Kreuzfahrten und CoronaNur gesunden Passagieren wird das Einsteigen erlaubt
Vom Boom zum Vollstopp: Kreuzfahrten sind von der Corona-Krise besonders betroffen. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu Ferienreisen auf hoher See.

Schiffsreisen fallen ins Wasser – was passiert mit den Buchungen?
Wegen Corona-Ausbruchs an Bord, Irrfahrten und harten Quarantänen geriet die Kreuzfahrtbranche früh in die Schlagzeilen. Zuletzt führte zwar noch das eine oder andere Kreuzfahrtschiff, etwa die Costa Deliziosa, schleunigst und ohne Zwischenhalte mehrmonatige Weltreisen zu Ende. Alle anderen Seereisen wurden aber vorläufig annulliert.
«Bezahlte und nun abgesagte Kreuzfahrten werden von den Reedereien entweder mit einer um bis zu 25 Prozent erhöhten Gutschrift für eine nächste Seereise oder einer Bar-Rückerstattung entschädigt», sagt Cornelia Gemperle, Geschäftsführerin von Kuoni Cruises. «Allerdings tun sich einige Player schwer mit der Rückerstattung.»
Das Gesetz schreibt zwar Rückerstattungen vor, die Anbieter stellen aber lieber Gutschriften aus. Grund: Wegen fehlender Neueinnahmen könnte der Cash-Abfluss Firmen in eine existenzbedrohliche Schieflage manövrieren. Von den beiden marktführenden Reedereien in der Schweiz bestätigt Costa nebst einer Gutschriftempfehlung die Reisepreis-Rückerstattung, MSC enthält sich hingegen einer Stellungnahme.
Wo harren Schiffe und Crew jetzt aus?
Die globale Flotte von über 400 grossen und kleineren Kreuzfahrtschiffen liegt derzeit irgendwo auf der Welt auf Reede. Viele Besatzungsmitglieder bleiben aufgrund der Reiserestriktionen noch entlöhnt an Bord und beschäftigen sich mit Trainings, Seewachen, Inspektionen, Frühjahrsputz und Revisionen. «Wie an Land gelten auch für die Crew die verschärften Hygienebestimmungen und Vorschriften zur Kontaktvermeidung», sagt Hansjörg Kunze, Kommunikationschef von Aida.
Auf der Hanseatic Nature von Hapag-Lloyd Cruises, die von Barbados nach Hamburg überführt wurde, joggte die Crew täglich 28 Runden an Deck und legte so die 7600 Seemeilen der Überfahrt ebenso zu Fuss zurück. Auch wenn die Kreuzfahrtschiffe nur mit einer minimalen Besatzung in Schuss gehalten werden, geht das ins Geld: Carnival Corp., mit über 100 Cruiselinern die weltgrösste Reederei, rechnet pro Monat und Schiff mit Lohn- und Betriebskosten bis zu 3 Millionen Dollar.
Wovon hängt der Neustart ab?
Die Frage, unter welchen Bedingungen es wieder losgehen könnte, hält die Branche in Atem. «Dabei geniessen Gesundheit und Sicherheit von Passagieren, Besatzung und Partnern an den Destinationen höchste Priorität», meldet Costa. Doch der Neustart hängt wie in der gesamten Reiseindustrie von externen Faktoren ab: von der Aufhebung der globalen Reiserestriktionen und Vorschriften, der Öffnung der Häfen und der Wiederaufnahme touristischer Aktivitäten.
Wichtig: Auch die Airlines müssen wieder abheben können. Für die Reedereien wird das Hochfahren eines komplexen Systems von der Crew über Logistik und Versorgung bis zu neuen Routen und Vermarktung zur grossen Herausforderung. Ungewiss ist zudem die Nachfrage: Wagen sich die Menschen gleich wieder unbeschwert auf riesige Schiffe mit Massen von Mitreisenden?

Wann und wo geht es wieder los?
Viele Reedereien wollen die Betriebspause Ende Mai beenden, einige haben den Neustart nun auf Ende Juni verschoben. Aber selbst dieser Zeitplan ist wohl zu optimistisch. Die amerikanische Gesundheitsbehörde hat kürzlich ein faktisches Cruise-Verbot über Mitte Juli hinaus verlängert. Und im Mittelmeer leiden populäre Destinationen wie Italien, Frankreich und Spanien besonders heftig unter Corona. Ausserdem: Erste Länder verbieten grosse Ansammlungen bis Ende August, was auch für Schiffsreisen gelten könnte.
Einzelne Reedereien lassen deshalb durchblicken, dass erst gegen Ende des Sommers oder im Herbst mit einer sachten Wiederaufnahme des Schiffsbetriebs zu rechnen ist. Ob alle diese lange Zwangspause überleben werden, bleibt offen. Denkbar: vorerst nur wenige Fahrten in regional freigegebenen Revieren mit kleineren Schiffen, etwa in Nordeuropa oder Asien, und nur für Gäste aus bestimmten Herkunftsländern. Oder kurze Schnupperreisen ohne Destinationsbesuche.
Werden die Vorschriften an Bord verschärft?
Der Corona-Schock wird, solange keine Impfung möglich ist, auch für die Schifffahrt einschneidende Folgen haben. Zwar ist der Hygiene-Standard auf Cruiselinern dank der Norovirus-Erfahrungen bereits hoch, doch es wird Verschärfungen geben. Wie die asiatische Genting-Gruppe aufzeigt, geht es an Bord um massiv häufigeres Reinigen und Desinfizieren, Tests und Maskenpflicht für Teile der Crew oder die Abkehr von Buffets in den Restaurants.
Die Gäste ihrerseits sehen sich künftig wohl mit strengeren Bestimmungen wie gesundheitlicher Selbstdeklaration, Fieber-Screening beim Einsteigen, eventuell gar Covid-19-Schnelltests und ärztlichen Attests für über 70-Jährige konfrontiert. Man geht davon aus, dass die Schiffe vorerst nicht bis aufs letzte Bett belegt werden. Dies könnte im Umkehrschluss die Attraktivität von Kreuzfahrten steigern.
Fehler gefunden?Jetzt melden.