Mutmassliches Folteropfer Bulatow verlässt Kiew
Am Nachmittag hatte ein Gericht dem Oppositionsaktivisten Dmitro Bulatow die Ausreise nach Lettland erlaubt. In der ukrainischen Hauptstadt gingen erneut tausende Menschen auf die Strasse.

Gestärkt durch die Unterstützung westlicher Politiker haben in der Ukraine erneut zehntausende Menschen gegen die Führung des Landes demonstriert. Auf dem von Barrikaden umgebenen Unabhängigkeitsplatz in Kiew versammelten sich mehr als 60'000 Demonstranten.
Am Vortag hatten die USA und die EU der Opposition bei der Münchner Sicherheitskonferenz ihre Unterstützung zugesichert. Die Oppositionsführer Witali Klitschko und Arseni Jazenjuk, die noch in München gesprochen hatten, wurden von den Demonstranten in Kiew mit Jubel empfangen.
Die Oppositionsführer versprachen ihren Anhängern finanzielle Unterstützung aus dem Ausland. «Wir haben mit unseren westlichen Partnern gesprochen und ihnen gesagt, dass wir finanzielle Hilfen brauchen», sagte Jazenjuk. «Sie sind dazu bereit.» Das Geld solle aber ausschliesslich dem «ukrainischen Volk» zugute kommen. Klitschko rief zudem zum aktiven Widerstand auf. «Bildet Bürgerwehren in jedem Hof, in jedem Bezirk, in jedem Haus», forderte er.
Bulatow darf Ukraine verlassen
Der verletzte Oppositionsaktivist Dmitro Bulatow soll in Litauen medizinisch behandelt werden. Das litauische Aussenministererium teilte mit, Bulatow werde gegen Mitternacht in Vilnius erwartet. Er werde über die lettische Hauptstadt Riga anreisen.
Zuvor hatte der ukrainische Unternehmer und Oppositionsabgeordnete Petro Poroschenko auf seiner Facebook-Seite mitgeteilt, Bulatow habe Kiew in Richtung Riga verlassen. Ein Sprecher des lettischen Aussenministeriums in Riga bestätigte dies. Litauen hatte verletzten Demonstranten aus der Ukraine am Freitag eine kostenlose Behandlung angeboten. Bulatow war am Donnerstag schwer verletzt in einem Dorf ausserhalb von Kiew aufgetaucht.
Im ukrainischen Fernsehen schilderte er, wie er von Unbekannten verschleppt und tagelang gefoltert worden sei. Die Behörden werfen ihm die Organisation gewaltsamer Proteste vor. Er stand deshalb unter Hausarrest, wurde aber medizinisch betreut. Am Nachmittag erlaubte ihm ein Kiewer Gericht, zur medizinischen Behandlung das Land zu verlassen.
Geheimdienst ermittelt gegen Timoschenko-Partei
Präsident Wiktor Janukowitsch kündigte an, nach tagelanger medizinischer Betreuung seine Arbeit wieder aufzunehmen. Er war wegen Fiebers und Atemwegsproblemen in einem Spital behandelt worden, wie es aus der ukrainischen Verwaltung hiess.
Unterdessen wurde zudem bekannt, dass der Geheimdienst SBU wegen versuchten Staatsstreichs gegen die Oppositionspartei der inhaftierten Ex-Regierungschefin Julija Timoschenko ermittelt. Bei einer Razzia in den Parteiräumen im Dezember seien dafür Beweise gefunden worden.
Romantische Episode
Auf den Barrikaden der prowestlichen Opposition in Kiew hat unterdessen ein junges Paar Verlobung gefeiert. Der mit Helm, kugelsicherer Weste und schwarzer Sturmhaube ausgerüstete künftige Bräutigam streifte seiner Auserwählten im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt feierlich den Verlobungsring über.
«Der Kampf verändert den Menschen, der Geist wird kühl, das Herz heiss», kommentierte der junge Mann. Er habe sich schon länger mit seiner Freundin verloben wollen, doch dann habe die Revolution gegen Präsident Wiktor Janukowitsch begonnen. Deshalb verlobe er sich nun eben auf den Barrikaden.
«Ich sehe alles mit anderen Augen»
«Seitdem ich an den Auseinandersetzungen teilgenommen habe, hat sich für mich der Sinn des Lebens verändert. Ich sehe alles mit anderen Augen, alles ist einfacher geworden», berichtete der junge Mann über Megaphon, bevor er vor seiner Angebeteten niederkniete und einen Verlobungsring aus einer roten Schachtel zog.
Die junge Frau nickte, lächelte und lüftete für den Verlobungskuss unter dem Jubel dutzender Demonstranten ihrerseits ihre Sturmhaube, ohne ihr Gesicht ganz zu enthüllen. Anschliessend verliess das Paar hinter einer Kolonne von fackelschwenkenden Freunden und unter Feuerwerk den Platz.
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