Neues von PrinceP-Funk aus dem Grab
Das Pop-Genie Prince kämpfte zeitlebens damit, als Rund-um-die-Uhr-Inspirierter viel zu viel Material zu produzieren. Nun erscheint wieder Unveröffentlichtes. Was taugt das neue Album?

Vor gut fünf Jahren ist Prince gestorben. Jetzt ist wieder ein Album mit bisher unveröffentlichter Musik aus dem Jahr 2011 von ihm erschienen. «Welcome 2 America» ist das siebte Produkt, das die Nachlassverwalter seit Prince' Tod konzipiert haben. Die Qualitätskontrolle hat bei den posthumen Platten bislang gut funktioniert. Das essenzielle Dilemma, das die ungefragt publizierten Werke toter Künstlerinnen und Künstler aufwerfen, lässt sich freilich trotzdem nicht wegdiskutieren.
Aber auch in diesem Fall kann man schnell entwarnen: «Welcome 2 America» klingt durch und durch fertig, ist offenbar weder eine flüchtige Skizze noch ein zusammengestückeltes Frankenstein-Lappenwerk. Nicht einmal die elf Jahre Verspätung hört man den zwölf Songs an. Aus dem einfachen Grund, dass sie durchweg auf noch ältere Quellen zurückgreifen. Der damals schon Las-Vegas-geschulte Prince und seine Studioband spielen hier den Soul-Funk der frühen Siebzigerjahre, den P-Funk aus der wild zerzausten Space-Jam-Schule George Clintons, ab und zu den vom jungen Prince selbst erfundenen Groove-Rock. Es ist eine bestens ausbalancierte, aber auch völlig ungefährliche, sich nirgends an irgendwelchen Grenzzäunen schubbernde Musik.
Im Titelsong haben viele Kommentatoren ein Stück soziopolitischer Prophetie entdeckt. Prince sprechsingt hier, in einem interessant choreografierten Dialog mit seinen Chorfrauen, über die Chancenungleichheit im amerikanischen Alltag, über eskalierten Kapitalismus und medialen Terror. Der Künstler habe hier jüngste Entwicklungen vorausgesehen, finden einige. Allerdings hat Prince durch die Jahrzehnte immer wieder in ähnlichen Mustern argumentiert. Irgendwann schrieb er sich sogar mit einem Filzstift das kolonialistisch tonnenschwere Wort «Sklave» ins Gesicht, um gegen einen Knebelvertrag der Plattenfirma zu protestieren.
An anderen Stellen des Albums singt er dann detailliert über die Orgasmen einer Liebsten, covert überraschend tanzfüssig das Schweinerock-Epitom «Stand Up And B Strong» von Soul Asylum. Soll heissen: «Welcome 2 America» ist eine anständige Old-School-Funk-Platte, die das Gedenken an ihren Macher nicht im Geringsten beschmutzt, seinen Genius aber höchstens in der souveränen Eleganz enthält, mit der er das Offensichtliche hier als Exklusivparty inszeniert.
Die Frage, warum Prince das Album 2011 nicht veröffentlichte, haben einige der Weggefährten zu beantworten versucht: Die Musiker hätten damals keine Zeit für eine Tour gehabt, die politische Aussage sei ihm dann doch zu gewagt gewesen. Eine Möglichkeit wurde noch nicht genannt. Vielleicht fand Prince selbst, nachdem er dreimal drüber geschlafen hatte, die Platte einfach nicht gut genug. Ein paar Bonusideen hatte er ja immer im Ärmel.
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