Neonazi-Politiker der «kriminellen Vereinigung» beschuldigt
Die griechische Justiz geht gegen die Neonazi-Partei Goldene Morgenröte vor. Die ersten vier von 18 Parlamentariern wurden nun formell angeklagt. Parteichef Nikolaos Michaloliakos wurde dem Richter vorgeführt.
Der Chef der griechischen rechtsradikalen Partei Goldene Morgenröte (Chrysi Avgi), Nikolaos Michaloliakos, ist am Mittwochabend dem Haftrichter in Athen vorgeführt worden. Ihm wird vorgeworfen, die Partei in eine verbrecherische Vereinigung verwandelt zu haben.
Vor dem Gericht versammelten sich rund 300 Sympathisanten. Sie schwenkten griechische Fahnen und skandierten den nationalistischen Schlachtruf der Goldenen Morgenröte «Blut, Ehre, Goldene Morgenröte».
Zuvor hatte die griechische Justiz die ersten drei verhafteten Mitglieder der Neonazi-Partei unter Auflagen wieder auf freien Fuss gesetzt. Sie dürfen das Land bis zum Prozessbeginn nicht verlassen. Ein Abgeordneter muss zudem eine Kaution in Höhe von 50'000 Euro hinterlegen.
14-stündige Anhörung
Der Haftrichter beschloss am Mittwochmorgen nach einer 14-stündigen Anhörung in Athen, dass nur der Abgeordnete Giannis Lagos bis zu seinem Prozess in Gewahrsam bleiben muss.
Die Staatsanwaltschaft wirft insgesamt 32 führenden Parteimitgliedern vor, die Neonazi-Partei in eine kriminelle Vereinigung umgewandelt zu haben. Ihnen werden ausserdem Totschlag, Erpressung, Sprengstoffanschläge und Geldwäsche zur Last gelegt.
Dem Schlag von Justiz und Polizei gegen eine immer stärker werdende Neonazi-Szene in Griechenland war der gewaltsame Tod eines linken Rappers vorausgegangen. Er war am 18. September in Piräus von einem Rechtsradikalen niedergestochen worden.
Niederlage für Regierung
Der Tod hatte landesweit und international Empörung ausgelöst. Seitdem sind Politik und Justiz zum harten Durchgreifen gegen die Partei und ihre Anhänger entschlossen.
Die Entscheidung des Haftrichters bewerten Kommentatoren als einen Rückschlag für die Regierung. Diese hatte in den vergangenen Tagen erklärt, sie werde die Rechtsradikalen «zerschlagen».
«Die Justiz ist unabhängig. Der Prozess wird zeigen, ob sie schuldig sind», sagte Innenminister Ioannis Michelakis im Fernsehen nach dem richterlichen Beschluss.
Die Angeklagten erklärten während der Haftprüfung, die Anklagen seien politisch motiviert und es handle sich um «eine politische Verfolgung».
Ehemaliger Polizeichef festgenommen
Unterdessen wurde ein weiterer Polizist wegen des Verdachts der Zusammenarbeit mit den Neonazis festgenommen. Nach Polizeiangaben vom Mittwoch wird dem ehemaligen Polizeichef des Athener Stadtteils Agios Panteleimon unter anderem vorgeworfen, für die Rechtsextremen Mitglieder geworben und Anzeigen von ausländischen Gewaltopfern gegen Chrysi Avgi blockiert zu haben.
Er muss sich demnach wegen Machtmissbrauchs, Fälschung und Waffenhandels verantworten. Agios Panteleimon gilt als eine der Hochburgen der Rechtsextremen in Athen.
Terror gegen diverse Bevölkerungsgruppen
Asif Ali überlegt sich mittlerweile ganz genau, welchen Weg er nimmt. Bereits dreimal wurde der 28-jährige gebürtige Pakistaner angegriffen; die Täter waren nach seinen Angaben rechtsradikale Schlägertrupps. Solche Überfälle häufen sich. Nicht nur Ausländer sind Opfer, auch Homosexuelle, Gewerkschafter oder linksgerichtete Aktivisten.
Nach Darstellung von Bürgerrechtlern war der Mord an Fyssas nur der Höhepunkt einer ganzen Reihe von Gewalttaten in den vergangenen Monaten. Ali zum Beispiel erzählt, er sei zunächst auf der Strasse von einer Gruppe schwarz gekleideter Männer verprügelt worden. Später hätten ihn Motorradfahrer angegriffen, und im Dezember sei ihm von drei Männern in einem Bus die Nase gebrochen worden. «Früher bin ich oft ausgegangen», sagt der Bauarbeiter. «Jetzt überlege ich es mir zehnmal, bevor ich irgendwo hingehe.»
Schlägertrupps patrouillieren mit Hunden
In der Nähe von Alis Wohnung im Athener Stadtviertel Nikea praktiziert der Arzt Panagiotis Papanikolaou. Seit 1998 behandelt der Neurochirurg Opfer rechtsradikaler Gewalt – sein erster Patient war ein linksgerichteter Student, bei dem nach der Prügelattacke ein Hirnschaden zurückblieb. Seit Monaten weist er warnend darauf hin, dass nach seinen Beobachtungen sowohl die Zahl der Übergriffe steigt als auch ihre Intensität. «Wir haben Fälle von Schädel- und Gesichtsverletzungen, Stichwunden und Verletzungen, die von Schraubenziehern verursacht werden», berichtet er. «Es war Glück, dass wir bisher keine Todesopfer hatten. Schläge, die hart genug sind, um jemandem den Schädel zu brechen, zeugen von der Bereitschaft zu töten», sagt er.
In den vergangenen zwei Jahren seien rund 300 Übergriffe rechtsradikaler Gruppen registriert worden, sagt Eleni Takou, Mitglied eines Netzwerkes, das solche Fälle beobachtet. In fast allen Fällen seien es mehrere Täter gewesen, und bei etwa 50 Prozent der Angriffe sei das Opfer schwer verletzt worden. «Es gibt ein Muster», erklärt Takou: «Gangs patrouillieren auf den Strassen, oft von Hunden begleitet. Normalerweise tragen sie schwarze Kleidung oder Militärkleidung, und sie haben irgendwelche Waffen dabei. Anders ausgedrückt: Es sind geplante Überfälle, keine spontanen Taten.» Die Täter seien davon überzeugt, dass sie keine Strafe zu befürchten hätten.
«Neonazistische Organisation»
Die Goldene Morgenröte bestreitet, etwas mit den Schlägertrupps zu tun zu haben. Viele Jahre lang war die Gruppierung eine unbedeutende Bewegung, mittlerweile ist sie sogar im Parlament vertreten. Bei Umfragen im Juni kam sie auf eine Zustimmung von zwölf Prozent. Nach Angaben der Behörden war der Mord an Fyssas Auslöser dafür, dass die Parteiführung festgenommen und ein Verbot der rechtsextremistischen Partei in die Wege geleitet wurde.
«Ich verstehe nicht, warum die Goldene Morgenröte mehrfach zu Wahlen zugelassen wurde», kritisierte der Abgeordnete Spiliotopoulos im griechischen Fernsehen. Das Parteiprogramm sei wohl bekannt gewesen, und eigentlich hätte die Partei von Anfang an als neonazistische Organisation eingestuft werden müssen, sagte er.
Premier: «Kein Platz für Neonazis»
Jetzt meinen es die Behörden offensichtlich ernst: Die Ermittlungen, die schliesslich zur Verhaftung von Parteichef Mihaloliakos und anderen Funktionären führten, konzentrierten sich auf die Aktivitäten der Partei in Nikea, wo die Goldene Morgenröte offenbar von Polizeibeamten unterstützt wurde. Die örtliche Polizeiwache wurde durchsucht, ebenso wie Räume der Partei. Die Staatsanwaltschaft wurde mit Befugnissen ausgestattet, wie es sie sonst nur bei terroristischen Verbrechen oder Schwerbrechen gibt.
Mit Erleichterung hat Asif Ali vernommen, dass gegen die Goldene Morgenröte vorgegangen wird. Die Gruppierung habe einige Anhänger, aber längst nicht alle Leute stünden hinter ihr, sagt er. Ausserdem sei er überzeugt, dass sich mit der Verhaftung der Parteifunktionäre etwas verändert habe. «Die Menschen werden jetzt eher eingreifen, um solche Leute zu stoppen», hofft der Pakistaner. «Sie haben begriffen, dass es Faschisten sind.»
Der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras versicherte in New York, gegen die rechtsradikale Partei werde hart vorgegangen. «Es gibt keinen Platz für Neonazis in der demokratischen Welt», erklärte er.
AP/ Derek Gatopoulos/rub
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