Entscheid von Chinas ParteiführungNun kann der «Führer des Volkes» ewig regieren
Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei hat den Kurs bis 2049 festgelegt und die Führungsrolle Xi Jinpings zementiert. Das Prinzip der kollektiven Führung scheint beendet.

Die Botschaft könnte kaum klarer sein. Es sei notwendig, beharrlich die Position des Genossen Xi Jinping als Kern des Zentralkomitees der Partei und als Kern der Partei hochzuhalten. Das hat das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei zum Abschluss seines viertägigen Plenums in Peking in einer Resolution zur Geschichte der Partei beschlossen. Das Parteigremium rief «die gesamte Partei, die gesamte Armee und die Menschen aller ethnischen Gruppen auf, sich noch enger um das Zentralkomitee mit Xi Jinping als Kern zu scharen».
Auch wenn bisher nur ein Communiqué herausgegeben und nicht die Resolution selbst veröffentlicht wurde, so steht die Bedeutung der Dokumente ausser Frage. China habe einen neuen «historischen Startpunkt» erreicht, erklärten Parteivertreter bei einer Pressekonferenz am Freitag in Peking. Die Resolution dürfte den Kurs Chinas über Jahrzehnte bestimmen und Xis Führungsrolle an der Spitze des Landes zementieren. Sie soll als Grundlage für den Kurs der Partei bis 2049 dienen. Bis dahin will das Land den Wiederaufstieg der chinesischen Nation zur dominierenden Weltmacht vollendet haben, den Peking als die notwendige Korrektur einer historischen Anomalie darstellt, in der China nicht das mächtigste Land der Erde war. Mitte des Jahrhunderts soll China «voll entwickelt, reich und mächtig» sein.
In den Fussstapfen Maos
Für den Parteichef dürfte die Resolution faktisch als Mandat für seine dritte Amtszeit dienen, womöglich auch darüber hinaus. Taktisch klug hat Xi Jinping sich damit eine fast uneingeschränkte Machtfülle gesichert. Herrscher auf Lebenszeit – das gab es in China seit Mao Zedong nicht mehr.
In der Geschichte der Volksrepublik hat es zuvor nur zwei historische Resolutionen gegeben, die in dieser Form angenommen wurden. Das erste mal 1945 unter Parteimitbegründer Mao Zedong, der sich damit zum einzigen Revolutionär mit der «korrekten politischen Linie» erklärte und parteiinterne Rivalen aus dem Weg schaffte. Das zweite Mal nach dessen Tod 1981, als Deng Xiaoping mit der zweiten Resolution einen Schlussstrich unter die Ära Maos zog, die Millionen Menschen das Leben kostete, und sich seine Machtposition an der Spitze der Partei sicherte. Beide Staatsmänner dominierten bis zum Ende ihres Lebens die Politik.

Die neue Resolution stellt Parteichef Xi Jinping nun auf dieselbe Stufe. Je nach Leseart sogar über Wirtschaftsreformer Deng, der Chinas Wirtschaftswunder möglich machte, dem aber dennoch nur wenig Raum in dem Communiqué eingeräumt wird. Auch Xis Vorgänger Jiang Zemin und Hu Jintao spielen kaum eine Rolle. Offiziell fasst das neue Papier zwar die «grossen Errungenschaften und historischen Erfahrungen» in der 100-jährigen Geschichte der Partei zusammen. Doch Rückschläge und Katastrophen wie die Kulturrevolution oder der Grosse Sprung finden darin keine Erwähnung, sie werden einfach verschwiegen. Der Ton ist triumphierend, der Fokus liegt auf Xi Jinping.
Er wird als entscheidende Kraft für eine neue Ära dargestellt, die Ära der Xi-Jinping-Gedanken. Unter seiner Führung hat das Land laut dem Communiqué historische Errungenschaften und Veränderungen vollbracht, angefangen bei der Wirtschaft über den Kampf gegen die Umweltverschmutzung bis hin zur Eindämmung des Coronavirus.
Xi dürfte sich eine dritte Amtszeit verschaffen, die er theoretisch bis zu seinem Tod ausweiten könnte.
«Mao war der Mann, Xi ist der Mann und die anderen halfen beim Übergang», fasst der China-Experte Bill Bishop die Botschaft zusammen. Diese Deutung dürfte die Grundlage für Xi bieten, sich im kommenden Jahr voraussichtlich eine dritte Amtszeit zu verschaffen, die er theoretisch bis zu seinem Tod ausweiten könnte. 2018 hatte er dafür gesorgt, dass die bis dahin geltenden Begrenzungen der Amtszeiten abgeschafft worden waren, die einen regelmässigen Machtwechsel nach Mao garantieren und einen erneuten Führerkult verhindern sollten.
Chinas Parteichef hat die Macht jedoch immer stärker auf seine Person vereint, lässt sich «Führer des Volkes» nennen. Das Papier gibt ihm nun absolute Autorität, das Prinzip der kollektiven Führung scheint formal beendet zu sein. Auch dieses war eine Lehre aus der Mao-Ära und sollte eine zu grosse Konzentration von Macht verhindern. Die Resolution dürfte damit auch Spekulationen über mögliche Versuche innerhalb der Partei beenden, beim 20. Parteitag 2022 doch noch einen Nachfolger zu etablieren.
Den Kuchen vergrössern und besser teilen
Bereits seit längerem versucht Chinas Parteiführung Xis Herrschaft mit einer grösseren Mission zu verknüpfen. Sie dürfte sich zukünftig noch stärker auf das Ziel des «gemeinsamen Wohlstands» konzentrieren, das Xi im August zur neuen Staatsräson erklärte. In der Pressekonferenz am Freitag hiess es, während die westlichen Demokratien «ein Spiel der Reichen» spielten, müsste die Partei «den Kuchen weiter vergrössern und die Stücke besser teilen».
Xis neue Machtfülle dürfte auch Auswirkungen auf den Rest der Welt haben. Unter seiner Führung ist das Land international immer aggressiver aufgetreten, während es sich gleichzeitig zunehmend isolierte. Der scharfe Ton und das teils irrationale Verhalten der chinesischen Diplomaten haben vielerorts die Sorge über den Kurs des Landes verschärft. Das dürfte erst der Anfang gewesen sein.
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