Moreno und die frischen Greifenseefische
Für einmal stand der neunjährige Moreno Amato am Morgen gerne auf. Denn sein grosser Traum ging in Erfüllung: Er durfte Berufsfischer Andreas Zollinger auf den See begleiten.
Pfäffikon/Riedikon. - Es ist fünf Uhr in der Früh, der Mond steht sichelförmig über dem Greifensee. Auf der glatten Wasseroberfläche zeichnet er sich unscharf ab. Eine Handvoll Sterne leuchtet am Himmel, die übrigen verstecken sich hinter der Wolkendecke. Obwohl der neunjährige Moreno Amato aus Pfäffikon so früh aufstehen musste, ist er hellwach und konzentriert. Immerhin geschieht heute, was er sich so lange gewünscht hat: Er darf einem Berufsfischer bei seiner Arbeit zusehen.
Zusammen mit ein paar Plastikkisten, Netzen und Eis zum Kühlen der Fische hat ihn Andreas Zollinger heute mit auf sein Bötchen genommen. Viel Platz ist nicht, es ist klein, drei, vielleicht vier Meter lang, eine Nussschale, aber gross genug für den Fischer und seinen Fang.
«Cool»: Viele Felchen im Netz
Moreno ist bereit: Wie Andreas Zollinger trägt er Gummistiefel. Seine Globi-Mütze muss er ein erstes Mal gut festhalten, als das Boot mithilfe seines Motors durchs Schilf auf den offenen See fährt, um auf der Höhe der Badi Maur den Anker zu setzen.
Ein strategisch wichtiger Schritt ist bereits getan: Drei Netze sind «gesetzt», wie Zollinger sagt. Er war schon vor eineinhalb Stunden hier, sodass den Fischen genug Zeit blieb, ihren Weg in eine der hauchdünnen, transparenten Fallen zu finden. Zu erwarten seien an dieser Stelle vor allem Felchen, wie Zollinger auf Morenos erste, noch schüchterne Frage hin erklärt. Der See sei hier 20, 25 Meter tief. Entsprechend gross ist das Netz, das er hier wie einen Vorhang ausgebreitet hat. An ihm beginnt er vorsichtig zu ziehen.
«Cool», kommentiert Moreno den ersten Fang, es ist erwartungsgemäss ein Felchen. «Ein ziemlich fettes Exemplar», meint er fachmännisch. Die Felchen machen auch den Löwenanteil an Zollingers Fängen aus - der Felchen ist neben dem Egli sein «Brotfisch». Manchmal finden sich aber auch etwa ein Hecht, ein paar Forellen, Zander, Karpfen oder ein Wels im Netz.
Moreno fischt manchmal auch selber: «kleine Egli-Fischlein», die er aber wieder ins Wasser entlässt - denn noch weiss Moreno nicht, wie das mit dem Genickbrechen genau funktioniert. Sein Freund aber hat schon einmal einen Fisch nach Hause genommen. Auch Andreas Zollinger hat im Alter Morenos schon gefischt, damals noch am Bodensee, er ist in Kreuzlingen aufgewachsen. Gleich nach der Schulzeit hat er sich für die Fischerei entschieden, sie hat ihn nach Riedikon geführt. Hier arbeitet er nun seit acht Jahren, seit vier Jahren als selbstständiger Unternehmer. «Bloss kein Bürojob», hat er sich immer gesagt, und «am allerliebsten etwas mit Tieren». Er tue etwas für seine Fische, hält er fest. Er kümmere sich um das Gleichgewicht, um den Nachwuchs der Tiere. «Meerfischerei ist oftmals Räuberei», sagt Zollinger, kaum jemand kümmere sich um das ökologische Gleichgewicht.
Da geht es ihm im Naturschutzgebiet Greifensee schon besser, auch wenn der See bekanntlich auch mit Problemen zu kämpfen hat: Neben dem relativ hohen Phosphatgehalt, der sich dank entsprechender Massnahmen immer besser einpendelt, gibt es besonders im Sommer in den tieferen Wasserlagen noch immer kaum Sauerstoff.
Moreno sieht den Fisch zuerst
Zollingers Mutter hilft mit im Laden. Der Junior hat als Pächter schliesslich alle Hände voll zu tun: morgens um halb vier die Netzte ausbreiten, ab halb fünf die Fische an Land ziehen, dann kommen schon bald die ersten Abnehmer. Neben privaten Fischliebhabern sind dies das Restaurant Schifflände in Maur, die Krone in Nossikon, der Löwen in Mönchaltorf und die Traube in Ottikon. Zudem müssen die Fische weiterverarbeitet werden: ausnehmen, filetieren, lagern. «Ein Fisch ist etwa drei Tage haltbar, aber einem gefrorenen Fisch merkt man qualitativ kaum etwas an», sagt Zollinger. Dennoch klärt er die Kunden immer genau darüber auf, wenn ein Fisch nicht direkt aus dem See kommt. «Die Leute schätzen Frische und Qualität, dazu kommt die regionale Herkunft der Tiere», weiss er.
Auf dem Boot sorgt Eis für die Frische der Fische. Sorgfältig schält Zollinger sie aus dem Netz, schlägt sie an den Rand des Schiffleins und legt sie dann in einen der Plastikbehälter. Ob er mit dem Fang zufrieden sei, möchte Moreno wissen. Der heutige Fang liege mit geschätzten 35 Kilo etwa im Durchschnitt, erklärt Zollinger. Und sowieso sei er nie enttäuscht: «Man weiss halt nie, was es gibt. Jeder Tag ist anders. Das ist eben der Wille der Natur.»
Das Boot tuckert nun gemächlich in Richtung Ufer. «Die Egli fischt man eher dort», weiss Moreno. Daher fängt man sie mit kurzen Netzen. Vorsichtig streichelt er den gezackten Kamm des ersten Exemplars und warnt: «Die können stechen, im Fall.» Und dann strahlt er: Eine etwa zwei Kilo schwere Schleie - und er hat sie zuerst entdeckt. Ihr folgen Dutzende weitere Fische, hier ein Egli und da ein Zander. Moreno ist begeistert. Auch ein winziges Fischlein hat sich ins Netzt verirrt. «Dich nehmen wir später», sagt Zollinger und lässt es zurück ins Wasser. Morenos Stimmung wird immer heiterer, und mit ihr der Morgen: Es ist inzwischen hell geworden, die Haubentaucher wünschen zwitschernd und schnatternd einen schönen Tag. Den hat der Neunjährige ganz bestimmt.
Sind stolz auf ihren Fang: Fischer Andreas Zollinger und Moreno Amato.
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