Moskau präzisiert Route des Konvois
Kiew und der Westen hatten eine als Hilfe getarnte Militäroperation Russlands befürchtet. Nun versucht Moskau, die Bedenken zu zerstreuen, und nennt Details zu seiner geplanten humanitären Hilfe.
Der heute von Moskau geschickte russische Konvoi soll die Grenze zur Ukraine beim Checkpoint Schebekino-Pletnewka überqueren. Das russische Aussenministerium präzisierte auf seiner Website auch Art und Umfang der Hilfslieferung. Das Dorf Schebekino liegt gut 80 Kilometer nordöstlich der ukrainischen Grossstadt Charkiw. Der nahe Grenzübergang liegt damit weit entfernt von dem von den Separatisten gehaltenen Grenzabschnitt zu Russland. Das ermöglicht die Kontrolle des Konvois.
Die ukrainische Regierung hatte zuvor angekündigt, die russischen Lastwagen nicht ins Land zu lassen, solange die Lieferung nicht unter die Aufsicht des Roten Kreuzes gestellt werde. «Wir erachten die Fahrt russischer Konvois über ukrainisches Territorium als unmöglich», erklärte ein Vertreter der Präsidentschaft in Kiew. Die russischen Lieferungen könnten aber an der ukrainischen Grenze an das Rote Kreuz übergeben werden, damit dieses die Lieferungen übernehme, sagte der Vertreter weiter. Zudem werde die ukrainische Regierung nicht akzeptieren, dass Vertreter des russischen Militärs oder des Ministeriums für Katastrophenhilfe die Auslieferung begleiten.
Die russische Regierung hatte einen grossen Hilfskonvoi in Richtung ukrainische Grenze geschickt, obwohl Kiew und zahlreiche westliche Staaten Russland vor einer solchen einseitigen Aktion gewarnt hatten.
Russland bekräftigt «Schirmherrschaft» des IKRK
Das Aussenministerium in Moskau lieferte nun auch die vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) verlangten Details zu den Hilfsgütern. Demnach sind 262 Fahrzeuge unterwegs, davon 198 mit einer Ladung im Gesamtgewicht von 1809,9 Tonnen. Die Hilfsgüter bestehen aus 400 Tonnen Getreide, 340 Tonnen Dosenfleisch, 100 Tonnen Zucker, 30 Tonnen Salz, 62,4 Tonnen Babynahrung und 679,5 Tonnen Mineralwasser. Geliefert werden nach russischen Angaben auch medizinische Güter, Netze und 12'300 Schlafsäcke.
Nach Überqueren der Grenze will Moskau den Konvoi unter die «Schirmherrschaft» des IKRK stellen. Man erwarte «maximale Unterstützung der ukrainischen Seite», um eine sichere Lieferung in die Regionen Donezk und Luhansk zu gewährleisten. Russland habe alle Auflagen der Ukrainer erfüllt, daher seien die öffentlichen Äusserungen der Führung in Kiew unverständlich, erklärte das russische Aussenministerium.
Rotes Kreuz nicht informiert
Der Konvoi soll nach russischen Medienberichten am Mittwoch die Grenze zu den umkämpften Gebieten in der Ukraine erreichen. Das Rote Kreuz hatte angeboten, die Hilfsgüter zu den Menschen in die umkämpften Gebiete zu bringen. Doch nach Angaben des IKRK in Genf hatte Russland am Dienstag zunächst noch keine Angaben zu Art und Umfang der Hilfslieferungen gemacht. Zudem fehlten die Sicherheitsgarantien der Konfliktparteien, um eine Verteilung von Hilfsgütern zu ermöglichen, sagte eine IKRK-Vertreterin in Genf.
Bilder des Konvois
Auf Twitter veröffentlichten russische Nutzer des Dienstes Bilder, die Lastwagen des russischen Hilfskonvois auf dem Weg in die Ukraine zeigten.
Lage der Bevölkerung zum Teil dramatisch
An der Mission unter Leitung des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) sollen sich neben Russland die EU und andere Partner beteiligen. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko stimmte einem solchen Einsatz am Montag nach einem Telefonat mit US-Präsident Barack Obama zu. Das IKRK erklärte sich bereit, die Federführung zu übernehmen. Nach Absprache mit russischen und ukrainischen Behörden könne man bald Hilfe leisten, teilte die Organisation in Genf mit.
Vereinbart wurde demnach mit den Konfliktparteien, dass das IKRK seinen Grundsätzen entsprechend unabhängig und unparteiisch helfe. Die Lage in Luhansk und anderen Gebieten in der Ostukraine sei ernst, sagte der zuständige IKRK-Leiter Laurent Corbaz. Dort wehren sich prorussische Separatisten seit Wochen erbittert gegen die Angriffe ukrainischer Regierungstruppen.
Die Lage der Bevölkerung ist teils dramatisch. So waren in Luhansk bereits den neunten Tag in Folge rund 250'000 Bewohner bei Sommerhitze ohne Strom und Wasser. Das IKRK reagiert nach den Worten Corbaz' auf die jüngste Forderung Russlands nach einer humanitären Mission. Die Details des Einsatzes müssten jedoch noch geklärt werden. Russland hatte zuletzt immer wieder eine Hilfsmission gefordert und dem Westen «Blindheit» für die Notlage der Menschen vorgeworfen.
Die Ukraine will den russischen Hilfskonvoi nicht über ihre Grenze lassen. (Video: Reuters)
Angst in Kiew
Die Regierung in Kiew befürchtet hingegen, dass Russland unter dem Vorwand humanitärer Hilfe auch Kämpfer und Waffen über die Grenze schaffen könnte. Washington missfällt, dass sich auch Russland an der Hilfsaktion beteiligen will. Dies sei Grund zur Sorge, Russland könne die Mission als Vorwand für ein militärisches Vorgehen missbrauchen, sagte die Sprecherin des US-Aussenministeriums, Marie Harf. «Russland hat kein Recht, in der Ukraine ohne die Erlaubnis Kiews zu intervenieren.» Die USA würden die Entwicklung genau verfolgen. Russland habe erhebliche militärische Kräfte an der ukrainischen Grenze zusammengezogen, betonte Harf.
Die Regierung in Kiew riet zudem den Bewohnern der umkämpften Regionen in der Ostukraine zur Flucht. «Für Zivilisten ist es besser, Donezk und Luhansk zu verlassen», sagte Andrei Lyssenko vom Sicherheitsrat. Die «Anti-Terror-Operation» werde fortgesetzt, in jeder Stadt gebe es Fluchtkorridore.
Die Armee müsse schnell handeln, damit die Aufständischen sich nicht neu formieren und mit Nachschub ausrüsten könnten. Seit Beginn des Militäreinsatzes der prowestlichen Regierung in der Ostukraine seien inzwischen 568 Soldaten getötet und 2120 verletzt worden, sagt Lyssenko.
Die moskautreuen Aufständischen fordern eine Waffenruhe, verlangen aber zugleich auch, dass sich die Regierungstruppen zurückziehen. Die Führung in Kiew lehnt eine Feuerpause ab und fordert, dass die Aufständischen zunächst ihre Waffen niederlegen.
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