Nach dem Unfall der Rehpfeffer
Verpassen Jäger einem angefahrenen Reh einen Gnadenschuss, dürfen sie dessen Fleisch nicht an den Metzger verkaufen. Es landet in der eigenen Pfanne.
Von Eva Robmann Hombrechtikon – Mitten in der Nacht läutet das Telefon. Christoph Wernli muss mit seinen Jagdkollegen auf die Pirsch. Sie müssen im Gebiet Hombrechtikon ein angefahrenes Reh suchen und erschiessen. Dafür gibt es bei geglückter Suche Rehpfeffer für die Jäger und ihre Familien. Der 38-jährige Oetwiler ist einer von vier Jägern der Jagdgesellschaft Hombrechtikon. Neben dem verpassen des Gnadenschusses sorgt die Jagdgesellschaft dafür, dass sich die Rehe nicht zu sehr vermehren. Denn seit die Wölfe in der Schweiz ausgerottet wurden, fehlt diesen Wildtieren ein natürlicher Feind. Zählen und schiessen Im Frühjahr zählen die Jäger die Rehe und melden die in ihrem Revier gesichteten Tiere der kantonalen Jagdverwaltung. Darauf entscheidet die Behörde, wie viele Rehe pro Revier in diesem Jahr geschossen werden sollen. Ab dem 2. Mai dürfen die Jäger Rehböcke aufs Korn nehmen, ab dem 15. September – wenn die Jungtiere selbstständig sind – auch Rehgeissen und sogar schwache oder kranke Jungtiere. Rund 50 Rehe haben die Hombrechtiker Jäger in diesem Frühjahr gezählt. In dieser Saison dürfen sie voraussichtlich 13 Böcke und 12 Geissen jagen. Denn der Rehbestand soll nicht wachsen, und es wird angenommen, dass viele Rehgeissen je zwei Kitze geboren haben. Wernli ist über die Bündner Hochjagd zum Jäger geworden. Er hat zehn Jahre im Oberengadin gewohnt und dort das Bündner Jagdpatent erworben. Kurz nach seiner Rückkehr in den Kanton Zürich hat ein Nachbar ihn dazu überredet, auch die Zürcher Jagdprüfung abzulegen und der Hombrechtiker Jagdgesellschaft beizutreten. Also machte sich der heutige Geschäftsführer eines Oetwiler Sanitärunternehmens daran, sich erneut zwei Jahre lang auf eine Jagdprüfung vorzubereiten. Vor sechs Jahren trat er schliesslich der Jagdgesellschaft Hombrechtikon bei, die eines der grösseren Jagdreviere – gut 430 Hektaren – im Bezirk Meilen pachtet. Jagdobmann ist der 75-jährige Hombrechtiker Hans Müller. Ihn begleitet schon sein fünfter Hund auf der Jagd. Der ehemalige Bankangestellte trat der Jagdgesellschaft Hombrechtikon vor 34 Jahren bei. Diese gab es bereits, als er noch zur Schule ging.Müller stellt fest, dass die Rehe heute leichter sind als früher. Wog früher ein grosser geschossener Bock zwanzig und mehr Kilo, gelte heute ein 18-Kilo-Bock bereits als gross. Der stets steigende «Erholungsdruck» der Leute hinterlasse im Wald Spuren. Die von Hunden, Joggern und Bikern durch den Wald gehetzten Tiere fänden kaum noch die Ruhe, um zu Fressen. Am meisten Sorgen bereiten Müller die frei laufenden Hunde der vielen Besitzer, die er nicht mehr kennt. Die Hunde verfolgen die Rehe durch den Wald oder reissen sie gar. «Wenn wir die Besitzer bitten, die Hunde an die Leine zu nehmen, werden sie unwirsch», sagt der Jagdobmann. Sie konterten oft mit dem Spruch: «Wir würden die Rehe ja erschiessen.» Auch von den Spaziergängern würden die Jäger oft als Buhmänner, die Wilderei betrieben, angesehen. Von Hunden gerissen Wernli veranschaulicht das Schicksal der Hombrechtiker Rehe mit Zahlen: «Jedes Jahr sterben 10 bis 14 Rehe durch einen Unfall, die meisten durch Verkehrsunfälle, aber ein bis zwei Tiere werden von Hunden zu Tode gebissen.» Von den insgesamt 25 zum Abschuss freigegebenen Rehen bleiben für die eigentliche Jagd somit höchstens noch 15 Tiere übrig. Die erschossenen Rehe verkaufen die Jäger den Metzgern. So berappen sie mindestens einen Teil der jährlichen Pacht. Die Unfalltiere können sie hingegen nicht verkaufen. Sie landen in der eigenen Pfanne. «In der Regel bezahlen wir drauf», sagt Christoph Wernli. Dennoch liebt er die Pflege des Wildes und die Jagd. Er sieht sie als «ein Dienst an die Öffentlichkeit». Die Jäger Hans Müller, Christoph Wernli und Christian Büsser (v. l.). Foto: Reto Schneider
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