Neun Streiktage, 1900 Festnahmen
Kein Treibstoff, kein Strom: Frankreich versinkt nach einem erneuten Streiktag mitten im Chaos. Präsident Nicolas Sarkozy zeigt sich trotzdem unnachgiebig.
Kurz vor der Abstimmung über die Rentenreform im französischen Senat haben Regierung und Gewerkschaften am Donnerstag ihren Konfrontationskurs fortgesetzt. Die Regierung will das Projekt nun so schnell wie möglich durchdrücken, die Gegner kündigten für kommende Woche eine Ausweitung der Proteste an.
Auf Druck der konservativen Regierung beschleunigte der Senat nach Angaben aus Parlamentskreisen seine Beratungen über die Anhebung des Renteneintrittsalters von 60 auf 62 Jahre. Damit soll sichergestellt werden, dass am Freitag die Schlussabstimmung stattfinden kann.
Sarkozy will nicht einlenken
Präsident Nicolas Sarkozy bekräftigte erneut, er werde an der unpopulären Reform festhalten. «Wir können nicht das einzige Land in der Welt sein, in der eine Minderheit alles blockiert», sagte er. «Wer die Wirtschaft, die Betriebe und das Alltagsleben der Franzosen als Geisel nimmt, zerstört Arbeitsplätze.»
Die Regierung hofft darauf, dass mit den am Wochenende beginnenden Herbstferien die Protestbewegung abebbt. Doch die Gewerkschaften halten ihren Druck aufrecht. Am Donnerstagabend kündigten sie zwei neue Aktionstage an. Sie riefen für den 28. Oktober und den 6. November zu neuen Massenprotesten auf.
Es gebe keinen Grund, die Proteste zu stoppen, hatte der Chef der einflussreichen Gewerkschaft CGT, Bernard Thibault, bereits zuvor gesagt. Er warf der Regierung Uneinsichtigkeit vor.
Frankreich muss mehr Strom importieren
Auch am Donnerstag kam es zu massiven Behinderungen im Strassen- und Flugverkehr sowie zu Engpässen bei der Benzinversorgung. Ein Viertel der Tankstellen haben keine Vorräte mehr.
In zwei Departements in der Normandie wurde erstmals auf dem Festland die Abgabe von Treibstoff rationiert. Höchstmengen für den Verkauf von Benzin und Diesel hatte es bisher nur auf der Insel Korsika gegeben.
Katz- und Mausspiele mit der Polizei
Trotz der Ankündigung Sarkozys, alle Blockaden von Benzindepots zu beenden, blieb der Zugang zu mindestens 14 Lagern versperrt. Demonstranten liefern sich Katz- und Mausspiele mit der Polizei und besetzten die Depots immer so lange, bis die Sicherheitskräfte auftauchten.
Mittlerweile sind alle zwölf Raffinerien des Landes heruntergefahren. Frankreich muss ausserdem seit Beginn der Woche verstärkt Strom importieren, da wegen der Streiks die eigene Produktion gedrosselt ist.
Gymnasien schliessen Türen
Auch Schüler und Studenten setzten ihre Proteste fort. Nach Angaben des Bildungsministeriums war der Unterrichtsbetrieb in mehr als 300 der über 4000 Gymnasien beeinträchtigt. Das galt auch für mindestens sieben Universitäten.
In Bordeaux gingen mehr als 3000 Schüler und Studenten auf die Strasse. In Nantes blockierten hunderte jugendliche Demonstranten eine Brücke. Die Jugendlichen wenden sich gegen die Reform, weil sie dadurch ihre Aussichten auf dem Arbeitsmarkt gemindert sehen.
Minderjährige festgenommen
Die Mehrheit der Franzosen ist gegen die geplante Anhebung des Mindestalters für die volle Rente. Die Proteste gegen die Reform waren zuletzt radikaler geworden.
In Lyon und in Nanterre bei Paris hatte es in den vergangenen Tagen schwere Zusammenstösse zwischen Jugendlichen und der Polizei gegeben. Seit dem 12. Oktober wurden 1900 Personen vorübergehend festgenommen, unter ihnen auch Minderjährige, die dem Jugendrichter vorgeführt wurden.
SDA/miw
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