Nach der Krise ist vor der Krise
Zuletzt hing die Ukraine am Finanztropf Russlands. Ob der Westen ähnlich hohe Milliardenhilfen wie Moskau aufbieten kann, ist unklar. Es warten gewaltige Hindernisse.
Die Ukraine steht vor dem Staatsbankrott und braucht rasch frisches Geld: In ungewohnter Einmütigkeit teilen diese Einschätzung der Westen, Russland, die derzeit Verantwortlichen in der Ukraine sowie grosse Finanzinstitutionen wie der Internationale Währungsfonds (IWF).
Doch einer konkreten Zusage von Finanzhilfen stehen gewaltige Hindernisse entgegen - angefangen mit der Notwendigkeit einer stabilen Regierung in Kiew, die Garant für einen Reformplan als Voraussetzung für IWF-Finanzhilfen sein müsste.
«Voraussetzung für Hilfen ist politische Stabilität und eine Übergangsregierung, mit der man verbindlich einen Hilfs- und Stabilisierungsplan entwickeln kann», stellte Europa-Staatsminister Michael Roth auf «Handelsblatt Online» klar.
Wenig später verschob das ukrainische Parlament jedoch seine für Dienstag geplante Wahl eines neuen Übergangsregierungschefs und des Kabinetts auf Donnerstag. «Wir können nicht länger warten», mahnte Übergangspräsident Alexander Turtschinow. «Verhandelt Tag und Nacht.»
Diese Dringlichkeit hängt auch mit der akuten Finanznot der Ukraine zusammen. Erst am Montag hatte Übergangsfinanzminister Juri Kolobow um einen Kredit der westlichen Partnerländer «in ein oder zwei Wochen» gebeten. Insgesamt bezifferte er den Finanzbedarf der Ukraine für 2014-2015 auf gigantische 35 Milliarden Dollar (umgerechnet 31 Milliarden Franken). Die Währungsreserven der Zentralbank lagen Anfang Februar nur noch bei 17,8 Milliarden Dollar.
Die Gespräche zwischen EU, USA, IWF und Verantwortlichen in der Ukraine über Finanzhilfen laufen bereits auf Hochtouren. Konkrete Zahlen wurden bisher aber von keiner Seite genannt.
Drei mögliche Geldgeber
Der Osteuropa-Beauftragte der deutschen Regierung, Gernot Erler, nannte am Montag in der ARD drei potenzielle Geldgeber: die EU, den IWF «und natürlich die Russische Föderation». Die Bedingungen müssten allerdings mit einer «handlungsfähigen Regierung» in Kiew ausgehandelt werden: «Keiner wird Geld geben zum Nulltarif.»
Zuletzt hing die wirtschaftlich marode Ukraine am Tropf Russlands. Nach dem Scheitern des Assoziierungsabkommens mit der EU hatte Moskau dem Nachbarland im Dezember 15 Milliarden Dollar Finanzhilfe zugesagt sowie eine Absenkung des Gaspreises um 30 Prozent. Eine erste Tranche von drei Milliarden Dollar wurde Ende Dezember freigegeben, doch nach den politischen Umwälzungen in Kiew setzte Moskau die Überweisung weiterer Milliarden aus. Hinzu kommt eine Schuld Kiews für russische Gaslieferungen, die sich Ende Januar auf 3,35 Milliarden Euro belief.
Ob der Westen ähnlich hohe Milliardenhilfen wie Moskau aufbieten kann, ist noch unklar. Die von der EU im Zusammenhang mit den Verhandlungen über das Assoziierungsabkommen genannte Summe von 610 Millionen Euro, begleitet von drakonischen IWF-Auflagen für Reformen in der Ukraine, befand der damalige Präsident Viktor Janukowitsch als lächerlich.
Gewaltige Schulden
Muss die Ukraine doch allein dieses Jahr 13 Milliarden Dollar Kredite zurückzahlen. Das Land, das von der Ratingagentur Standard & Poor's vor wenigen Tagen auf «CCC» und damit auf die Bewertung kurz vor Zahlungsausfall herabgestuft worden war, wird inzwischen häufig mit Griechenland verglichen.
Eine Vereinbarung mit dem IWF über Finanzhilfen «wird es nicht ohne die Zustimmung zu extrem tiefgreifenden Reformen mit extrem hohen sozialen Kosten geben», erwartet Thomas Gomart vom französischen Institut für internationale Beziehungen. Genau eine solche Vereinbarung mit dem IWF, der 2010 eine Kreditlinie von 15,3 Milliarden Dollar zugesagt hatte, war an mangelnder Umsetzung der Reformen gescheitert.
Nicht nur Deutschland plädiert angesichts der riesigen Herausforderungen - für das Finanzdebakel der Ukraine werden neben der Korruption unter anderem eine mangelnde industrielle Basis verantwortlich gemacht - für eine Zusammenarbeit mit Russland.
Doch ob ein Hilfspaket in kürzester Zeit geschnürt werden kann, ist offen. Der internationale Bankenverband IIF mahnte: «Die Ukraine braucht jetzt Geld, um einen völligen Zusammenbruch zu vermeiden, nicht erst in den nächsten Monaten.»
SDA/kle
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