Günstiger WohnraumMünchenstein steigt ins Immobiliengeschäft ein
Für gut 20 Millionen Franken kauft die Gemeinde 56 Wohnungen und 60 Autoeinstellplätze gleich neben dem Zentrum Gartenstadt. Die Gemeindeversammlung stimmte dem Kauf mit grossem Mehr zu.

Gemeinderat René Nusch (parteilos) machte gleich zu Beginn klar, dass das Immobiliengeschäft eigentlich nicht zum Kerngebiet einer Gemeinde gehört. Trotzdem greift die Gemeinde Münchenstein nun aktiv in den Immobilienmarkt ein und wird zur Vermieterin von 56 Wohnungen und 60 Autoeinstellhallenplätzen an der Kaspar-Pfeiffer- und an der Jurastrasse, gleich neben dem Einkaufszentrum Gartenstadt. Die Gemeinde übt ihr Vorkaufsrecht aus und bezahlt für die fünf Wohnblöcke insgesamt 20,7 Millionen Franken.
Mit grossem Mehr unterstützte die Gemeindeversammlung die Pläne des Gemeinderats. Zum Liegenschaftskauf kommt es, weil die Helvetia-Versicherung als Eigentümerin die Wohnblöcke verkaufen will. Die Grundstücke, auf denen die Wohnblöcke stehen, gehören der Gemeinde. Diese gab sie der Versicherungsgesellschaft beim Bau in den 1980er-Jahren im Baurecht ab. Als Baurechtgeberin hat die Gemeinde ein Vorkaufsrecht, sollte die Helvetia AG die Liegenschaften verkaufen wollen. Dieser Fall tritt nun ein.
Wir wollen bezahlbaren Wohnraum erhalten, von dem es in Stadtnähe nur noch wenig gibt.
Der von externen Experten berechnete Verkehrswert der Liegenschaften beläuft sich auf knapp 18 Millionen Franken. Dass die Gemeinde fast drei Millionen Franken mehr bezahlt, liegt daran, dass sie den Preis nicht selber verhandeln konnte, sondern den Vertrag übernehmen muss, den die Helvetia AG mit dem meistbietenden privaten Investor ausgehandelt hat. Der Gemeinderat will damit verhindern, dass ein privater Investor innerhalb weniger Jahre die Wohnungen saniert oder sogar komplett neu baut und teuer vermietet. «Wir wollen diesen bezahlbaren Wohnraum, von dem es in Stadtnähe nur noch wenig gibt, erhalten», betonte Nusch.
Strategische Entscheidung
Die aktuellen Mieten der 56 Wohnungen lägen 14 Prozent unter dem Marktpreis, rechnete der Gemeinderat, der für das Departement Hochbau und Immobilien zuständig ist, vor. Neben dem Erhalt des bezahlbaren Wohnraums sieht das Gremium auch strategische Gründe, weshalb es wichtig ist, dass die Gemeinde die Liegenschaften kauft. Denn sie stehen auf einem Gebiet, das Teil der Quartierplanung Stöckacker im Raum Gartenstadt ist. Der Quartierplanprozess stockt aber, da nicht alle Grundeigentümer am gleichen Strick ziehen. Mit dem Liegenschaftskauf erhöht die Gemeinde ihren Anteil an der Fläche des Quartierplanperimeters von aktuell 8 auf 35 Prozent und hätte mit zwei anderen Grundeigentümern ein Quorum, mit dem sie zu dritt den Quartierplanprozess vorantreiben könnten.
Warnung vor finanziellem Risiko
Der Gemeinderat ist überzeugt, dass sich der Liegenschaftskauf auch wirtschaftlich lohnt. Er rechnet durch die Vermietung mit höheren Einnahmen als jenen, die er aktuell mittels Zinsen über den Baurechtsvertrag erhält. Dieser würde noch bis 2080 dauern. Die Liegenschaftsverwaltung übergibt die Gemeinde an eine externe Firma.
Trotz der Frohlockungen von René Nusch warnten FDP und SVP vor den finanziellen Risiken der Transaktion. Dominic Degen (FDP) vermisst einen grundsätzlichen Plan der Gemeinde, wie sie bezahlbaren Wohnraum erhalten und fördern will, und sieht im Liegenschaftskauf eine überstürzte Aktion. Zudem bezweifelt er, dass die Mieten auf dem aktuellen Niveau gehalten werden können.
«Wenn die Häuser so wertvoll wären, würde die Helvetia AG doch nicht verkaufen wollen», gab Stefan Haydn (SVP) zu bedenken. Ein Bewohner der betroffenen Liegenschaften unterstützte das Vorhaben der Gemeinde und betonte, wie wichtig es sei, dass die Menschen in ihren Wohnungen bleiben können. Die sozialpolitische Verantwortung, an die auch Miriam Locher (SP) appellierte, schien die finanziellen Bedenken in der Versammlung zu überwiegen – obwohl zuvor ein negatives Jahresergebnis 2019 präsentiert worden war.
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