
Wie gern man an einem Ort lebt, hat sehr stark damit zu tun, wie sicher man sich im öffentlichen Raum fühlt. Es lässt sich nicht bestreiten: Basel hat, verglichen mit anderen Schweizer Städten, eine höhere Kriminalitätsrate. So geschahen laut dem Bundesamt für Statistik letztes Jahr 13,1 Gewaltstraftaten auf 10’000 Einwohner. Ein Wert, der seit elf Jahren relativ konstant ist. In Zürich sind es 11,1 und in Bern 9,4. Jedes einzelne dieser Gewaltdelikte ist eines zu viel und hinterlässt bei den Bewohnern ein ungutes Gefühl.
Nachdem vor einem Monat eine Frau in Basel mitten in der Nacht angegriffen und sexuell missbraucht worden war, gaben viele Leserinnen und Leser in einer Umfrage der BaZ an, sich an einzelnen Orten oder sogar in der ganzen Stadt nachts unwohl zu fühlen. Einen besonders üblen Ruf hat das Kleinbasel. Kein Wunder. Dort, wo sich an Wochenenden Tausende Menschen in ihrer Freizeit treffen, geschehen mehr Delikte im öffentlichen Raum als beispielsweise auf dem Bruderholz.
Doch ist das ein Grund, das Kleinbasel oder gar ganz Basel als kriminellen Unort zu verteufeln, an dem man nachts keinen Fuss mehr vor die Tür setzen kann, ohne sich höchsten Gefahren auszusetzen?
Externe fürchten sich mehr als Anwohner
Nehmen wir das Beispiel Claraplatz. In der BaZ-Umfrage wurde er sehr oft als einer der Angstorte erwähnt. Ich wohne seit über zwanzig Jahren im Kleinbasel, muss den Platz also wohl oder übel auch nachts überqueren. Macht mir das Angst? Nein. Beim ersten Mal war mir wahrscheinlich etwas mulmig, beim zweiten Mal schon weniger. Mittlerweile war ich schon Hunderte Male im Dunkeln dort. Noch nie wurde ich angegriffen oder habe ich einen Angriff beobachtet. Die Gruppen, die sich um jene Uhrzeit typischerweise auf dem Platz befinden, haben mich immer in Ruhe gelassen. Dieser Erfahrungswert gibt mir Sicherheit. Das ist natürlich absolut subjektiv. Doch solange ich nicht konkrete Hinweise auf einen tatsächlichen Angriff habe, wäre das die Angst ebenfalls.
Warum erzähle ich Ihnen das alles? Ganz einfach. Ich bin kein Einzelfall. Vielen Baslerinnen und Baslern geht es ähnlich. Gemäss dem Bericht «Sicherheit öffentlicher Räume am Beispiel des Kantons Basel-Stadt» aus dem Jahr 2018 gelten der Claraplatz und seine Umgebung sogar objektiv als sicher. Weiter steht darin: «Die meisten Beschwerden bei den zuständigen Behörden betreffen die negativen Begleiterscheinungen des Nachtlebens: Ruhestörungen, Littering und Schlägereien zwischen Alkoholisierten. Während sich die vor Ort wohnende Bevölkerung sicher fühlt, empfinden viele Externe das Quartier aufgrund seines schlechten Images als unsicher.»
Das Rheinbord wurde in der BaZ-Umfrage auch in sehr vielen Antworten als Ort des Unwohlseins genannt. Weshalb, ist klar. Immer wieder kommt es dort zu Schlägereien und Raub. Dem gegenüber stehen jedoch Tausende gut gelaunte Menschen jeglichen Alters, die dort an warmen Sommerabenden bis tief in die Nacht lachen, essen, trinken oder sogar tanzen. Je nachdem, auf welchen dieser Aspekte man den Fokus legt, hat man Angst- oder fast schon Feriengefühle.
Jüngere und wohlhabendere Menschen fühlen sich sicherer
Dieser Zwiespalt kommt auch bei der aktuellen Bevölkerungsbefragung des Präsidialdepartements aus dem Jahr 2019 klar zum Vorschein. Bei der Frage nach den grössten Problemen im Kanton Basel-Stadt steht die Sicherheit mit 15,7 Prozent hinter dem Verkehr (21,6%) an zweiter Stelle. Gleichzeitig fühlen sich 94,9 Prozent der Befragten im Alltag sehr oder eher sicher. Auch nachts fühlen sich mit 67,7 Prozent deutlich mehr Menschen wohl als unwohl.
Die Befragung zeigt übrigens schön, wie subjektiv das Sicherheitsempfinden ist. Obwohl Männer auf Basels Strassen nachts nicht sicherer sind als Frauen, fürchten sie sich weniger. Zudem nimmt die Angst mit sinkendem Einkommen und steigendem Alter zu. Auch die Sauberkeit eines Ortes wirkt sich direkt auf das Sicherheitsgefühl aus.
Damit soll nicht die Furcht jener Leute heruntergespielt werden, die sich nicht wohlfühlen. Gewaltdelikte geschehen. Davor Angst zu haben, ist normal. Immerhin gab bei der Bevölkerungsbefragung fast ein Drittel an, sich nachts eher unsicher (21,0%) oder sehr unsicher (7,8%) zu fühlen. All diese Menschen haben deshalb eine tiefere Lebensqualität, als für sie eigentlich möglich wäre – und das ist nicht gut. Um attraktiv zu bleiben, muss Basel weiter daran arbeiten, sauberer und sicherer zu werden. Gegen weniger Gewaltdelikte und Littering haben auch all jene Menschen nichts, die sich bereits jetzt wohlfühlen.
Bleibt noch die Eingangsfrage zu beantworten. Muss man in Basel Angst haben? Ich übernehme hier gern die Antwort von Marco Liechti, dem Leiter der Kriminalprävention der Kantonspolizei Basel-Stadt, mit dem die BaZ auf einem Nachtrundgang durch die Stadt war: «Nein. In Basel muss man grundsätzlich keine Angst haben, aber Vorsicht vor Risiken und Gefahren ist immer und überall gut.»
Dina Sambar ist Redaktorin und stellvertretende Leiterin des regionalen Ressorts Kultur und Gesellschaft.
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Leitartikel zu Basels Orten der Angst – Muss man in Basel Angst haben?
In einer Umfrage gaben viele BaZ-Leserinnen und -Leser an, sich in der Stadt nachts zu fürchten. Doch ist es tatsächlich so schlimm?