Sweet Home: Tipps und TrendsNeues und Altes aus Paris
Weisse Schäfchenwolken, Streiktag, Wohntrends, Lieblingsadressen und Nostalgie: Paris ist immer eine Reise wert.

Kennen Sie «Emily in Paris»? Die Netflixsendung, die eine Art moderner Groschenroman ist, mögen irgendwie alle. Kein Wunder, sie ist ja auch eine Liebeserklärung an Paris. Und wer, wie ich, gerne allein durch diese schönste Stadt der Welt spaziert, fühlt sich – seit diese Sendung läuft – ein bisschen wie Emily in Paris. Die Messe «Maison et Objet» war der Grund für meine Reise, oder vielleicht auch der Vorwand. Aber eigentlich braucht man keinen Grund, um nach Paris zu reisen. Die Reise ist kurz, es gibt immer noch schöne und günstige Hotels in dieser Stadt und von den Museen, Parkanlagen, dem Licht, der Weite, den Bistros und Brasserien kann man nie genug bekommen.

Meine Reisen nach Paris beginnen immer mit einem Kir. Dieses Mal bestellte ich meinen Kir in einem absolut wunderschönen Restaurant, das mir die Interiordesignerin Claudia Silberschmidt empfohlen hat. Das Julien ist mitten an der Rue du Faubourg Saint-Denis und ist ein Jugendstil-Juwel, in dem man den ganzen Tag gut und günstig essen kann. Nach der Ankunft meines Zuges und dem Einchecken im Hotel spazierte ich also gemütlich dorthin. Es war auch ein Spaziergang in die Vergangenheit, denn nach der Schule arbeitete ich eine Weile in einem Textilstudio an der Rue de la Paix und ging meist zu Fuss nach Hause, das in der Nähe der Metrostation Poissonière war. Ich war sehr jung, es war mein erster Auslandaufenthalt allein und ich war absolut hingerissen von Paris. Auch wenn natürlich vieles anders ist, der Spaziergang entlang des Boulevard des Italiens ist immer noch ein besonderes Erlebnis. Man findet fantastische, glasbedeckte Passagen mit charmanten Antiquariaten sowie anderen hübschen Shops und das Cinema Le Grand Rex, ein Art-déco-Palast, steht natürlich auch immer noch dort. Damals wurden die Filmvorführungen mit Springbrunnenshows eingeläutet und die Sessel waren so gross wie kleine Sofas. Ich war nie mehr im Rex, denn manchmal ist es auch gut, etwas einfach eindrücklich in Erinnerung zu behalten.

In Erinnerung sind mir auch die grossen, prall gefüllten Pan Bagnat-Sandwiches geblieben, die ich oft an einem kleinen Stand an der Rue du Faubourg-Montmartre kaufte. An derselben Strasse befindet sich auch das Restaurant Chartier, in dem ich schon seit Jahren nicht mehr war. Das nächste Mal will ich unbedingt wieder mal hin. Beide Restaurants, das Julien und das Chartier, sind sogenannte Bouillon-Restaurants. Das erste Bouillon wurde Mitte 19. Jahrhundert von einem Metzger eröffnet. Er servierte Bouillon und Fleisch für die Arbeiter, die in den Markthallen arbeiteten. Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es fast 250 Bouillon-Restaurants in Paris. Später kamen sie aus der Mode, aber momentan sind sie wieder sehr beliebt. Das Julien war zum Zeitpunkt meines späten Mittagessens voll mit jungen Pärchen – und wie das so ist in Paris, die meisten wirkten sehr verliebt.

Als die Messe am Donnerstag öffnete, war Streik. Am Abend zuvor verirrte ich mich wieder einmal im Marais. Es war stockdunkel, denn auch in Paris leuchten wegen der Energiekrise nicht mehr alle Strassenleuchten, dafür werden die überdimensional riesigen Plakate von Tiffany, Gucci und Konsorten hell bestrahlt. Ich fand ein Taxi und der Fahrer meinte, dass ich keine Chance hätte, am nächsten Morgen zum Pressegelände zu kommen. Eigentlich war ich gar nicht so enttäuscht, ich machte mir einen schönen Tag in Paris und ging einfach am darauffolgenden Tag an die Messe.
Die Messe «Maison et Objets» war wieder «normal». Letztes Jahr fand sie wegen der Pandemie nicht im Januar, sondern im März statt. Im Frühling ist Paris perfekt. Im Januar ist wohl keine Stadt besonders freundlich, aber Paris schafft auch das. Denn im Januar finden auch Modeschauen statt und Fashion People, so bezaubernd und charmant wie schillernde Schmetterlinge, flattern durch die Stadt und geben ihr ein besonderes Flair.

Die Messe schien grösser als letztes Jahr und die Hallen waren prallvoll. Nicht nur mit Ständen, sondern auch mit Besuchern. Wohnen ist halt Mode geworden und wohnbegeistert sind Menschen im Laufe ihres Lebens meist länger als modebegeistert. Statt sich selbst zu inszenieren, kreiert man seine eigene Welt – erst recht, wenn die Welt rundherum kriselt. Viele nicht französische Besucher fragten sich, wieso denn die Franzosen streiken wegen der wenigen Jahre, die sie mehr arbeiten sollen. Darüber habe ich einen wirklich guten Artikel in der «New York Times» gelesen. Als ich am Morgen in der RER sass, um an die Messe zu fahren, wäre ich ehrlicherweise auch lieber noch in ein paar Museen gegangen, statt mich durch die Hallen zu pferchen, um Hübsches zu entdecken. Aber ich wurde belohnt, denn es hatte – wie immer – hübsche Prachtstücke wie dieser Sessel. Er heisst «Peonia» und ist von Le Berre Vevaud.

Mit diesen charmanten Möbelchen und Leuchten möchte man gerne wohnen. Sie heissen übrigens Gatsby, wie der Literaturheld der Roaring Twenties, und sind von Honoré.

Wer hat nicht schon von versunkenen Schätzen geträumt und für Piraten geschwärmt? Eine kleine Schatzinsel war der Stand von Atmosphère d'ailleurs. Besonders bezaubert haben mich diese Töpfe, die wirken als wäre sie hundert Jahre unter Wasser gewesen und hätten Seejungfrauen gehört.
Und wenn wir schon bei den Piraten und vergangenen Zeiten sind: Hören Sie sich doch Young Parisians von Adam Ant an, hier mit Boy George. Die New Romantics sind nämlich wieder im Trend.

Ein Augenzwinkern gehört beim Wohnen, Einrichten und Dekorieren immer dazu! Dafür sorgen diese entzückenden Bildchen von Ateliers C&S Davoy, ein Kuriositätenkabinett der besonderen Klasse. Diese Art von Händler erinnern daran, dass in vielen Pariser Wohnungen alles andere steht, hängt und geliebt wird als Eames-Stühle oder bücherlose Designerregale.

Natürlich habe ich an der Messe noch viel mehr entdeckt, das Sie in den folgenden Geschichten von Sweet Home immer mal wieder entdecken werden. Hier führe ich Sie nun wieder zurück in die Stadt und ins Quartier St. Germain, wo all die schönen Antiquitätenshops und andere verführerische Geschäfte sind. Eines davon suche ich immer wieder auf: Simrane Paris. Die Tücher, die in Indien von Hand in der Blockprinttechnik gedruckt werden, sind für mich in meinem Zuhause unentbehrlich. Ich lege sie auf die Sofas, aufs Bett, brauche sie als Picknickdecken und nehme sie mit in Hotels und Ferienhäusern, um diese mehr zu «meinem» Zuhause zu machen. Dieses Mal habe ich auch einen ganzen Stapel Servietten gekauft und liebe sie. Die Stoffe lassen sich gut waschen, ich koche sie gar, und sie zeigen noch nach Jahren ihre sinnlichen Farben und Muster.

In St. Germain und an der Rue du Mail findet im Januar parallel zur «Maison et Objet» auch «Paris Déco Off» statt, die Messe der Hersteller und Verleger von Textilien und Tapeten. Diesen Prachtstoffen werde ich jedoch eine eigene Geschichte widmen.
Dafür entführe ich Sie noch kurz in die magische Officine Univeselle Buly. Sie befindet sich an der 6, rue Bonaparte und wurde mit Elementen der historischen Boutique von Jean-Vincent Bully eingerichtet. Wenn Sie nach den Besuchen in all den schönen Geschäften eine Pause brauchen, dann empfehle ich Ihnen das nahe liegende Café Le Bonaparte, 42 Rue Bonaparte. Dort habe ich diese legendäre heisse Schokolade getrunken. Das Café ist gemütlich, chic und auch im Sommer fantastisch. Und es herrscht nicht der grosse Touristen-Rush wie im Café Flore.

Lieblingsadressen sollte man eigentlich nicht verraten. Aber mein Lieblingshotel in Paris ist ganz einfach ein Supertipp. Entdeckt habe ich es vor vielen Jahren über einen Artikel in der «New York Times». Das Hotel ist authentisch pariserisch und definitiv kein Boutiquehotel mit einem bestimmten Thema. Dafür strahlt es vor Charme, entführt direkt in einen französischen Roman, hat einen Paternoster Lift und jedes Zimmer ist gross und ein Bijou. Hotel Langlois, 63, Rue Saint Lazare, 75009 Paris. Ein Doppelzimmer kostet etwa 160 Euro pro Nacht.

An meinem freien «Streik»-Tag spazierte ich durch Paris, einfach so der Nase lang. Bis zum Palais du Trocadéro hinauf. Ich habe von allem hübsche Touristenfotos geknipst, sah Victoria Beckham auf der Strasse, gönnte mir einen eleganten Lunch mit Champagner, habe mir die Oskar-Kokoschka-Ausstellung im Museé d'Art Moderne angesehen und bin 21 km zu Fuss gegangen. Ich freu mich schon auf das nächste Mal.
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