Vorschlag des BundesratsNicht-EU-Bürger sollen weniger Sozialhilfe erhalten
Der Bundesrat will mit finanziellem Druck die Arbeitsintegration von Drittstaaten-Angehörigen erhöhen. Die Sozialhilfe befürchtet, dass noch mehr Bedürftige in prekäre Verhältnisse geraten.

Ausländerinnen und Ausländer aus Drittstaaten sind deutlich häufiger auf Sozialhilfe angewiesen als Schweizer und EU-Staatsangehörige. Deshalb will der Bundesrat nun für Drittstaaten-Angehörige tiefere Sozialhilfeansätze einführen. Der tiefere Ansatz soll für den Grundbedarf während der ersten drei Jahre nach der Erteilung einer Kurzaufenthalts- oder Aufenthaltsbewilligung gelten. Die Kürzung betrifft auch nachgezogene Familienangehörige von Schweizerinnen und Schweizern aus Drittstaaten, also etwa Ehegattinnen und Ehegatten aus Drittstaaten.
Ziel der vorgeschlagenen Kürzung sei es, Anreize zur besseren Integration in den Arbeitsmarkt zu schaffen, schreibt der Bundesrat in seinen Erläuterungen. Zudem soll der Anstieg der Sozialhilfekosten von Kantonen und Gemeinden reduziert werden. Wie stark die Sozialhilfe für die Drittstaaten-Angehörigen gekürzt wird, ist offen. Grundsätzlich liegt die Sozialhilfe in der Kompetenz der Kantone, die sich in der Regel an den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos) orientieren.
700 statt 1000 Franken für Grundbedarf
Mit den Asylbewerbern und vorläufig Aufgenommenen aus dem Asylbereich gibt es bereits Gruppen von Menschen, für die tiefere Sozialhilfeansätze gelten. Anzunehmen sei, dass sich die Kantone bei den Drittstaaten-Angehörigen an den Beträgen für die vorläufig Aufgenommenen orientierten, sagt Skos-Geschäftsführer Markus Kaufmann.
In der Regel sind die Ansätze für vorläufig Aufgenommene 20 bis 30 Prozent tiefer als die reguläre Sozialhilfe. So zahlt etwa der Kanton Bern statt des normalerweise geltenden monatlichen Grundbedarfs von 977 Franken den vorläufig Aufgenommenen mit Einzelhaushalt 696 Franken pro Monat. In Basel-Stadt ist der Ansatz für vorläufig Aufgenommene 20 Prozent tiefer als regulär. Im Kanton Zürich leben vorläufig Aufgenommene von der Asylfürsorge. Die Unterstützung variiert von Gemeinde zu Gemeinde und liegt zum Teil mehr als 50 Prozent unter den Skos-Richtlinien. Es gibt aber auch Kantone, die vorläufig Aufgenommenen die volle Sozialhilfe gewähren, so etwa die Waadt.
Die Skos steht der Kürzung der Sozialhilfe für Drittstaaten-Angehörige sehr kritisch gegenüber. Kaufmann befürchtet, dass eine Integration der Betroffenen eher erschwert wird, weil sie mit den tieferen Ansätzen nicht mehr am sozialen Leben teilhaben könnten. Häufig handle es sich bei den Drittstaaten-Angehörigen mit Sozialhilfe um Menschen aus dem Asylbereich oder um deren Angehörige, die im Familiennachzug in die Schweiz gekommen seien. Als Beispiel nennt Kaufmann vorläufig Aufgenommene, die dank der Härtefallregelung eine Aufenthaltsbewilligung erhalten haben.
Meist besteht Asylhintergrund
Zu befürchten sei, dass die Betroffenen auf zusätzliche Unterstützung angewiesen seien, wenn die Sozialhilfe nicht mehr zum Leben reiche. Was dies bedeute, habe man während der Pandemie gesehen, als Menschen in der Schweiz für Nahrungsmittelhilfe angestanden seien. Manche würden sich zudem gar nicht mehr bei der Sozialhilfe melden, weil sie Nachteile befürchteten. Bereits heute kann die Aufenthaltsbewilligung bei Sozialhilfeabhängigkeit entzogen werden.
Auch der Bundesrat hält in seinem Bericht fest, dass bei den Drittstaaten-Angehörigen in der Sozialhilfe häufig ein Asylhintergrund besteht. Drittstaaten-Angehörige, die zur Arbeitsaufnahme oder für eine Ausbildung in die Schweiz gekommen seien, seien praktisch nie auf Sozialhilfe angewiesen. Die Sozialhilfequote beträgt bei den Drittstaaten-Angehörigen gemäss Statistik von 2016 gegen 9 Prozent, bei EU-/Efta-Angehörigen 2,8 und bei Schweizerinnen und Schweizern 2,3 Prozent. Am höchsten sei das Sozialhilferisiko bei Menschen aus Afrika, gefolgt von Personen aus Süd- und Mittelamerika.
Der Bundesrat erfüllt mit den Vorschlägen, die nun in die Vernehmlassung gehen, eine Forderung aus dem Parlament. Dieses muss über die Gesetzesänderung noch definitiv entscheiden. Eine Kürzung der Sozialhilfe bei anerkannten Flüchtlingen, die zu Beginn ebenfalls eine Aufenthaltsbewilligung erhalten, ist nicht geplant und wäre gemäss Genfer Flüchtlingskonvention auch nicht zulässig. Auch eine Schlechterbehandlung von EU-/Efta-Angehörigen gegenüber Schweizerinnen und Schweizern ist aufgrund des Freizügigkeitsabkommens nicht möglich.
Markus Brotschi ist Bundeshausredaktor von Tamedia, Schwerpunkt seiner Berichterstattung ist die Sozial- und Gesundheitspolitik. Er arbeitet seit 1994 als Journalist und Redaktor.
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