Online-Offensive der SBB – für Stalder ein «Poker»
Seit Jahren ärgern sich Bahnfahrer über Gesprächsunterbrüche und tote Web-Verbindungen: Nun sagen die SBB, wie sie die Situation verbessern wollen. Die Konsumentenschützerin bringt den Postauto-Vergleich.

Was haben den SBB die Mühen mit Mobilfunkverbindungen in den Zügen nicht schon an Kritik eingetragen. «Internet-Empfang im Zug wird noch schlechter», titelte erst jüngst die Pendlerzeitung «20 Minuten». Andere Schlagzeilen tönten ähnlich. Dabei scheint man sich bei den SBB des Problems sehr bewusst.
Heute nun haben die SBB wieder einmal über den aktuellen Stand der Dinge informiert. «Beim Mobilfunkempfang in den Zügen haben SBB und Mobilfunkanbieter bedeutende Fortschritte erzielt. Im Fernverkehr können Reisende bereits in über 70 Prozent der Zugswagen mit bestmöglichem Empfang telefonieren und Online-Dienste nutzen», schreiben die SBB in einem Communiqué. Bis Ende 2014 sollen «sämtliche Wagen des Fernverkehrs» mit den dafür notwendigen Signalverstärkern ausgerüstet werden.
Wer zahlts?
An den drei Bahnhöfen, wo in den letzten Wochen Gratis-Wifi eingerichtet wurde, hätten sich bisher 5000 User angemeldet. Das sei ein Viertel der 20'000 Pendler, die diese Bahnhöfe frequentierten. Nach den drei Pilotbahnhöfen Wetzikon (wir testeten den Betrieb), Bern Wankdorf und Burgdorf beginne heute der reguläre Rollout in den vier Bahnhöfen Morges, Nyon, Montreux und Vevey. Bis Ende 2015 sei SBB FREE WiFi in den 100 meistfrequentierten Bahnhöfen verfügbar.
Für das Gratis-Internet an Bahnhöfen gibt die SBB laut Kummer «einen tiefen zweistelligen Millionenbetrag aus». Über die Kosten für die Aufrüstung der Fernverkehrszüge mit Signalverstärkern zwecks besserer Mobilfunkverbindung schweigt sich die SBB aus. «Die Provider und die SBB teilen sich die Kosten», so Kummer.
Probleme im Regionalverkehr
Noch unzureichend hingegen sei die Mobilfunkversorgung im Regionalverkehr. «Bis im Jahr 2020 soll die gesamte Regionalverkehrsflotte umgerüstet werden», sagte SBB-Chef Andreas Meyer am Mittwoch vor den Medien in Bern. Voraussetzung dafür ist allerdings eine Einigung mit den Mobilfunkanbietern und den Kantonen als Besteller über die Gesamtfinanzierung. Denn die geschätzten Umrüstungskosten von 66 Millionen Franken will die SBB nicht alleine übernehmen. «Wir sind mit Bund, Kantonen und Providern im Gespräch», sagte Meyer. Eine Mitfinanzierung durch das Bundesamt für Verkehr (BAV) setzt laut SBB-Mitteilung aber «die grossmehrheitliche Übernahme der Kosten durch die Mobilfunkprovider voraus.»
Meyer hofft auf einen Durchbruch in den Verhandlungen mit den Mobilfunkanbietern noch vor Weihnachten. So könnten die Fahrzeuge, die 2014 in Revision gehen, bereits umgerüstet werden. Um die Mobilfunkverbindung zu verbessern, sollen Signalverstärker in die Regionalzüge eingebaut werden. Wie Bahnwagen für das Zeitalter des Mobilfunks umgerüstet werden, zeigten wir in diesem Video-Beitrag.
«WLAN gehört auch in die Züge»
Das Mobilfunksignal in den Zügen wird zwar verstärkt, doch von einem Einbau des WLAN sehen die SBB weiterhin ab. Für Sara Stalder, Geschäftsleiterin der Schweizerischen Stiftung für Konsumentenschutz, geht die Mobilfunkstrategie der SBB deshalb nicht weit genug. «Man pokert damit, dass die Passagiere die benötigten Daten vor der Zugreise an einem der Bahnhöfe herunterladen, wo das WLAN schrittweise installiert wird. Diese Technologie gehört jedoch auch in die Züge.» Schliesslich sei dies in den Postautos ebenfalls möglich.
Dass die Regionalzüge voraussichtlich bis 2020 umgerüstet sein werden, also rund sechs Jahre nach den Fernverkehrszügen, ist für Stalder ein zu langer Zeithorizont. «Dabei sind die Zulieferlinien sehr wichtig für den Fernverkehr.»
WLAN im Zug bietet nicht mehr Bandbreite
Die SBB begründen den vorläufigen Verzicht auf WLAN in den Zügen damit, dass die Technologie im Vergleich zum direkten 3G-/4G-Empfang nicht mehr Bandbreite beim Surfen bietet. Diese Form des Internetzugangs nutzt nämlich ebenfalls das Mobilfunknetz entlang der Zugstrecke. Die WLAN-Angebote der Bahnen in den Nachbarländern hätten sich gemäss Tests als störungsanfällig erwiesen und würden die erwartete Leistung oft nicht erbringen, schreiben die SBB heute in einer Medienmitteilung.
Der Hauptunterschied zwischen WLAN in einem Postauto besteht laut SBB darin, dass die Datenübertragung wegen der langsamen Geschwindigkeit des Fahrzeugs wesentlich einfacher zu bewerkstelligen sei. Zudem seien die Nutzerzahlen in einem Bus viel kleiner als in einem Zug, sodass Kapazitätsengpässe weniger auffielen.
«Nice to have, but no need to have»
Kurt Schreiber, Präsident des Vereins Pro Bahn Schweiz, weiss die angekündigten Verbesserungen einerseits zu schätzen, sie seien ein «positiver Schritt in eine noch bessere Mobilzukunft». Andererseits frage es sich, ob es wirklich unbedingt nötig sei, immer und überall erreichbar zu sein. Die Verstärkung der Mobilfunksignale bezeichnet Schreiber gegenüber Redaktion Tamedia als «nice to have, but no need to have».
Schreiber fragt sich, weshalb SBB und Kantone die Kosten für die Umrüstung zu tragen haben. «Es ist nicht einzusehen, weshalb nicht die Mobilfunkanbieter diese Kosten zu 100 Prozent übernehmen.» Schliesslich seien die schweizerischen Mobilfunkgebühren die höchsten in Europa – also dürfe auch davon ausgegangen werden, dass die erzielten Gewinne nicht unerheblich sind. «Die Mobilfunkanbieter und nicht die Bahnkunden sollen diese Aufwendungen finanzieren», so der Pro-Bahn-Präsident.
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