Novartis weiht Produktionsanlage für Hightech-Therapien ein
In Stein AG wurden bereits 185 neue Jobs im Bereich der Spitzenmedizin geschaffen, doch in der Produktion herkömmlicher Medikamente wird gekürzt.

Die Mitarbeiter sehen ein wenig aus wie Raumfahrer: Sie tragen blaue Einweg-Overalls, an den Händen Gummihandschuhe, Atemmaske und Schutzbrillen. Viereinhalb Stunden am Stück verbringen die Novartis-Beschäftigten so verpackt in der keimfreien Fertigung am Standort Stein AG. «Der grösste Risikofaktor für Verunreinigungen ist der Mensch», erklärt die Produktionsleiterin beim Rundgang.
Über 90 Millionen Franken hat Novartis in die neue Produktionsanlage für neue Therapien wie das Blutkrebsmittel Kymriah am Standort Stein AG investiert. Anlässlich der Einweihung gewährte der Konzern einen Blick hinter die Kulissen. Gesundheitsminister Alain Berset bekam eine Privatführung von Konzernchef Vas Narasimhan.
T-Zellen werden genetisch verändert
Kymriah ist zur Behandlung von Leukämie auch in der Schweiz zugelassen.Dabei werden dem Patienten im Spital weisse Blutkörperchen, sogenannte T-Zellen, entnommen, eingefroren und dann nach Stein geschickt. «Hier reichern wir einen Teil der weissen Blutkörperchen an und verändern sie gentechnisch so, dass diese die Krebszellen im Blut des Patienten erkennen und bekämpfen können», erklärt Dorothea Ledergerber, Projektleiterin des Werks für Zell- und Gentherapien in Stein.
Neben der durchschlagenden Wirkung sorgte auch der Preis von Kymriah für Schlagzeilen. In der Schweiz verlangt Novartis offiziell 370'000 Franken für die einmalige Therapie. Im Juni hatte sich der Konzern mit den Krankenkassen Helsana, Sanitas, KPT, Swica und CSS auf eine Vergütung geeinigt. «Die Kassen zahlen deutlich weniger als den Listenpreis», erklärte Matthias Leuenberger, Präsident von Novartis Schweiz, bei der Eröffnung. Wie viel, das will er indes nicht verraten. Er hofft indes, dass das zuständige Bundesamt für Gesundheit den gefundenen Kompromiss als Basis nutzt, um eine allgemein verbindliche Vergütung festzulegen.
Milliardenschwere Zukäufe
Die neuartige Therapie ist einer der Hoffnungsträger von Novartis und steht exemplarisch für den Kurs, den Konzernchef Narasimhan dem Pharmariesen verpasst hat: Er richtet Novartis konsequent auf Spitzenmedizin aus. So verkaufte er das Geschäft mit freiverkäuflichen Mitteln wie Voltaren für 13 Milliarden Dollar. Dafür kauft Narasimhan regelmässig aussichtsreiche Wirkstoffkandidaten. Anfang der Woche kündigte der Konzern die Übernahme von The Medicines Company für knapp 10 Milliarden Dollar an. Die Gesellschaft hat einen Wirkstoff gegen Cholesterin entwickelt.
Der neue Kurs hat auch Folgen für die Schweiz – und nicht nur gute. Denn die Herstellung chemisch hergestellter Wirkstoffe wird unwichtiger. Daher hatte Novartis im September vergangenen Jahres einen Stellenabbau angekündigt. Schweizweit will der Konzern binnen vier Jahren 2150 Stellen streichen. 700 davon sollen am Standort Stein wegfallen. Derzeit arbeiten in Stein rund 1800 Menschen, die pro Jahr rund 2 Milliarden Tabletten, Kapseln oder Ampullen fertigen.
Umschulung der Mitarbeiter
Für die Produktion der neuartigen Zelltherapie wurden nun bisher rund 185 neue Stellen geschaffen. Langfristig seien bis zu 265 weitere geplant. Sie sollen primär mit eigenen Leuten besetzt werden, die umgeschult werden. Neben Stein wird die Therapie auch an der US-Ostküste und in der Nähe von Paris gefertigt. Zur Versorgung von Patienten in Asien hat der Konzern nicht näher beschriebene Partnerschaften in China und Japan geschlossen.
Parallel zum Aufbau der neuen Fertigung in Stein ist der Abbau in den klassischen Bereichen angelaufen. Nach Unternehmensangaben wurden bereits rund 120 Vorankündigungen und Kündigungen für Beschäftigte am Standort Stein ausgesprochen. «Für fast 70 Prozent der bisher betroffenen Positionen wurden bereits Lösungen gefunden», erklärt ein Konzernsprecher, zum Beispiel Überbrückungslösungen für Mitarbeiter, die älter als 55 Jahre sind, oder interne Versetzungen.
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