Functions on DemandNachrüsten übers Internet
Ein Auto kaufte man lange Zeit fertig ausgestattet. Heute lassen sich einzelne Extras auch im Nachhinein online ordern und freischalten.

Von Smartphone-Apps, PC-Software und Videospielekonsolen kennt man Upgrades und Zusatz-Content schon lange. Nun zieht das digitale Geschäftsmodell auch immer stärker ins Auto ein. Dank ständiger Internetverbindung lassen sich nicht nur Software-Dienste und Spiele, sondern sogar Assistenten und erweiterte Fahrfunktionen nach Kauf und Auslieferung an Bord bringen. Das Angebot an digitalen Extras wächst stetig.
Jedes neue Auto rollt heute mit Onlineanbindung auf die Strasse. Vor allem Elektromodelle sind längst hoch vernetzt. Mercedes etwa bietet für sein neues Batterieflaggschiff EQS ganze Individualisierungspakete an. Das neueste bietet als Bestandteil unter anderem das klassische Klötzchenspiel Tetris, das dann beispielsweise während des Ladens auf dem grossen Bordbildschirm gespielt werden kann. Ausserdem sind die Retro-Mini-Games Sudoku, Pairs und Shuffle Puck im per Mobilnetz im Auto aufgespielten Software-Paket enthalten. Zudem gibt es einen alternativen Motorsound für den Fahrgeräuschgenerator, der die Bezeichnung «Roaring Pulse» trägt. Das ab Sommer erhältliche komplette Individualisierungspaket ist für die ersten zwölf Monate kostenlos, jedes weitere Jahr kostet – die Schweizer Preise sind noch nicht bekannt. Bezahlt werden kann direkt aus dem Auto heraus. Mercedes bietet dazu auch seinen Payment-Dienst Mercedes Pay an, der den Fingerabdruck zur Identifizierung direkt über die Fahrzeug-Hardware scannt.
Schluss mit umständlichem Akkreditieren
Eine niedrige Zugangsschwelle ist entscheidend für die Akzeptanz des Dienstes. Wer sich vor dem Download erst umständlich akkreditieren muss, verzichtet im Zweifel auf den Kauf. Gerade bei kleineren Extras und Spielereien. «Für das In-Car-Payment arbeiten wir gegenwärtig mit Visa zusammen. Aber wir sind dabei, auch alle anderen Zahlungsdienstleister mit aufzunehmen», stellt Franz Reiner, Vorstandschef von Mercedes-Benz Mobility, in Aussicht. Die Konzerntochter kümmert sich unter anderem um die neuen Zahlungsdienstleistungen, die nicht nur für die Schwaben immer wichtiger werden.
Neben Gaming- und Sound-Paketen gibt es aber auch «ernsthaftere» online aktivierbare Extras, etwa die Freischaltung von speziellen Fahrprogrammen für Fahranfänger oder Funktionserweiterungen für die Sprachsteuerung. Doch das Angebot geht noch weiter: Längst sind auch Funktionen wie der adaptive Fernlichtassistent oder eine Einparkfernsteuerung per nachträglichem Download zu haben. Das geht natürlich nur, wenn die nötige Hardware von Beginn an im Fahrzeug ist. Kunden erwerben dann ein Produkt mit theoretisch maximalem Leistungsumfang, der jedoch per Software künstlich beschnitten wird. Nur wer nachzahlt, kann bestimmte Optionen anschliessend nutzen, je nach Anbieter und Zahlungsbereitschaft entweder dauerhaft oder für einen definierten Zeitraum. Fast zwei Dutzend unterschiedliche Download-Dienste oder Extras bietet der «Mercedes Me»-Store momentan. Tendenz steigend.
Functions on Demand sind in der Autobranche nichts Neues. So bot Tesla sein E-Auto Model S zwischen 2016 und 2017 in der Basisversion S60 an, die sich vom teureren S75 lediglich durch eine geringere Reichweite unterscheidet. Der Akku war in beiden Fällen aber der gleiche, nur wurde er beim S60 gedrosselt. Wer einen grösseren Energievorrat wollte, konnte die Software-Sperre gegen Nachzahlung des Differenzbetrags zum S75 lösen – musste aber zusätzlich einen «Verspätungszuschlag» von 500 Dollar zahlen.
Porsche arbeitet stark mit «Schnupperabos»
Bei der deutschen Konkurrenz ist das Preismodell mittlerweile differenzierter und flexibler. Audi verlangt für die Freischaltung der LED-Matrix-Scheinwerfer im E-tron beispielsweise 87 Franken für ein halbes Jahr, 460 Franken für drei Jahre oder 880 Franken für alle Zeiten. Porsche arbeitet stark mit Schnupperpreisen: Wer den Spurhalteassistenten für den Stromer Taycan runterlädt, zahlt die ersten drei Monate nichts. Danach werden 20 Franken pro Monat oder einmalig 809 Franken fällig. Auch solche Tarifmodelle sind die Verbraucher von Smartphone, Streamingdiensten und Co. gewohnt.
Probleme bei der Akzeptanz für das neue Bezahlmodell befürchten die Hersteller nicht. Basisfunktionen des Fahrzeugs bleiben weiterhin Standard, sagt man, buchbar sollen vor allem neue Technologien und Unterhaltungsangebote sein. In Befragungen und Studien habe die Kundschaft positiv reagiert, betont man etwa bei Audi in Ingolstadt. Viele Befragte nehmen die Online-Upgrades analog zum klassischen Zubehörprogramm als weitere Individualisierungsmöglichkeiten für ihr Auto wahr.
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