Neue Machtverhältnisse in Genf
CVP-Staatsrat Luc Barthassat verpasst die Wiederwahl. Die SP erbt seinen Sitz. Das bürgerliche Bündnis verliert somit die Mehrheit.

Der Genfer CVP-Regierungsrat Luc Barthassat hat in den letzten Tagen alles versucht, um sich im Amt zu retten. Im ersten Wahlgang von den Wählern auf Rang neun verbannt, suchte Genfs Verkehrsdirektor die Aussöhnung mit dem Volk. Barthassat, einst Landwirt und Winzer, pilgerte ins Genfer Hinterland und warb um die Stimmen der Bauern. Er verschickte Communiqués, in denen er über Stand und Zukunft seiner Verkehrsprojekte informierte, und er sicherte sich erneut die Unterstützung der FDP.
Doch die Charmeoffensive kam nicht an. Das Volk strafte den 57-Jährigen auch im zweiten Wahlgang ab. Barthassat verpasste die Wiederwahl klar – nach nur einer Legislatur im Staatsrat. Dasselbe war 2012 den Genfer Regierungsrätinnen Isabel Rochat (FDP) und Michèle Künzler (Grüne) widerfahren, 2005 war Micheline Spoerri (FDP) als Polizeidirektorin abgewählt worden.
Barthassat, um Verbalattacken nie verlegen, verschanzte sich gestern in seinem Departement. Schliesslich trat er mit versteinertem Gesicht vor die Medien. Seine Partei habe ihn ihm Stich gelassen, klagte er. Bertrand Buchs, Arzt und Präsident der CVP Genf, ortete bei Barthassat «ein psychologisches, nicht ein politisches Problem». Buchs sagte: «Barthassat dachte, er sei der Beste. In seiner Entourage widersprach ihm keiner.» Man habe ihm wiederholt zu weniger Selbstgefälltigkeit geraten, so Buchs.
Der CVP-Sitz von Barthassat geht an SP-Politiker Thierry Apothéloz, Sozialarbeiter und Gemeindepräsident von Vernier. Dass das Volk die Linke stärkt, ist für Romain de Sainte Marie, Präsident der SP Genf, eine logische Entwicklung. Bei den Parlamentswahlen vor drei Wochen gewannen FDP, SP und Grüne auf Kosten der Rechtsparteien Sitze hinzu. «Dieselben Kräfteverhältnisse herrschen nun in der Regierung (2 FDP, 2 SP, 1 CVP, 1 Grüne, 1 MCG)», so Sainte Marie. Genf müsse dringend grosse Projekte wie die kantonale Unternehmenssteuerreform und die Sanierung der Pensionskasse der Staatsangestellten angehen. Dies könne nur gelingen, wenn Linke und Bürgerliche dossierübergreifende Vereinbarungen treffen, so der SP-Präsident.
Poggia als Zünglein an der Waage
Zentrale Figur der künftigen Regierung ist Mauro Poggia von der rechtspopulistischen MCG – gestern mit Glanzresultat im Amt bestätigt. Seine Haltung entscheidet, ob die Rechte oder die Linke in der Mehrheit ist. Er sagt: «Das Volk schätzt meinen Pragmatismus.» Poggia kündigt an, sich auch in Zukunft je nach Fragestellung zu positionieren.
Offen ist, wer die Genfer Regierung künftig präsidiert. Weil als einziger bereits im ersten Wahlgang gewählt, wäre FDP-Staatsrat Pierre Maudet der logische Präsident. Gestern liess Maudet offen, ob er die Nachfolge des zurücktretenden François Longchamp (FDP) anstrebt. Genfs Regierungspräsident hat vor allem Repräsentationspflichten und ist für die Internationalen Organisationen verantwortlich. Maudet sagt aber, er wolle Sicherheitsdirektor bleiben. Soll Maudet die Regierung führen, dann wohl nur nach einer Neudefinition des Präsidialdepartements.
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