Multis beklagen Niedergang der Schweiz
Hohe Lohnkosten, mehr Steuern, starker Franken – darum blicken hier tätige ausländische Unternehmen skeptisch in die Zukunft.

Multinationale Konzerne haben in einer Umfrage ihren Unmut über den schleichenden Niedergang der Schweiz als attraktiver Wirtschaftsstandort zum Ausdruck gebracht. Eine Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG, die am Dienstag publiziert und zusammen mit der Business School IMD, der Organisation zur Aussenhandelsförderung Switzerland Global Enterprise sowie der Handelskammer Schweiz-Amerika erstellt wurde, befördert vier Hauptgebiete mit Rückschritten bei der Standortqualität in der Schweiz zutage.
Der erste Bereich ist laut der KPMG-Untersuchung unter rund 850 in der Schweiz angesiedelten multinationalen Unternehmen die Besteuerung. Rund 68 Prozent der Befragten gaben an, dass das attraktive Steuersystem ein Hauptgrund für die Ansiedlung hierzulande sei.
Steuerkartell der Staaten
Doch während die Bestrebungen zur aktuellen Unternehmenssteuerreform bei den Firmen auf Anerkennung stossen, bezweifelt ein Teil, dass die Reformen auch effektiv umgesetzt werden. Lediglich 42 Prozent der Unternehmen glauben, dass mittelfristig ein wettbewerbsfähiges Steuersystem noch zu den Hauptvorzügen der Schweiz zählen wird. Rund 58 Prozent der Umfrageteilnehmer sind sogar überzeugt, dass die Schweiz in Zukunft die immer restriktiveren internationalen Besteuerungsstandards der EU und der OECD übernehmen wird.
Als zweiter Bereich bereiten die hohen Schweizer Arbeitskosten den multinationalen Unternehmen immer mehr Bauchschmerzen. Rund 60 Prozent taten diesbezüglich in der KPMG-Studie ihren Unmut kund. Vor allem die Vergütungen im mittleren Kader seien in den vergangenen Jahren gegenüber anderen Wirtschaftsstandorten stärker gestiegen als die Arbeitsproduktivität, schreibt KPMG im Communiqué. Und diese Situation wird zusätzlich noch durch die Frankenstärke verschärft.
Immer mehr Bürokratie
Grundsätzlich stellen hohe Löhne laut den Autoren der Untersuchung aber kein grösseres Problem dar, solange das Arbeitsrecht einigermassen liberal ausgestaltet ist. Aber genau in diesem dritten Bereich lauern weitere Gefahren für den Wirtschaftsstandort Schweiz. Ein flexibles und wirtschaftsfreundliches Arbeitsrecht sei nämlich für die Konzerne enorm wichtig, hiess es am Dienstag bei der Präsentation der Studie vor den Medien. Und nahezu alle befragen Unternehmen gaben an, dass die Schweiz hierbei noch deutliche Vorteile gegenüber praktisch allen anderen Ländern Europas habe.
Doch weniger als die Hälfte der Umfrageteilnehmer, nämlich nur 47 Prozent, glauben, dass die Schweiz diesen Wettbewerbsvorteil in den nächsten drei Jahren noch behalten kann. Fast 30 Prozent gaben sogar an, dass zunehmende Regulierung der Arbeitsverhältnisse die Geschäftstätigkeit in der Schweiz in Zukunft spürbar erschweren werde.
Unsicherheit um Zuwanderungspolitik
Negative Folgen dürfte in diesem Zusammenhang etwa die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative oder die Erfassung der Arbeitszeiten haben. Dies habe gravierende Auswirkungen, weiterhin für ausländische Arbeitskräfte attraktiv zu sein, hiess es. Andere Länder wie Deutschland oder die USA lockten heutzutage ohnehin schon immer mehr Talente an.
Als vierter Hauptbereich, wo die Schweiz international gesehen bald zurückfallen dürfte, ist die Innovationskraft. Nur 44 Prozent der befragten Firmen denken nämlich, dass ihre Unternehmen aufgrund des Standortes Schweiz innovativer werden. Lediglich 30 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben an, dass die hiesigen Universitäten und Hochschulen auch in Zukunft einen wesentlichen Standortvorteil darstellen.
Unmerklicher Abzug
Verlassen Unternehmen aufgrund dieser Verschlechterungen bereits die Schweiz? Nein, sagte der Mitautor der Studie und Chef der Handelskammer Schweiz-Amerika Marin Naville diesbezüglich vor den Medien. Allerdings wüsste er bereits von Firmen, die einige Teams aufgrund bürokratischer Hürden statt in der Schweiz unkompliziert in München oder Frankfurt angesiedelt haben.
Zudem sei es vielerorts kaum eine Frage, ob man in der Schweiz angesiedelt bleibe oder das Land verlasse. Vielmehr gehe es darum, ob das nächste Projekt noch hierzulande oder jenseits der Staatsgrenzen durchgeführt werde. Es sei ein schleichender Prozess im Gang, erklärte Naville.
Die Frage, ob die langwierigen politischen Prozesse in der Schweiz nicht auch eine Stärke des Landes im internationalen Vergleich darstellten, verneinten die Autoren der Studie. Zwar gebe es einerseits gewisse Stabilität für die Gesetzeslage, und es würden nur Faktoren geändert, die einen breiten gesellschaftlichen Konsens fänden. Allerdings kann eine langsame politische Geschwindigkeit andererseits auch nach hinten losgehen, weil die Schweiz dann Chancen verpasse und der Zeitraum der Lösungsfindung für Unternehmer grosse Unsicherheiten berge.
SDA/jdr
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