Moderne Arbeitswelt raubt Deutschen den letzten Nerv
Die psychisch bedingten Krankschreibungen haben in den letzten zehn Jahren um fast 40 Prozent zugenommen. Zudem hat die Einnahme von Psychopharmaka massiv zugenommen. Um bis zu 120 Prozent.

Arbeit belastet die Deutschen immer stärker. Dies zeigt der neue Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse (TK), der am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde. «Wir wissen alle, wie die Arbeitswelt sich verändert hat - und das geht auf die Nerven», bilanzierte der Sozialmediziner Thomas Grobe.
TK-Vorstandschef Norbert Klusen sagte, der Arbeitsrhythmus sei weniger selbstbestimmt als noch vor zehn Jahren. Als Stress-Gründe nannte er die Zunahme befristeter Jobs sowie die Beschleunigung und Hektik durch massenweise E-Mails und ständige Erreichbarkeit über Handy.
Psychopharmaka-Konsum schwillt an
Patienten mit psychischen Erkrankungen sind der Studie zufolge meist sehr lange arbeitsunfähig, oftmals mehrere Monate. Umso schwerer falle dann die Wiedereingliederung des Mitarbeiters in den Arbeitsalltag, erklärte Klusen. Fehlzeiten mit Krankengeldbezug, also Ausfälle länger als sechs Wochen, nahmen laut Gesundheitsreport allein im vergangenen Jahr um zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr zu.
Psychopharmaka wurden 2009 mehr als ein Drittel so oft verschrieben als vor zehn Jahren, Herz-Kreislauf-Präparate sogar mehr als doppelt so häufig. Nur ein Drittel des Anstieges lässt sich durch das gestiegene Durchschnittsalter erklären, wie Klusen sagte.
Auch die Einnahme von Antidepressiva durch Frauen hat sich verdoppelt. Bei Männern liegt der Zuwachs sogar bei fast 120 Prozent.
Firmen sind gefordert
Wenn von den Belastungen der neuen Arbeitswelt gesprochen wird, schliesse das die Arbeitslosen nicht aus, sagte Klusen. Auch sie verspürten einen immer grösseren Druck. Im vergangenen Jahr waren Arbeitslose mit durchschnittlich 20,3 Tagen mehr als fünf Tage länger arbeitsunfähig als vor zehn Jahren.
Der durchschnittliche Arbeitslose fiel 2009 81 Prozent öfter aus als der Beschäftigte. Arbeitslose Frauen erhielten doppelt so viele Antidepressiva wie berufstätige Frauen. Arbeitslose Männer lagen sogar um 200 Prozent über dem Volumen der Berufstätigen.
TK-Vorstand Klusen erklärte: «Die Zehn-Jahresbetrachtung des TK-Gesundheitsreports zeigt, dass sehr viele verschiedene Ereignisse - Arzneimittelskandale, Gesetzesänderungen und Arbeitsmarktreformen - die Fehlzeiten auf verschiedenste Weise beeinflussen.»
Zufriedener und leistungsfähiger
Klusen forderte ein betriebliches Gesundheitsmanagement innerhalb der Unternehmen: Arbeitnehmer seien dank besserer Arbeitsbedingungen zufriedener und leistungsfähiger. Für die Unternehmen hingegen bedeute es weniger Fluktuation und Fehlzeiten sowie höhere Produktivität.
Der TK-Gesundheitsreport analysiert jedes Jahr die Krankenstandsdaten sowie Arzneimittelverordnungen der bei der TK versicherten Erwerbspersonen. Dazu zählen derzeit nach eigenen Angaben 3,4 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte sowie Arbeitslosengeld I-Empfänger.
ddp/sam
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