobby – allein wäre das BVD offenbar nicht auf die Idee gekommen. In der ursprünglichen Planauflage zur Erneuerung der Wettsteinallee im November 2020 war diese Massnahme nämlich nicht vorgesehen. Hofer sagt: «Im Rahmen der Planauflage bemängelten Pro Velo und der VCS den weiterhin vorgesehenen, schmalen Velostreifen, der in diesem Abschnitt der Wettsteinallee ohne Sicherheitsabstand entlang parkierter Parkplätze führt.»
Die Wettsteinallee sei Teil einer wichtigen Basler Veloroute für geübte Velopendler und für Velofahrer mit einem grösseren Sicherheitsbedürfnis, sagt Hofer. Der bestehende Velostreifen sei jedoch dafür zu schmal. Diese hätten im Kanton Basel-Stadt ein Standardmass von 1,8 Metern. «Würden wir die Parkplätze erhalten, wäre in diesem Strassenabschnitt der Wettsteinallee deshalb keine Veloinfrastruktur möglich, die den Sicherheitsanforderungen des Kantons entspricht.»
Nun soll der Velostreifen gleich auf 2,4 Meter verbreitert werden, damit sich Velofahrer überholen können, ohne auf die Fahrspur der Autos ausweichen zu müssen.
Für Ebneter, der selbst seit über 20 Jahren ohne Auto im Quartier lebt, ist dies ein Hohn. Er ärgert sich darüber, dass zwar die Preise der Parkkarten massiv erhöht wurden, es aber gleichzeitig immer weniger Parkplätze gibt. Und nun wolle die Basler Regierung auch noch die Motorfahrzeugsteuern erhöhen. Das sei «Mumpitz». Einzig die Velofahrer erhielten ein immer grösseres Angebot, ohne dafür bezahlen zu müssen.
Quartier durfte nicht mitreden
Laut Ebneter ist die Mehrheit der Quartierbewohner durchaus für mehr Grünflächen, wie sie auch in der Wettsteinallee geplant sind – und auch für Klimaschutz. Gegen Ladestationen für Elektroautos würde sich kaum jemand wehren. Aber der Parkplatzabbau und die «Diskriminierung» des Autos zugunsten des Velos gingen den meisten zu weit.
Der Ärger im Quartier hat längst auch Daniel Seiler erreicht. Der Freisinnige sitzt seit diesem Monat neu im Grossen Rat und ist Vorstandsmitglied des Automobil-Clubs beider Basel (ACS). Aus dem Quartier hätten ihn zahlreiche Personen kontaktiert, die sich über den neuerlichen Parkplatzabbau ärgerten. Seiler verweist darauf, dass in dem Streckenabschnitt rund 250 Haushalte betroffen seien. «In der Gegend gibt es weit und breit keine Tiefgaragen.»
Besonders stossend sei, dass der Parkplatzabbau auf Anregung der Velolobby beschlossen worden sei, ohne die Bevölkerung zu fragen. Seiler verweist auf die Kantonsverfassung, die vorsieht, dass die Quartierbevölkerung miteinbezogen wird, sofern ihre Belange besonders betroffen sind.
Kanton will «keine falschen Hoffnungen wecken»
Man habe in dieser Frage gar keinen Handlungsspielraum gehabt, heisst es beim Kanton. «Der geringe Platz sowie die gesetzlichen, planerischen und politisch beschlossenen Rahmenbedingungen wie zum Beispiel die Vorgaben zur Verkehrssicherheit oder zum Teilrichtplan Velo setzen dem Gestaltungsspielraum in Strassenräumen enge Grenzen», sagt Hofer. «Vor diesem Hintergrund würden informelle Mitwirkungen in solchen Projekten bei den Anwohnerinnen und Anwohnern nur Hoffnungen wecken, die nicht erfüllt werden können.»
Der Sprecher des Bau- und Verkehrsdepartements verweist darauf, dass die Betroffenen ja noch die Möglichkeit hätten, «im Rahmen der formellen Mitwirkung Rechtsmittel zu ergreifen».
Genau das soll jetzt erfolgen: Seiler kündigt an, dass der ACS gemeinsam mit verärgerten Anwohnern Einsprache gegen den Parkplatzabbau machen werde. Er macht sich allerdings wenig Hoffnung auf einen Erfolg.
Weitere Verschärfung der Situation droht
In naher Zukunft dürfte sich die Parkplatznot sogar noch verschärfen: Am Messeplatz wird voraussichtlich von 2024 bis 2026 der neue Rosentalturm gebaut. Während der Bauphase werden die knapp 1000 Parkplätze des Messeparkings nicht zur Verfügung stehen. In dieser Zeit benötigen dort 80 bis 100 Dauermieter vorübergehend ein neues Plätzchen. Die MCH Group sei aber bestrebt, alternative Standorte während der Bauphase zu finden, insbesondere während der Messen und Kongresse, wenn das Parkhaus meist gut gefüllt sei, teilt sie auf Anfrage mit.
Ob der eine oder andere Messebesucher dann nicht trotzdem lieber sein Glück auf einem nahen Parkplatz im Quartier sucht, steht auf einem anderen Blatt.
Gleich nebenan war einst ein Quartierparking unter dem Landhof geplant. Dem trauert Ebneter noch immer nach. Die Hälfte der 200 Parkplätze seien bereits reserviert gewesen. Die Investoren sind jedoch inzwischen abgesprungen. Laut Ebneter, weil «ein kleines Grüppchen» das Projekt mit zahlreichen Einsprachen und lautstarkem Widerstand eingedeckt habe.
Würde heute andernorts ein ähnlich dimensioniertes Projekt geplant, es würde dem von Parkplatznot geplagten Quartier gar nichts bringen: Eine von Links-Grün durchgeboxte Gesetzesbestimmung sieht inzwischen vor, dass neue Parkplätze in einem Quartierparking zu 95 Prozent durch die Aufhebung von Parkplätzen im Strassenraum kompensiert werden. Unter dem Strich verlöre das Quartier somit immer noch 22 Parkplätze. Damit die Zahl der Parkplätze im Quartier auf dem gleichen Stand wie heute bliebe, müsste somit ein riesiges Quartierparkhaus mit 640 Parkplätzen erstellt werden.
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