Nichts zu sehen
Die US-Rockband Kings of Leon beschränkte sich bei ihrem Auftritt im Hallenstadion zu stark aufs Musizieren.

Sie haben Songs, die sich fast ins Unendliche weiten. Songs, die eine ganze Halle, ein ganzes Stadion füllen. Hymnen, mit Anspruch auf Grösse und Gewicht. Interessanterweise verzichten Kings of Leon bei deren Vortrag selber auf jede Gewichtigkeit. Ihre Performance an diesem Abend ist eine Non-Performance. Die Band aus Nashville, Tennessee, bestehend aus drei Brüdern und einem Cousin, sieht bei ihrem Auftritt am Dienstag im Hallenstadion von auffälligen Gesten, Posen, Pyroeffekten und grossen Worten völlig ab. Die Familie Followill konzentriert sich voll und ganz aufs Konzertieren.
Sackpräzis und sorgfältig tun sie dies. Kein falscher Ton scheint Sänger Caleb Followill an diesem Abend zu entweichen, Abstimmungsschwierigkeiten kennen sie sowieso nicht. Sie spielen ihre Songs mit traumwandlerischer Sicherheit und mächtiger Dampfmaschine im Rücken. Schlagzeuger Nathan und Bassist Jared Followill leisten durchwegs vitalste, druckvollste Rhythmusarbeit. Mehr als das sogar: Letzterer hat die Gabe, seine Basslinien dabei noch als filigranes Element herauszuarbeiten und dem Pathos Rock etwas Spielerisches mitzugeben.
Stark vernachlässigte Gitarrenarbeit
Die Gitarre bewegt sich dazu mehrheitlich in den hohen Lagen, schraffiert über weite Strecken die immer gleiche Fläche, arbeitet sich am immer gleichen, sehnlichen Klang ab und kippt häufig ins Plärrende. Während gut neunzig Minuten ist von ihr kein einziger spannender Einwurf zu hören. Kings of Leon sind eine Rockband mit stark vernachlässigter Gitarrenarbeit.
Bei diesem Lied sang das ganze Hallenstadion mit: «Use Somebody».
Ihre Musik nimmt verschiedene Gestalt an: Da sind besagte Stadionhymnen, da sind aber auch wesentlich intimer angelegte Southern Rock und Highway-Songs, Bluesrock, ein paar mit verzerrter Gitarre begleitete Rockkracher und Groove-Nummern. Im zweiten Teil, nach zwei akustischen Nummern, wächst die Band zum Sextett, wird um einen weiteren Rhythmusgitarristen und einen Keyboarder erweitert, setzt vermehrt auch das E-Piano als Melodielieferant ein.
«Twin Peaks» ohne Mysterium
Und doch, zwei, drei kleine Showelemente gesellten sich dann schon zum statischen Spiel: Videoprojektionen, die für das hemdsärmelige Setting viel zu kunstvoll wirkten. Und ein roter Vorhang, der irgendwie an den «Red Room» aus der legendären TV-Serie «Twin Peaks» erinnerte. Vielleicht ein Verweis an deren jüngst erfolgte Wiederaufnahme des Schlüsselwerks von Regisseur David Lynch. Aber statt eines Kleinwüchsigen im roten Anzug, der Agent Cooper rückwärts gesprochene Hinweise auf das Schicksal der Verstorbenen Laura Palmer gibt, werden an diesem Abend vor dem Vorhang nur weiter Songs angestimmt, ganz ohne jegliches Mysterium.
Vielleicht ist es das, was mitunter irritiert: Ihre Songs klingen teils enorm involvierend, haben einen anstachelnden Beat, arbeiten mit sehr viel Druck. Aber ihre Interpreten verweigern sich davor, den letzten Schritt zu tun, den Funkenschlag zu wagen.
Interessant die Reaktion des Publikums: Obwohl die Non-Performance die Halle nicht wirklich zu erreichen scheint, wird es im mit 6500 Zuschauern gefüllten Hallenstadion gegen Konzertende immer aktiver. Bei «Use Somebody», einem ihrer Hits vom Album «Only by the Night» aus dem Jahr 2008, singt die ganze Halle mit. Fünf Minuten später, nach 23 Songs und einigen kurzen Dankesworten, ist die Band weg. Bilder bleiben keine.
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