Musk präsentiert den Tesla-SUV fürs Volk
Es war die grosse Show in Los Angeles für das Modell Y. Über Preis, Reichweite, Marktstart – und den Auftritt auf der Bühne.
Vor knapp 20 Jahren, am 29. Oktober 1999, gab es in Las Vegas ein Festival mit den Dixie Chicks, KISS und The Who. Das Start-up Pixelon hatte dieses 16 Millionen Dollar teure Event organisiert, um eine neuartige Technologie zu präsentieren: einen weltweiten Livestream in hoher Qualität. Der funktionierte jedoch überhaupt nicht, und der Milliardär Mark Cuban sagte über dieses Symbol von Grössenwahn während der ersten Dot-Com-Blase: «Je grösser die Party, desto grösser der Trick!»
Nun, Mitte März 2019, feierte der Elektro-Autobauer Tesla in Los Angeles eine extra grosse Party.
Er stellte am Donnerstagabend im Design-Studio des Unternehmens ein neues Fahrzeug vor, den Kompakt-SUV Model Y. Geladen waren vor allem Fans der Firma, die sich selbst «Teslarati» nennen und in Firmenchef Elon Musk einen Heilsbringer sehen. Ein Tesla-Fahrzeug ist nicht einfach nur ein Auto, sondern immer auch der nächste Schritt, die Welt von all den Benzinschleudern zu befreien, und dafür gebührt Musk höchster Respekt.
Show, Details, Fans: Die Bilder zum Tesla Y
Um kurz nach 20 Uhr kommt Musk auf die Bühne – schwarze Hose, schwarzes T-Shirt, schwarzes Jackett –, die Leute lauschen beseelt, an dramaturgisch wertvollen Stellen rufen sie Sachen wie: «Das ist aber grossartig!» Oder: «Wie schön!» Oder, als das neue Fahrzeug nach einer halben Stunde Firmengeschichte und reichlich Selbstlob endlich auf die Bühne kommt: «Ich will einen!»
Über das Auto selbst sagt Musk: Der Siebensitzer soll im Herbst 2020 für mindestens 47'000 Dollar auf den Markt kommen (was in Musks Welt auch sehr viel später sein kann), die billigste Variante im Frühjahr 2021 (was in Musks Welt auch sehr viel später sein kann) und soll in der Grundausstattung 39'000 Dollar kosten. Das neue Auto soll eine Reichweite von bis zu 480 Kilometern pro Batterieladung schaffen.
«Wir werden von Modell Y wahrscheinlich mehr Exemplare verkaufen als von den Modellen S, 3, und X zusammen», sagt Musk. Die Nachfrage, hatte er bereits im Januar beim Telefonat mit Analysten anlässlich der Quartalszahlen gesagt, sei «irrsinnig hoch. Die Leute haben nur nicht genug Geld auf ihren Konten.»
Nun, die Nachfrage nach Gold und Diamanten ist auch irrsinnig hoch, nur gibt es auch da dieses Problem mit den nicht so prall gefüllten Geldspeichern der Leute. Aber tatsächlich gibt es gerade in den Vereinigten Staaten einen regelrechten Boom der sogenannten Baby-SUV – und in diesen Markt will Tesla nun vordringen.
Es war ein Musk-Auftritt im Musk-Land, und vielleicht brauchte es diese Veranstaltung auch deshalb, um das Narrativ der Firma mal wieder in eine freundlichere Richtung zu lenken. Eine kurze Zusammenfassung der vergangenen Monate: Das Unternehmen wollte die stationären Händler schliessen und Autos ausschliesslich online verkaufen, ruderte nach Protesten zurück und verkündete, zuvor gesenkte Preise wieder zu erhöhen. Es bezahlte Schulden in Höhe von 920 Millionen Dollar in bar und sorgte für neue Debatten um künftige Geldsorgen. Es warnte die Anleger, in diesem Quartal mal wieder Verluste zu machen. Finanzchef Deepak Ahuja wird aufhören. Und natürlich sorgte Musk selbst mit erratischen Twitter-Einträgen für Verwirrung bei den Fans und für Unmut bei der US-Börsenaufsicht SEC.
«Vor zehn Jahren galt es als Dummheit im Quadrat, eine Elektroauto-Firma zu betreiben», sagt Musk nun während seiner Geschichtsstunde: «Mittlerweile sind Elektroautos selbstverständlich.» Zwischenruf aus dem Publikum: «Danke dafür!» Musk fragt: «Wo werden wir in zehn Jahren sein?» Antwort eines Fans, die Musk besonders freut: «Auf dem Mars!» Danach holt der Firmenchef unter johlenden Jubelrufen sämtliche Tesla-Modelle auf die Bühne und am Ende das neue Fahrzeug, er ruft schelmisch grinsend in Anlehnung an den Justin-Timberlake-Song: «We are bringing sexy back! Literally!» Frei übersetzt will er wortwörtlich den Sex-Appeal zurückbringen, und für alle, die es noch immer nicht kapiert haben: Die Kürzel sämtlicher Tesla-Modelle (S, 3, X und Y) buchstabieren das Wort «sexy».

«In zwölf Monaten werden wir, die vor elf Jahren kein einziges Fahrzeug produziert hatten, insgesamt eine Million Fahrzeuge hergestellt haben», sagte Musk: «Es ist relativ leicht, einen Prototyp herzustellen, die Massenfertigung allerdings ist unfassbar kompliziert.» Was er nicht sagt an diesem Abend: Wo das Model Y zusammengebaut werden soll und ob es deshalb wieder eine, wie Musk es damals genannt hatte, «Produktionshölle» mit Verzögerungen geben wird wie beim Model 3. Musk stellt das Fahrzeug nicht einmal zehn Minuten lang vor, da bleibt keine Zeit für knifflige Details.
Die anderen Autofirmen sind mittlerweile aufgewacht
Es gibt mittlerweile «Teslarati», die durchaus irritiert sind von Musk und dessen Pistolero-Verhalten in den letzten Monaten (erst einmal schiessen und danach fragen, ob es den Richtigen getroffen hat), und die sich der Strategie «buy the car, not the stock» verschrieben haben. Sie kaufen das Auto und sind auch begeistert davon, sie wollen aber nicht mehr unbedingt in dieses Unternehmen investieren. Der Tesla-Aktienkurs hat in den vergangenen drei Monaten um etwa 23 Prozent nachgegeben. Tesla brauchte nun dringend ein Erfolgserlebnis, es brauchte dringend eine Party, und das Model Y war ein willkommener Anlass dafür.
Nur: Es geht, und das ist wichtig, nicht mehr um ein rebellisches Unternehmen, das den Benzinköpfen der Autobranche mal zeigt, wie das laufen kann mit Elektroautos. Im Segment des sogenannten Crossover-SUV wird das Model Y mit Elektro-SUV wie dem E-Tron von Audi, dem EQC von Mercedes oder dem Taycan von Porsche konkurrieren müssen. Es ist mittlerweile kein Kampf mehr zwischen Weltretter und Weltverpester. Die Autofirmen sind aufgewacht, das ist auch Teslas und Musks Verdienst, aber nun muss die kalifornische Firma mit hochwertiger Konkurrenz finanzstarker Unternehmen umgehen.
Musk behauptet seit Jahren, dass ihm das Überleben dieses Planeten wichtiger sei als das Überleben von Tesla, noch im Dezember sagte er in der TV-Sendung «60 Minutes»: «Wenn jemand bessere Elektroautos baut als Tesla, wir deshalb keine Autos mehr verkaufen und pleitegehen, dann ist das noch immer gut für die Welt.» Wieder fühlt man sich an Dot-Com und Pixelon und die Worte von Cuban erinnert: Streaming ist heutzutage selbstverständlich, es gibt Portale wie Netflix oder Hulu, die setzen Milliarden von Dollar damit um. Pixelon allerdings hat im Juni 2000, acht Monate nach dem grossen Festival, Insolvenz angemeldet.
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