Narziss in Not
Frankreichs Regenten mögen es feudal. Emmanuel Macron macht da keine Ausnahme. Dem Volk verlange der Präsident derweil «sinnlose Opfer» ab, behauptet sein Vorgänger François Hollande.

Klischees seien meistens richtig, vor allem chauvinistische, sagte der Philosoph Slavoj Žižek einmal. Das ist starker Tobak, doch wer den französischen Präsidenten Emmanuel Macron beobachtet, ist geneigt, dem slowenischen Marxisten zuzustimmen: Frankreichs Regenten, so glauben wir spätestens seit Ludwig XIV. zu wissen, mögen es nun einmal feudal. Ob das Volk derweil darbt, ist ihnen egal, sofern sie es überhaupt bemerken. Und ausserdem sind die Herrschaften eitel.
So gesehen fügt sich Macron, 39, würdig in die Reihe seiner Vorgänger ein: Wie das Magazin Le Point diese Woche enthüllte, soll er seit seinem Amtsantritt im Mai 26'000 Euro für die Dienste einer Visagistin bezahlt haben. Anders als bei früheren Präsidenten gehöre sie nicht zu den Angestellten des Hauses, rechtfertigte ein Sprecher des Elysée die Ausgabe. Zudem hätten Macrons Vorgänger François Hollande und Nicolas Sarkozy für dergleichen noch mehr aufgewendet: Hollande zahlte seinem Coiffeur ein jährliches Salär von 120'000 Euro; Sarkozy gab 96'000 Euro im Jahr für Make-up aus.
Kein Bruch mit der Vergangenheit
Im Wahlkampf hatte Macron versprochen, der Elysée-Palast werde seine Ausgaben drastisch senken. Einen Bruch mit den Gepflogenheiten der Vergangenheit hatte freilich auch schon sein Vorgänger Hollande angekündigt: Anders als Sarkozy wolle er ein «normaler Präsident» sein, hatte Hollande behauptet, was insofern amüsant war, als er genau dies dann auch wurde: Auch François Mitterrand, Jacques Chirac und Sarkozy waren ja grosszügig mit anderer Leute Geld umgegangen.
Für Emmanuel Macron kommt die Diskussion über sein Make-up zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt: Seine Regierung plant derzeit Reformen, um den Arbeitsmarkt flexibler zu gestalten. Woran das Land krankt, ist seit Jahren klar: «Was Frankreich braucht», schrieb der Economist bereits 2006 über ein Bild Margaret Thatchers, der britischen Premierministerin, die England in den Achtzigerjahren bis zur Unkenntlichkeit umgepflügt hatte.
Zehn Jahre und drei Präsidenten später ist in Frankreich noch immer nicht viel geschehen – und immer noch wollen längst nicht alle Franzosen die Notwendigkeit von Reformen einsehen: Macron verlange den Bürgern «sinnlose Opfer» ab, liess François Hollande dieser Tage verlauten, sodass man sich ernsthaft fragen musste, ob er vor, während oder nach seiner Amtszeit jemals eine Arbeitslosenstatistik zur Kenntnis genommen hat.
«Après nous le déluge»?
Macrons Zustimmungswerte wiederum befinden sich bereits jetzt auf Rekordtiefe. Warum nur, so fragt man sich, setzt er sich allerorten in Szene, anstatt zu liefern? Nutze auch er seine Chance nicht, so warnen Kommentatoren bereits, könnten die Franzosen 2022 doch noch die Rechtspopulistin Marine Le Pen ins Elysée befördern.
Auch für diesen Fall gäbe es das passende Frankreich-Klischee: «Après nous le déluge!», könnte Macron dann ausrufen, «nach uns die Sintflut».
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