«Ohne uns wäre Böhmermanns Aktion verdammt spiessig»
TV-Satiriker Jan Böhmermann kannte das Strache-Video seit Wochen. Warum ist unklar. Sicher ist: Der Schweizer Dominic Deville war an seiner jüngsten Aktion beteiligt.
Während Tagen wurde darüber spekuliert, ob der TV-Satiriker Jan Böhmermann hinter dem Video mit dem FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache steckt. Zusätzlich befeuert wurden die Spekulationen durch eine Website von Böhmermann mit dem Titel «Do they know it's Europe»: Im Quellcode der Seite gab es Anspielungen aufs Strache-Video.
Die Seite war aber für ein ganz anderes Projekt eingerichtet worden: für ein Musikvideo im Stil des Benefiz-Lieds «Do they know it's Christmas» von Bob Geldof zur Band-Aid-Kampagne von 1984. Geworben wird mit Böhermanns Video für die Europawahl. Daran beteiligt sind zahlreiche Comedians, darunter auch der Schweizer Late-Night-Host Dominic Deville.
Sie sind heiser, haben Sie das Video mit Böhmermann schon so heftig gefeiert?
Eigentlich feiere ich gerade die Rückkehr meiner Stimme, denn das war bisher ein gut gehütetes nationales Geheimnis: dass ich bei der aktuellen «Deville»-Staffel aus unbekannten Gründen fast meine Stimme verloren habe.

«Comedians for Worldpeace» heisst die Aktion von Jan Böhmermann, an der Sie sich mit Ihrer Sendung beteiligt haben. Schon der Titel ist ein Witz!
Nein, denn auch wir versuchen mit «Deville» etwas zum Besseren zu verändern. Uns reicht es schon lange nicht mehr, über einen Politiker ein müdes Witzchen zu machen. Wir wollen auch mal das grosse Ganze angehen – und etwas in der realen Welt bewegen.
Nun gut, aber die Aktion von Böhmermann ist im Grunde genommen nichts anderes als Werbung für die anstehenden Europawahlen.
Ja, man könnte es als ein verdammt spiessiges, fast schon schulmeisterliches Projekt ansehen, wenn nicht wir Schweizer mit dabei wären, die eigentlich nicht dazugehören - wie die Briten, die inzwischen ja auch ein interessantes Verhältnis zur EU haben und mit denen wir gegengeschnitten werden. Wir zählen alles auf, was wir bei anderen geklaut haben: Die Ärzte und Physiotherapeuten bei den Holländern, das Raubgold von den Deutschen, das Welschland bei den Franzosen und die Witze von den Engländern.
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Video: Do they know it's Europe
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Als das Projekt über die Seite «Do they know it's Europe» mit einem Countdown angekündigt wurde, dachten viele, Böhmermann würde sich als Strippenzieher hinter dem Strache-Video outen.
Sobald irgendetwas ist, heisst es sofort, «der Böhmi» steckt dahinter. Selbst nach den US-Wahlen hatten einige den Verdacht, Trump sei Böhmermanns jüngster Coup. Aber ich finde, Böhmermann hat sich dies alles redlich verdient mit seinen bisherigen Aktionen. Für mich steht ausser Frage, dass er schon vorher von dem Strache-Video gehört hatte.
Böhmermann hatte Mitte April bei der Verleihung des österreichischen Fernsehpreises «Romy» eine Rede gehalten, die darauf hindeutet, dass er das Video bereits kannte.
Ja, und er weiss ja auch, wie er das alles für sich nutzen kann, indem er Zweifel offen lässt oder bewusst Finten legt. Ich gönn ihm das. Böhmermann läuft ja immer noch auf einem total beschissenen Sendeplatz – im Unterschied zu uns, die nach über 50 Sendungen endlich auf dem alten Sendeplatz von Giacobbo/Müller am Sonntagabend zu sehen sind.

Aber schon bemerkenswert, dass der Verdacht hinter einer solchen Lockvogel-Falle als erstes auf einen Satiriker wie Böhmermann fällt.
Menschen wollen halt immer etwas deuten, deshalb gibt es ja auch Sternbilder. Und das erklärt für mich auch die Verschwörungstheorien, die selbst bei den jüngsten politischen Entwicklungen in Österreich ins Kraut schossen, als Bundeskanzler Sebastian Kurz in einem Interview eine jüdische Verschwörung andeutete. Den Fakt, dass ein notgeiler, machthungriger Typ auf Ibiza die Sau rauslässt und ihn ein anderer dabei filmt, will man hingegen nicht gelten lassen, auch wenn wir von einem FPÖ-Politiker nichts anderes erwartet haben. Selbst das, was Böhmermann bei der «Romy»-Verleihung sagte, sind ja eigentlich Sätze, die man über den Strache rauslassen kann. So weit hergeholt ist das nicht. Erschreckend ist eigentlich nur, dass wir das nun alles als Video geliefert bekommen – und was die politischen Folgen davon sind.
Sie haben nie Fallen gebaut wie Böhmermann, der für die RTL-Sendung «Schwiegertochter gesucht» einen perfekten Kandidaten erfand.
Wir haben ein solches Projekt, das wir auch schon sehr weit vorantreiben konnten, dann aber auf Eis legen mussten, weil die Sache uns über den Kopf wuchs.
Warum das?
Wir wollen für ein deutsches Fernsehformat Schweizer Politiker erfinden, denen man abnimmt, dass sie etwas sehr Seltsames über die Schweiz erzählen, also so eine Art Spaghettibaum mit politischer Dimension. Wir wollten das unbedingt machen, aber wir konnte es personell einfach nicht stemmen, denn «Deville» wird von einem kleinen Team gemacht, kein Vergleich mit Böhmermann, der für seine Sendung 135 Mitarbeiter hat. Solche Fakes sind auch hochriskante Geschichten, bei denen schnell der Vorwurf kommt, man arbeite mit «unlauteren Mitteln». Das ist extrem gefährlich, nicht zuletzt für den eigenen Ruf. Wenn Böhmermann hinter dem Strache-Video gesteckt hätte und die Sache wäre beim Drehen aufgeflogen, seine Sendung wäre am Ende gewesen. Nicht zuletzt muss man für ein solch hohes Risiko einen Gegner finden, bei dem es sich lohnt, dass man ihn in die Pfanne haut. Ein Gölä oder Andreas Glarner reichen dafür nicht.
Ein Gölä würde dafür nicht reichen?
Nein, man muss ja auch sagen, dass wir bisher mit dem Ombudsmann einen ziemlich harten Gegner hatten, wenn es um Satire ging. Nachdem wir mit Baschi Miniaturen von Kühltürmen vor der Abstimmung über den Atom-Ausstieg zerstörten, erhielten wir eine Rüge vom Ombudsmann. Die Nummer sei zu wenig ausgewogen, man hätte auch die Position der Atombefürworter zeigen müssen. Letzte Woche hat der Ombudsmann aber sein Urteil revidiert, als er eine Einsprache zu meinen Auftritt als schiesswütigen Waffennarr zu beurteilen hatte: Politische Satire sei zulässig – auch eine Woche vor der Abstimmung über das neue Waffengesetz.
Der Ombudsmann hat also seine eigene Meinung revidiert?
Ja, solange es als Satire erkennbar sei, dürfe man auch eine extreme Haltung einnehmen. Sagt der Ombudsmann.
Bedeutet dies, dass in der Schweiz ein weiteres Monty Python verhindert wurde…
… durch den Ombudsmann! Nein im Ernst: Wir sind froh, dass nun eine wichtige Frage zur politischen Satire durch unsere Sendung klären konnten – und wir endlich richtig loslegen können. Michael Elsener mit seinem «Late Update» wird uns noch sehr dankbar über dieses Urteil sein, auch wenn es in der Schweiz noch immer sehr viele Strukturen gibt, die nicht hinterfragt werden. Aber man darf sich sicher sein: Wir bleiben dran.
Video: Devilles Schweiz-Ausgabe des Songs
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