Nächtliche Irrfahrt mit unklaren Folgen
Vor etwas mehr als einem Jahr endete vor der italienischen Insel Giglio eine vergnügliche Mittelmeer-Kreuzfahrt in einem tödlichen Drama. Die Bergung der Costa Concordia dürfte weit schwieriger werden als geplant.
In der Januar-Nacht vor einem Jahr rammt die gefährlich nah an die toskanische Insel herangefahrene Costa Concordia erst einen Felsen und kentert dann, am Rumpf aufgeschlitzt, unweit des Ufers.
Der riskante Kurs soll gewählt worden sein, um die Insel zu «grüssen» und den Passagieren etwas zu bieten. In einer chaotisch anmutenden Evakuierungsaktion versuchen verzweifelte Passagiere die rettende Insel zu erreichen. Rette sich, wer kann, so lautet die Devise – offenbar auch für den Kapitän.
32 Menschen sterben. Zwei Leichen sind auch ein Jahr nach der Katastrophe noch nicht geborgen. Mehr als 4200 Passagiere, darunter aus der Schweiz, und Crewmitglieder waren an Bord des Kreuzfahrtschiffes, dessen Bergung sich weiter hinzieht. Auch ist offen, wann es zum Prozess um den Untergang der Costa Concordia kommt.
Probleme mit Rettungsbooten
Wegen der Schräglage des 290-Meter-Kolosses gab es in der Unglücksnacht erhebliche Probleme mit den Rettungsbooten. Es herrschte ein wildes Durcheinander. Und von dem Kapitän Francesco Schettino gab es plötzlich an Bord keine Spur mehr. Der Kapitän hatte sein Schiff jedenfalls mitten in der Evakuierung verlassen.
Später erklärte Schettino, er sei versehentlich in ein Rettungsboot gerutscht. Das bizarre Verhalten des Kapitäns machte weltweit Schlagzeilen und rückte ihn in den Fokus der Ermittler. Er dürfte im Zentrum des Prozesses stehen, wenn das erwartete Mammutverfahren eröffnet wird.
Während der später entlassene Schettino aussagte, die Reederei Costa Crociere habe den gefährlichen Kurs angeordnet, gibt diese den Schwarzen Peter zurück: Der Kapitän sei verantwortlich. Wer muss für diesen folgenschweren Schiffbruch ins Gefängnis, wer zahlt Millionen an Entschädigungen?
Auf die Antworten werden die Geschädigten und die Angehörigen wohl noch eine ganze Weile warten müssen. Es ist eine Geduldsprobe – die Ermittlungen waren komplex. 50'000 Aktenseiten wurden angehäuft.
Chaos und Verständigungsprobleme
Auch der indonesische Steuermann Jacob Rusli Bin ist unter denen, die damit rechnen müssen, vor Gericht gestellt zu werden. Zur Beweisaufnahme im September wurde nämlich auch bekannt, dass der Indonesier mehrfach die Anordnungen des Kapitäns schlichtweg nicht verstanden hat. Bei dem Versuch, Unheil abzuwenden, gingen somit wertvolle Sekunden verloren.
Es ist haarsträubend, was vier Experten auf 1000 Seiten vorlegten: Auf der Kommandobrücke herrschte vor dem Unglück Chaos, die Crew konnte sich teilweise nicht verständigen. Die Alarmmeldungen und die Evakuierung seien dann von Schettino und einem Krisenmanager verzögert worden.
Zum Leidwesen der vom Tourismus lebenden Insulaner liegt der Kreuzfahrtriese weiterhin wie ein Mahnmal in Ufernähe. Eine der teuersten und kompliziertesten Bergungsaktionen aller Zeiten kommt nur schleppend voran.
Erst hiess es, das Schiff werde spätestens im Frühjahr 2013 weggeschafft sein, jetzt ist von September die Rede. Die Arbeiten sind schwierig, können auch immer wieder von schlechtem Wetter unterbrochen werden.
400 Spezialisten
Etwa 400 Spezialisten arbeiten Tag und Nacht auf Dutzenden Plattformen und Kränen daran, das halbversunkene Schiff in einem Stück zu sichern. Sie wollen einen Betonboden legen, auf dem die Costa Concordia aufgerichtet werden kann.
Das dürfte noch weit mehr kosten als die ursprünglich veranschlagten 230 Millionen Euro. Falls alles klappt, soll das Unglücksschiff in eine Werft auf dem italienischen Festland abtransportiert und verschrottet werden.
Viele Betroffene der Havarie haben unterdessen ein pauschales Entschädigungsangebot der Genueser Reederei angenommen. Andere vertrauen gewieften US-Anwälten, die ihnen versprechen, sehr viel mehr Geld für sie im Prozess herauszuholen.
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