Neue Oxfam-StudiePandemie vergrössert globale Ungleichheit
Während die zehn reichsten Menschen der Welt ihr Vermögen verdoppeln, rutschen Millionen in Armut, so die Organisation Oxfam. Doch an der Studie gibt es Kritik.

Wer von einigen wenigen Dollar pro Tag leben muss, ist nach der Definition der Weltbank arm. Bevor die Corona-Pandemie vor knapp zwei Jahren ausbrach, waren das bereits etwa drei Milliarden Frauen, Männer und Kinder. Mittlerweile sind weitere 160 Millionen Menschen dazu gekommen – während die zehn reichsten Menschen ihr Vermögen in dieser Zeit verdoppeln konnten. Das sind die Ergebnisse der diesjährigen Ungleichheitsstudie der Entwicklungsorganisation Oxfam. Doch so bedenkenswert die Zahlen sind, gibt es auch diesmal Kritik an der Machart des Papiers, das diesmal natürlich stark auf die Virus-Seuche abstellt.
Durch die Pandemie erlitten Menschen aller Einkommensgruppen Verluste. Allerdings mit unterschiedlichem Ergebnis: Industriestaaten haben im vergangenen Jahr eine wirtschaftliche Erholung erlebt. Hingegen haben die ärmsten 20 Prozent der Weltbevölkerung am meisten an Einkommen verloren, so erläutern es die von Oxfam zusammengetragenen Statistiken. Die Ursache dafür ist schnell erklärt: die meisten von ihnen leben in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen, in denen sich das Wirtschaftswachstum lange nicht von den Einschlägen der Pandemie erholt hat. Mit existenziellen Auswirkungen: Jeden Tag sterben demnach mindestens 15000 Menschen, weil sie keine ausreichende medizinische Versorgung haben.
Ein weiteres Ergebnis: Besonders Frauen bekommen die wirtschaftlichen Auswirkungen des Corona-Virus zu spüren. Während im vergangenen Jahr laut der Internationalen Arbeitsagentur wieder so viele Männer in Beschäftigung gewesen sein dürften wie vor der Pandemie, waren wohl 13 Millionen Frauen weniger erwerbstätig als noch vor zwei Jahren. Schätzungen zufolge haben Frauen im Jahr 2020 weltweit mindestens 800 Milliarden US-Dollar an Einkommen verloren. Damit rückt das Ziel in immer weitere Ferne, dass Frauen so viel verdienen wie Männer.
Laut Oxfam werden durch die Pandemie zusätzlich 20 Millionen Mädchen in ärmeren Ländern ihre Schulzeit nicht mehr fortsetzen; zehn Millionen mehr als bisher sind von einer Heirat im Kindesalter bedroht. Viele von ihnen werden ungeplant und zu früh schwanger und besuchen ebenfalls keine Schule mehr und machen keine Ausbildung.
«Für Milliardäre gleicht die Pandemie einem Goldrausch.»
Oxfam vergleicht dies mit den reichsten Menschen des Planeten. Laut der Zeitschrift Forbes ist das zusammengerechnete Vermögen aller 2755 Milliardäre und Milliardärinnen weltweit in der Pandemie um fünf Billionen Euro gestiegen. Ein Geldvermehrung in einer Geschwindigkeit, wie man sie sonst noch nie gesehen hat: Während das weltweite Vermögen nur um ein Prozent angewachsen sei, hätten die reichsten 55'000 Menschen ihr Vermögen um 14 Prozent gemehrt.
«Für Milliardäre gleicht die Pandemie einem Goldrausch», beklagt Armutsexperte Manuel Schmitt von Oxfam. «Regierungen haben Milliarden in die Wirtschaft gepumpt, doch ein Grossteil ist bei Menschen hängengeblieben, die von steigenden Aktienkursen besonders profitieren.»
Oxfam fordert als Konsequenz, Konzerne und Reiche stärker in Verantwortung zu nehmen: Es brauche eine einmalige Abgabe auf sehr hohe Vermögen und eine Vermögensteuer. Zudem müssten Steueroasen geschlossen werden und die globale Mindeststeuer für Konzerne höher angesetzt werden als geplant: Nämlich bei 20 bis 25 Prozent anstatt 15 Prozent.
Andreas Peichl vom Münchner Ifo-Institut übte in der Vergangenheit methodische Kritik an der jährlichen Oxfam-Studie. Sie basiere im wesentlichen auf dem «Global Wealth Report» der Bank Credit Suisse und stelle einen linearen Anstieg der Vermögensungleichheit fest, obwohl für viele Länder keine oder nur veraltete Daten vorlägen.
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