Pink Panther, II: Mit Dubai-Überfall zu Youtube-Ruhm
Zwei Dutzend Pink Panther sitzen inzwischen im Gefängnis. Doch der Raubzug der Bande geht weiter, als Rammbock-Räuber machen die Juwelendiebe in Asien reiche Beute.

Frustriert von den vergeblichen Bemühungen, der Juwelendiebe habhaft zu werden, spannten Beamte in London, Paris, Brüssel, Genf und Tokio zusammen: DNA-Unterlagen, Scans mit Fingerabdrücken, Telefonnummern und weiteres Beweismaterial wurden mit Interpol-Daten verglichen. Auch die Europol-Datenbanken Mare Nostrum und Furtum kamen zum Zug. Der Aufwand zahlte sich aus. Ungefähr zwei Dutzend Panther sitzen mittlerweile in westeuropäischen Gefängnissen ein. Aber die Bande ist weiter aktiv – ein kürzlicher Überfall auf Chaumet in Paris wird den Panthern zugeschrieben – und keines der inhaftierten Mitglieder ist zu einer Kooperation mit der Polizei bereit. Auch sieben Jahre nach dem Überfall auf Graff bleiben der genaue Zweck und die Operationsstruktur der Pink Panther ein Geheimnis.
Im vergangenen Jahr sprach ich mit 17 Kriminalbeamten in zehn Ländern, die den Panthern auf der Spur sind. Fast alle sagten, dass die Destination der Beute unklar sei. Doch nachdem ich in London einen Tipp erhalten hatte, besuchte ich die New Yorker Filiale des Gemmologischen Instituts von Amerika, eine Nonprofit-Organisation an der Ecke Fifth Avenue/Forty Seventh Street, im Diamantenbezirk. Das Institut fertigt Mikroskope und anderes Equipment für Diamantenhändler an. Es unterhält Labors in Johannesburg, Mumbai, Bangkok und weiteren Städten, wo Experten die Farbe, Klarheit und Grösse von Diamanten einstufen.
Rammbock-Methode: In Dubai raste ein Audi ins Schaufenster eines Juweliers, die Beute betrug 3,4 Millionen Dollar.
In einem Konferenzraum traf ich mich mit Ivy Cutler, einer der fähigsten Diamanten-Schätzerinnen. Cutler, eine grosse, selbstsichere Frau mit hübschem Gesicht, trug eine randlose Brille, einen schwarzen Rollkragenpullover und eine blaue Strickjacke mit einer Anstecknadel, auf der ihr 30-jähriger Dienst in der Diamanten-Branche gewürdigt wird. Die meisten Edelsteine, die Nobel-Läden wie Cartier oder Graff verkaufen, so Cutler, seien von ihrem Institut eingestuft worden. (Tiffany schätzt seine Diamanten selber .) Jeder Stein wird von mehreren Experten untersucht, um seine individuellen Eigenschaften zu bestimmen und festzustellen, ob seine Farbe durch einen chemischen Prozess verändert worden ist. Danach wird die Expertise in eine Datenbank eingegeben. Zirka eine Million Steine schätzt das Institut jedes Jahr, davon versieht es die Hälfte mit mikroskopisch kleinen Sicherheitscodes, die einen Diebstahl erschweren sollen. Diese Woche, sagte Cutler, habe sie schon 15 Anfragen von Polizeibehörden bekommen – und es war erst Mittwoch.
Cutler führte mich in einen Raum, dessen Fenster mit Sonnenblenden versehen waren. 48 Schätzer, sogenannte Grader, sassen über Mikroskope gebeugt und untersuchten Diamante. Die Steine kommen in durchsichtigen Plastikschachteln zu den Schreibtischen der Angestellten, wo sie mit Pinzetten unter die Mikroskope gelegt werden. Die Arbeit ist vergleichbar mit jener in einem Röntgen-Labor. Einige Diamanten, sagte Cutler, hätten derart hypnotisierende Okklusionen, dass man sich in ihnen verlieren könne. «Wie Blumen oder Christbäume», erklärte sie, während sich ihr Blick für einen Moment trübte. «Etwas, das wohl nur ein Gemmologe zu schätzen weiss.»
Ich erkundigte mich bei Cutler nach gelben Diamanten, die sie vor ein paar Jahren untersucht hatte. «An die Steine erinnere ich mich», sagte sie. Als ihre weniger obsessiven Kollegen gerade eine Kaffeepause einlegten, machte Cutler damals eine Entdeckung. Etwas an einem Stein, den sie durch ihr Mikroskop studierte, kam ihr merkwürdig vor. Nachdem sie den Sicherheitscode mit Hilfe der Datenbank des Instituts abgeglichen hatte, verstärkte sich ihre Skepsis.
Besagter Diamant war einer von 17 Steinen, die ein Kunde zur Prüfung gebracht hatte. Für Cutler stand fest, dass alle Steine gestohlen waren. Zwar wollte sie mir die Identität des Kunden nicht verraten, sagte aber, dass die Diamanten von Europa über Israel nach New York gelangt seien. Der Käufer der gestohlenen Steine habe eine private Vereinbarung mit dem Verkäufer getroffen, was im Diamantenhandel üblich sei. «Das geht uns wirklich nichts an», so Cutlers Antwort, als ich sie nach den Details der Vereinbarung fragte. Etwas gab sie dennoch preis: Die gelben Diamanten mit dem Sicherheitscode waren Teil von Predrag Vujosevics Beute aus dem Graff-Raub in London.
Der Ermittler mit dem grössten Wissen über die Pink Panther ist André Notre-Dame, ein Belgier, dessen Name in keinem öffentlichen oder polizeilichen Register vorkommt. Im Frühling vor einem Jahr traf ich ihn in Brüssel in einem Café bei der Börse. Ein grauhaariger Mann mit einem Zwirbelbart und einem aufgequollenen, formlosen Gesicht. Sein Bauch, teilweise von einer Nylon-Windjacke bedeckt, ragte über den Bund seiner verblichenen Jeans hinaus. Er trug schwarze Halbschuhe mit dicken Gummisohlen.
Notre-Dame glaubt, dass der Kern der Panther-Organisation aus 20 bis 30 erfahrenen Räubern besteht. Dutzende von Vermittlern in verschiedenen europäischen Städten, darunter Brüssel, bieten logistische Hilfe an. Gestohlene Diamanten können in Antwerpen landen. Luxusuhren verschwinden Richtung Osten, nach Serbien und Russland, versteckt in Autos. «Ein Teil des Geldes gelangt nach Serbien», sagte Notre-Dame mit einem Kichern, das seinen Bart kräuseln liess. «Die serbischen Behörden mögen Geldinvestitionen.» In Belgrad werden die Einnahmen offenbar gewaschen, bevor man sie in Cafés, Restaurants und Immobilien anlegt.
Zu wenig gründlich: In Dubai steckten die Täter die Fluchtautos in Brand, aber DNA-Spuren blieben zurück. Sie führten zu Dusko Poznan.
Nach einem gemütlichen Mahl zündete sich Notre-Dame eine Zigarre an und wir spazierten zur Galleries Royales Saint-Hubert, einer überdachten Einkaufspassage mit acht Juwelierläden. Seit 2002, sagte er, haben die Panther 150 Juweliergeschäfte ausgeraubt. Die meisten Überfälle folgten demselben Modus operandi: Ein elegant angezogener Mann betritt das Geschäft und öffnet die Tür des Notausgangs einen Spalt breit, um so seinen Komplizen Zutritt zu verschaffen. (Edel-Juweliere erlauben in der Regel bloss einen Kunden aufs Mal). Der erste Eindringling hat im Normalfall eine Waffe. Die anderen sind mit Hämmern und Beilen ausgerüstet, um die Schaukästen zu zertrümmern. Die Räuber stecken Juwelen und Uhren in Rucksäcke und machen sich in einem gestohlenen Wagen davon. «Die Autos sind mindestens zehn Jahre alt», erklärte Notre-Dame. Ältere Wagen sind weniger auffällig und lassen sich einfacher kurzschliessen. Zur Verfügung gestellt werden Wagen und Waffen von Partnern der Panther vor Ort, die sich auch um Hotelzimmer sowie andere Kleinigkeiten kümmern.
Manchmal, so Notre-Dame, setzen die Panther auf eine Strategie namens «vol au bélier» – Rammbock-Raub –, wobei sie einen schweren Gegenstand in ein Schaufenster rammen, etwa ein mit Zementbrocken gefülltes Einkaufwägelchen. Zum Zug kann diese Technik etwa bei einem Überfall in Dubai am 15. April 2007. Zwei Audi – einer schwarz, einer weiss - preschten durch das Tor zum Wafi-Einkaufscenter. Der schwarze raste ins Schaufenster eines Juweliers. Videoaufnahmen des Überfalls wurden auf Youtube geladen. Im Clip ist zu sehen, wie die beiden Wagen auf dem polierten Fliesenboden des Centers vor dem Geschäft warten. Ein Fahrer hupt zweimal, drei maskierte Männer stürmen aus dem Geschäft. Während Kunden auf der Galerie die Szene fassungslos verfolgen, springen die Räuber in die Fluchtautos und rasen aus dem Blickfeld. Später meldete das Geschäft einen Diebstahl in der Höhe von 3,4 Millionen Dollar.
Die Dubai-Räuber setzten die Audis in Flammen, in der Hoffnung, etwaige belastende Spuren zu verwischen. Doch sie gingen nicht gründlich genug vor. Die örtlichen Behörden fanden DNA-Spuren in den Autos und schickten am 19. April 14 Proben nach Lyon ins Hauptquartier von Interpol. Zwei der Proben waren mit der DNA von Männern identisch, die wegen eines Raubs in Liechtenstein gesucht wurden. Eine dritte Probe passte zu einem Mann, der ein Schmuckgeschäft in der Schweiz ausgeraubt hatte.
Weil die beiden Audis gemietet waren, stiess die Polizei über eine Telefonnummer im Vertrag auf Bojana Mitic, eine 25-jährige Blondine aus der serbischen Stadt Nis. Dank den DNA-Proben und der Überwachung von Mitics Telefon gelang es den Ermittlern, acht Panther zu identifizieren – sechs stammten aus Serbien, einer aus Montenegro und einer aus Bosnien.
Der Bosniake war ein 31-Jähriger namens Dusko Poznan und wurde bereits wegen weiteren Überfällen gesucht. Sofort alarmierte Interpol die weltweit zuständigen Behörden; das Fahndungsfoto zeigte einen gutaussehenden, dunkelhaarigen Mann mit Augen, unter die die Müdigkeit Krater gegraben hatte. Gemäss Aufruf wurde Poznan, der fliessend Englisch und Russisch sprach, wegen Überfällen in Liechtenstein und der Schweiz gesucht.
Zurück zu Teil 1| Vorwärts zu Teil III
© David Samuels. Die Reportage erschien zuerst im «New Yorker». Übersetzung: Philippe Zweifel.
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch