Opposition stellt Ultimatum und droht mit «Volkszorn»
«An seinen Händen klebt jetzt Blut»: Der ukrainische Präsident soll innert 24 Stunden Neuwahlen ansetzen – ansonsten drohe eine Eskalation. Bundesrat Didier Burkhalter bietet Janukowitsch die Dienste der OSZE an.
Die Situation in der Ukraine spitzt sich weiter zu: Nach dem Tod von mehreren Demonstranten bei Auseinandersetzungen mit der Polizei hat die Opposition Präsident Wiktor Janukowitsch aufgefordert, innerhalb von 24 Stunden Neuwahlen anzusetzen. Andernfalls müsse er mit einer weiteren Eskalation rechnen. Die Oppositionspolitiker riefen am Mittwochabend auf dem Unabhängigkeitsplatz im Zentrum Kiews weiter zum Widerstand gegen Janukowitsch auf.
Der seit Wochen friedliche Machtkampf in dem Land war am Mittwoch in brutale Gewalt umgeschlagen. Hunderte Demonstranten wurden bei Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften verletzt. Die Opposition sprach von drei bis sieben toten Regierungsgegnern.
Nach Behördenangaben starben zwei Menschen, sie wurden erschossen. Einen offiziellen Schiessbefehl gab es nicht. Wer die tödlichen Schüsse abfeuerte, blieb zunächst unklar.
Opposition berichtet von sieben Toten
Die Opposition teilte am Abend mit, dass sie mittlerweile Informationen über sieben getötete Regierungsgegner habe. Die Zahl der Erschossenen sei von drei auf fünf gestiegen, sagte der Koordinator des medizinischen Dienstes des Regierungsgegner in Kiew, Oleg Mussi. Er sprach von mehr als 300 verletzten Regierungsgegnern bei den Zusammenstössen mit der Polizei.
Zudem seien in einem Wald bei Kiew zwei Leichen mit Folterspuren gefunden worden, wie ukrainische Medien berichteten. Die Behörden äusserten sich nicht zu den Angaben. Die Regierung warf der Opposition vor, die Menschen zu Unruhen aufgewiegelt zu haben.
Gegenseitige Schuldzuweisungen
Die Opposition machte die Sicherheitskräfte für die Gewalt verantwortlich. «Janukowitsch hat die grösstmögliche Schande über die Ukraine gebracht. An seinen Händen klebt jetzt Blut», schrieb der Protestanführer Witali Klitschko in einem Gastbeitrag in der «Bild»-Zeitung.
Die Regierung hingegen warf der Opposition vor, die Menschen zu Unruhen aufgewiegelt zu haben. Janukowitsch rief seine Landsleute auf, «nach Hause zurückzukehren». In der Ukraine müsse «Frieden, Ruhe und Stabilität» wiederhergestellt werden.
Ungeachtet der Gewalt, der Einschränkungen des Versammlungsrechts und der Eiseskälte harrten in der Nacht dennoch erneut Tausende Regierungsgegner im Zentrum Kiews aus.
Ergebnislose Gespräche
Mehrere Oppositionspolitiker, darunter Klitschko und Jazenjuk, hatten sich zuvor über drei Stunden mit Janukowitsch getroffen, um ein Ende der Gewalt zu erreichen. Die Gespräche seien ergebnislos verlaufen, hiess es im Anschluss. Am Donnerstag wird daher eine weitere Eskalation befürchtet.
Klitschko geht derweil von einem weiteren Zulauf für die Protestbewegung aus. Janukowitsch werde es nicht gelingen, der Opposition die Schuld «für das Chaos» zuzuschieben, schrieb der frühere Boxweltmeister in der «Bild»-Zeitung weiter.
Sturm auf Protestlager befürchtet
«Das Volk weiss genau, dass nur er dafür verantwortlich ist, dass er selbst diese unglaublichen Gesetze erlassen hat.» Daher sei er überzeugt davon, «dass in den nächsten Tagen so viele Menschen wie noch nie seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion in der Ukraine auf die Strasse gehen».
Die Oppositionsführer hatten am Mittwoch ihre Anhänger aufgerufen, auf den Unabhängigkeitsplatz Maidan zu kommen, um eine Räumung durch die Sicherheitskräfte in der Nacht zu verhindern. Die Demonstranten erhöhten zudem die Barrikaden um den Platz mit Säcken. Die Zugänge des Protestlagers auf dem Maidan genannten Platz wurden verengt und von Aktivisten bewacht, so dass sich bei Temperaturen von minus zehn Grad teils lange Schlangen bildeten.
Burkhalter fordert Gewaltverzicht
Der OSZE-Vorsitzende Didier Burkhalter hat an die ukrainischen Konfliktparteien appelliert, auf Gewalt zu verzichten und die Situation mit Gesprächen zu stabilisieren. Angesichts der ersten Toten bei den seit November anhaltenden Protesten zeigte sich Burkhalter sehr besorgt.
Die ukrainischen Behörden müssten mit allen Kräften eine weitere Eskalation der Spannungen verhindern. Die Vorgänge der jüngsten Zeit müssten untersucht werden, forderte der Schweizer Bundespräsident und Aussenminister in einer Erklärung vom Mittwoch.
Die für den Tod von mehreren Demonstranten und die für die Gewaltausbrüche verantwortlichen Personen müssten zur Rechenschaft gezogen werden, hiess es in einer Mitteilung der OSZE, welche die Schweiz dieses Jahr präsidiert.
Burkhalter bot der Ukraine die Dienste der Organisation an. Die OSZE verfüge über die nötigen Mittel und Instrumente, um als unparteiischer Vermittler zu fungieren. Auch die Schweiz sei bereit, der Ukraine auf dem Weg hin zu einer gewaltfreien Politik zu helfen.
sda/AP/chk
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch