«Ein Mensch, den man festhalten möchte»
Im Fraumünster fand am Mittwoch der Trauergottesdienst für Bruno Ganz statt. Er war ein «Zürihegel», den man in der ganzen Welt kannte.
«Wir trauern um den grossen Bruno Ganz, unseren Freund», stand auf der Todesanzeige. Darunter Namen wie Senta Berger, Thomas Hürlimann, Christoph Marthaler, Peter Simonischek, Robert Hunger-Bühler, Wim Wenders. «Ich trauere um den mir liebsten Menschen», schreibt Ruth Walz, die langjährige Lebensgefährtin des Verstorbenen.
Angehörige und Wegbegleiter nahmen am Mittwoch in Zürich von Bruno Ganz Abschied. In Zürich wurde er am 22. März 1941 geboren und ist er am 16. Februar 2019 gestorben. Es kamen auch viele, die ihn nur von der Bühne oder der Leinwand her kannten.
Manche mit Blumen in den Händen, die sie unter dem Bild des Schauspielers niederlegten. Es zeigt ihn, wie er erst noch war, bevor ihn der Krebs krank machte: Locker auf ein Geländer gestützt, schaut er mit offenem Blick, leicht nachdenklich, aber auch etwas schalkhaft in die Kamera.
In der voll besetzten Fraumünsterkirche, einer der vier reformierten Altstadtkirchen Zürichs, eröffnete Pfarrer Niklaus Peter den Trauergottesdienst mit dem Psalm 94: «Wenn dunkle Gedanken in meinem Herzen mächtig werden, erheitert dein Trost meine Seele.» Eine erste Würdigung stammte aus der Feder des Schriftstellers Botho Strauss, mit dem Ganz seit Jahrzehnten eng verbunden war.
Würdigung durch Botho Strauss
Da Strauss nicht selbst nach Zürich kommen konnte, wurde seine Rede vom deutschen Schauspieler Jens Harzer gelesen. 1996 verkörperte Harzer an den Münchner Kammerspielen in Botho Strauss’ Stück «Ithaka» den Sohn des Odysseus. Odysseus wurde von Bruno Ganz gespielt.
Am besten sei Ganz gewesen, wenn er ausser sich war. «Zornesmütig oder klagend. In solchen Sequenzen verband er sein Publikum mit den Gewalten der grossen Seele, selbstverständlich als der Protagonist der Verzweiflung und niemals der siegreichen Macht.» Die Würdigung endete mit dem Satz: «Autor für dich zu sein, war die Erfüllung meines Theaterlebens.»
Love von Lars von Trier
Es waren Prominente aus Film und Theater gekommen. Iris Berben war da, die von 2010 bis 2013 zusammen mit Bruno Ganz die Deutsche Filmakademie präsididerte. Im Chor der frühgotischen Kirche stand ein grosser Kranz mit weissen Blumen, den die Akademie schickte. Auf der Schleife die Worte: «Es war uns eine Ehre.»
Daneben ein Blumenbouquet von der Epo-Film Wien mit der Widmung: «In tiefer Verneigung». Der Regisseur Lars von Trier schickte einen leuchtend orangen Kranz mit einem einzigen Wort: «Love». Er hatte zuletzt vor einem Jahr für seinen Film «The House That Jack Built» mit Bruno Ganz zusammengearbeitet.
Zürich in die Welt getragen
Der Schweizer Filmemacher Fredi Murer war da und Schauspieler wie Burghart Klaussner, Joachim Król, Robert Hunger-Bühler und Daniel Rohr. Franz Hohler nannte Bruno Ganz einen «sehr geachteten Schauspieler», und Zürichs Stadtpräsidentin Corine Mauch bezeichnete ihn als einen feinsinnigen Menschen, der den Namen Zürichs in die Welt hinausgetragen habe.
Umgekehrt sei Bruno Ganz von ganzem Herzen Zürcher gewesen, sagte der deutsche Regisseur Wim Wenders, der während der Trauerfeier sprach. Genauer gesagt ein «Zürihegel», wie Ganz einmal stolz erklärt habe. Das sei übrigens das einzige Mal gewesen, dass Wenders den Schauspieler mit Schweizer Akzent sprechen gehört habe.
Ein Menschenwissenschaftler
Wim Wenders trat in einem braunen Kapuzen-Lodenmantel ans Mikrofon und sprach halb zu den Anwesenden, halb zu dem Bild von Bruno Ganz. «Du hast jedes Wort, jede Geste beseelt. Er war nicht nur ein Menschenkenner, sondern ein Menschenwissenschaftler.» Mit Wim Wenders’ Film «Der amerikanische Freund» gelang Bruno Ganz 1977 der internationale Durchbruch.
Wenders erinnert sich, wie beeindruckt er schon damals von Ganz als Darsteller war. Und er sei einer gewesen, der die Menschen liebte. So, wie der Engel Damiel in Wenders’ Film «Der Himmel über Berlin» (1987) die Menschen liebte. Damiel verzichtet darin auf seine Unsterblichkeit – weil er den sterblichen Menschen näher sein will.
Bleibt etwas?
Zu diesem «Menschenwissenschaftler» passte die Musik, welche das Delian Quartett anstimmte: die «Sarabande» von Dmitri Schostakowitsch aus der Bühnenmusik zu «Die menschliche Komödie». Diese menschliche Komödie konnte Bruno Ganz wie kaum ein anderer darstellen – auch deren tragische Seiten.
Am Schluss stellte Pfarrer Niklaus Peter jene Frage, die bei jedem Abschiedsgottesdienst im Raum steht: «Was bleibt? Was bleibt von diesem Lebensteppich? Bleibt etwas?» Der Schauspieler Bruno Ganz ist durch seine Filme unsterblich geworden. Und als Mensch? Iris Berben sagte zu den umstehenden Journalisten: «Er war ein Mensch, den man festhalten möchte.»
Die Urnenbeisetzung fand am Nachmittag auf dem Friedhof Rehalp statt.
Sondervorführung von Bruno Ganz’ letztem Spielfilm «Fortuna» (Regie: Germinal Roaux) heute Mittwochabend um 18 Uhr im Arthouse Piccadilly, Zürich.
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch