«Muslimen die Kehlen durchschnitten»
Im Prozess gegen Radovan Karadzic hat ein 62-jähriger Bosnier von den schlimmen Erlebnissen in serbischer Gefangenschaft berichtet. Danach wurde der Zeuge vom Angeklagten ins Kreuzverhör genommen.
Mit der bedrückenden Aussage eines Zeugen der Anklage ist am Dienstag vor dem Uno-Tribunal in Den Haag der Prozess gegen den früheren bosnischen Serbenführer Radovan Karadzic fortgesetzt worden. Das Gericht verlas die Schilderung des im Bosnienkrieg in serbischen Lagern inhaftierten Ahmet Zulic, der vom Sturm auf sein Heimatdorf Mahala und brutalen Übergriffen in Haft berichtete.
«Wir haben die Häuser brennen sehen», erinnerte sich Zulic an den Überfall serbischer Truppen auf sein überwiegend von Muslimen bewohntes Dorf Ende Mai 1992 im Nordwesten von Bosnien. «Ich habe gesehen, wie Granaten flogen und explodierten. Das waren die serbische Besatzungsarmee und paramilitärische serbische Einheiten», hiess es in der Aussage. Kranke Menschen und die, die sich versteckt hätten, seien in Mahala zurückgeblieben. «Das waren die Menschen, die getötet wurden, als die Truppen kamen - darunter war auch mein Schwiegervater.»
Der heute 62-jährige Zulic wurde kurz nach dem Überfall auf sein Dorf festgenommen und in ein serbisches Gefangenenlager in Sanski Most, zu dem Mahala gehört, geschafft. Dort wurde er nach eigener Aussage mit anderen Gefangenen in einer Garage ohne Toiletten festgehalten und brutal geschlagen.
In Gefangenschaft misshandelt
«Ich hatte Knochenbrüche, gebrochene Rippen», äusserte Zulic, «einmal sind sie mir auf die Hände getreten und haben mir die Finger gebrochen». Medizinische Versorgung habe er nicht erhalten. «Ein Mann hat uns mit einem Stock bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen.» Zulic gab zudem an, dass serbische Truppen Ende Juni 1992 insgesamt 20 Gefangene gezwungen hätten, sich ihr eigenes Grab zu schaufeln. Danach sei ihnen die Kehle durchgeschnitten worden. Zulic selbst sei verschont und wenig später in ein anderes Lager gebracht worden.
Auf dem Weg seien zahlreiche Menschen erstickt und verdurstet. In der anschliessenden Haft wurde Zulic erneut geschlagen und verlor bis zu einer Befreiung im November 1992 nach eigenen Angaben rund 35 Kilogramm.
Karadzic ohne Regung
Bei der Schilderung der Gräueltaten zeigte Karadzic, der sich in Den Haag selbst verteidigt, keine Gemütsregung. Er nahm den Mann anschliessend ins Kreuzverhör. Er versuchte, den Zeugen in Widersprüche zu verwickeln. Immer wieder fragte er ihn nach politischen Vorgängen in Bosnien sowie militärische Gruppierungen bosnischer Muslime.
Zulic wiederholte, er sei niemals politisch aktiv gewesen und habe keiner Partei angehört. «Er will mich austricksen», beschwerte sich Zulic. Richter O-Gon Kwon ermahnte Karadzic mehrfach, sachbezogene Fragen zu stellen.
Karadzic muss sich vor dem Haager Tribunal wegen Völkermordes, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Bosnienkriegs (1992 bis 1995) verantworten. Er weist alle Vorwürfe von sich.
SDA/vin
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