Strafanzeige gegen VerwaltungsrätePeter Spuhler in «bizarren» Wirtschaftskrimi verwickelt
Der Unternehmer ist Hauptaktionär der Traditionsfirma Rieter. Diese verklagt zwei eigene Verwaltungsräte – weil sie Geschäftsgeheimnisse verraten haben sollen.

Die Geschichte bietet Stoff für einen Krimi: Die Hauptfigur ist der Schweizer Traditionskonzern Rieter mit Sitz in Winterthur. Und die Fäden im Hintergrund ziehen zwei Milliardäre. Auf der einen Seite ist das Peter Spuhler. Der Ex-SVP-Nationalrat und Vorzeigeunternehmer hält rund 22 Prozent an Rieter; er ist damit der grösste Aktionär. Sein Kontrahent ist der erfolgreiche belgische Unternehmer Luc Tack. Er hält weniger als 15 Prozent an Rieter.
Aber der Reihe nach.
Der Winterthurer Konzern ist nach einem schwierigen Jahr durch die Corona-Krise auf dem Weg der Besserung, als sich für das Unternehmen eine einmalige Zukaufsgelegenheit bietet. Ein anderes Schweizer Traditionsunternehmen – Saurer – ist ins Schlingern geraten. Betroffen sind die beiden deutschen Tochtergesellschaften, die Insolvenz angemeldet haben.
Einmalige Gelegenheit
Rieter will mit Rückendeckung von Grossaktionär Spuhler zuschlagen. Noch bevor sich andere Bieter anstellen, um die Saurer-Gesellschaften zu übernehmen, reicht die Firma eine Offerte ein und wähnt sich in grosser Sicherheit.
Doch dann folgt die grosse Überraschung: Rieter ist mit dem Angebot nicht allein. Zwei Verwaltungsratsmitglieder des Winterthurer Konzerns haben ebenfalls eine Offerte eingereicht: Luc Tack und sein Finanzchef Stefaan Haspeslagh.

Tack ist Chef und Eigentümer des belgischen Industriekonglomerats Picanol, das unter anderem Webmaschinen herstellt. Er sitzt seit vier Jahren im Verwaltungsrat von Rieter. Dort war er aufgrund seiner Expertise im Textilmarkt stets gefragt und willkommen.
Im März baut Tack seinen Einfluss bei Rieter dann aus und übernimmt ein Aktienpaket von zehn Prozent des langjährigen Rieter-Eigners und Schweizer Industriellen Michael Pieper. Damit hält er zwischen 10 und 15 Prozent und holt einen zweiten Vertrauten in den Verwaltungsrat: Haspeslagh wird im April in das Gremium gewählt.
Schlacht der Milliardäre
Dort nehmen die beiden wie alle anderen Verwaltungsräte an regelmässigen Sitzungen teil. Nach Darstellung von Rieter haben sie jedoch verwaltungsratsinterne Informationen dazu benutzt, um eine eigene Offerte zu lancieren. Weitere Details dazu gab Rieter nicht preis.
Rieter und Spuhler wollen sich das nicht bieten lassen. Sie wollen die beiden Belgier aus dem Verwaltungsrat drängen. Geschehen soll das an einer ausserordentlichen Generalversammlung, die noch im Verlauf des Jahres stattfinden soll. Als grösster Aktionär dürfte Spuhler dort ein gewichtiges Wort mitzureden haben. Zudem haben sie Strafanzeige gegen die beiden eingereicht.
Den Zuschlag für die Saurer-Gesellschaften bekommt Rieter für 300 Millionen Euro. Der Traditionskonzern erhofft sich damit einen Wachstumsschritt und rechnet mit über einem Viertel mehr Umsatz und Gewinn.
«Ich habe noch nie in der Schweiz oder im Ausland etwas ähnlich Bizarres erlebt.»
Entscheidend sei, wann die beiden in den Ausstand getreten seien, sagt Peter V. Kunz, Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Bern. «Das wird die Frage sein, die es zu klären gilt. Wenn sie zu spät in den Ausstand getreten sind, dann waren sie am Anfang der Verhandlungen noch dabei und haben möglicherweise relevante Informationen erhalten», sagt Kunz.
Unabhängig vom Ausgang des Falls spricht er von einer absolut aussergewöhnlichen Situation. «Ich habe noch nie in der Schweiz oder im Ausland etwas ähnlich Bizarres erlebt.» Gewöhnlich kämen solche Fälle nicht ans Licht, und die betreffenden Personen würden versuchen, sich ohne öffentliches Aufsehen irgendwie zu einigen.
Angelika Gruber arbeitet seit 2020 in der Wirtschaftsredaktion von Tamedia. Davor war sie über 15 Jahre für die Nachrichtenagentur Reuters tätig - in der Schweiz, Österreich und Deutschland.
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