Nur «schwache Hoffnung» auf Frieden
Mit dem geplanten Waffenabzug im Kriegsgebiet Donbass rückt eine Lösung im Ukraine-Konflikt näher. Aber machen alle mit?

Im Konflikt in der Ostukraine kommt wieder Hoffnung auf. Eine entmilitarisierte Zone soll dem Minsker Friedensprozess auf die Sprünge helfen. Nicht in Kampfmontur, sondern im Anzug mit Krawatte und doch ganz nah an der Front ordnet der ukrainische Präsident den Abzug von Panzern und Artillerie an. Sonst zeigt er sich bei Auftritten wie heute in Sewerodonezk im Konfliktgebiet Luhansk – 25 Kilometer von der Frontlinie entfernt – gern demonstrativ im Tarnanzug. Nun aber weist Petro Poroschenko in Zivil seine Vertreter in der Ukraine-Kontaktgruppe an, ein neues Papier über die Schaffung einer entmilitarisierten Zone zu unterzeichnen.
Am Vorabend hatten sich die Vertreter des Gremiums in der weissrussischen Hauptstadt Minsk getroffen und diesen neuen Versuch für den Frieden ausgehandelt. Eigentlich steht seit dem 12. Februar dafür das Abkommen von Minsk vereinbart. Doch erfüllt ist der Friedensplan bis heute nicht. Im Gegenteil. Die prorussischen Separatisten und das ukrainische Militär liefern sich immer neue Gewaltexzesse.
Neue Hoffnung
Jetzt gebe es neue Hoffnung für einen «wirklichen Beginn des echten Abzugs» schwerer Waffen, betont Poroschenko. Die Aufständischen hatten schon am Wochenende nach eigener Darstellung mit dem Rückzug der Waffen begonnen – quasi als Vorleistung, wie sie sagen. Und sie forderten das Militär auf, nun nachzuziehen.
Doch die Kontaktgruppe mit ihren Vertretern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), der Ukraine und Russlands hält sich zurück mit grossen Erwartungen. Zu viele enttäuschte Hoffnungen überschatten die immer neuen Versuche, doch endlich Frieden in dem Konflikt zu erreichen. Schon in der Vergangenheit seien die Minsker Pläne nie umgesetzt worden, gibt der ukrainische Politologe Kost Bondarenko zu bedenken. Das Militär könne solche Dokumente weiter ignorieren, meint er.
Weder bei den Streitkräften noch unter den Aufständischen in den abtrünnigen Regionen Luhansk und Donezk gebe es einen echten Gehorsam. Der Experte sieht viele Kräfte am Werk, die auf ein Scheitern der Minsker Vereinbarungen hinwirken würden.
Ein Drittel für Krieg
Nach ukrainischen Umfragen sind knapp 30 Prozent der Bürger für einen Krieg zur «Befreiung der abtrünnigen Gebiete». Vor allem der ultranationalistische Rechte Sektor setzt sich für eine gewaltsame Lösung des Konflikts ein. Dmitri Jarosch, der «Führer der nationalen Befreiungsbewegung», wie sich der Rechte Sektor auch nennt, will verhindern, dass Präsident Poroschenko die Gebiete kampflos aufgibt.
Mit einigen Tausend Anhängern verlangte er am Dienstagabend auf dem Maidan in Kiew ein Referendum über das «Misstrauen gegenüber Präsident, Parlament und Regierung». Jarosch forderte auch eine totale Wirtschaftsblockade der abtrünnigen Regionen. Zwar gilt die Linie der Radikalen weiterhin nicht als mehrheitsfähig in der ukrainischen Gesellschaft. Doch warnen Experten davor, die Extremisten und Provokateure zu unterschätzen.
Poroschenko unter Druck
Die Lage in der Ukraine, das räumt Poroschenko ein, verschärft sich zunehmend. Es gebe viele Versuche, die Situation zu destabilisieren. Der Feind, betont er, arbeite weiter an einem Auseinanderfallen der Ex-Sowjetrepublik. Fast beschwörend ruft der Staatschef die Ukrainer einmal mehr zum Zusammenhalt auf, um die territoriale Unversehrtheit des Landes zu bewahren.
Doch der Druck auf den prowestlichen Präsidenten wächst weiter. Viele befürchten, dass ein Aufgeben des Donbass auch bedeuten würde, dass der Krieg mit Tausenden Toten umsonst gewesen sein könnte. Immer wieder hatte Poroschenko angekündigt, die Gebiete zurückzuholen. Der Fraktionschef des Poroschenko-Blocks im Parlament, Juri Luzenko, sieht nicht zuletzt die Regierungskoalition in einer tiefen Krise.
Die von Russland unterstützten Separatisten fordern nun einmal mehr die ukrainische Führung auf, die im April vorigen Jahres begonnene «Anti-Terror-Operation» (ATO) zu beenden und das Militär komplett abzuziehen. «Es gibt eine schwache Hoffnung darauf, dass es in der Perspektive keine ATO gibt. Aber die Hoffnung ist sehr schwach», sagte der Separatistenführer Wladislaw Dejnego. Ein Ende des Konflikts ist jedoch weiter nicht in Sicht.
Finanzspritze der EU
Erfreulich sind dagegen die Neuigkeiten aus Brüssel. Das sich in finanzieller Not befindliche Land hat erneut Hilfe aus Europa erhalten. «Die heutige Auszahlung spiegelt die vollkommene Entschlossenheit der Europäischen Union, der Ukraine in diesen schweren Zeiten beizustehen», kommentierte EU-Vizekommissionspräsident Valdis Dombrovskis heute in Brüssel. Mit dem Geld solle der mutige Reformkurs der Regierung in Kiew unterstützt werden.
Die jetzt überwiesenen 600 Millionen Euro sind die erste Zahlung aus einem neuen Hilfsprogramm über insgesamt 1,8 Milliarden Euro. Das Geld kommt aus dem Gemeinschaftshaushalt der EU und fliesst in Form mittelfristiger Darlehen. Die EU hatte der Ukraine bereits 2010 und 2014 sogenannte Makrofinanzhilfen in Höhe von insgesamt 1,61 Milliarden Euro bewilligt.
SDA/fal
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