Mit welchen Erfindungen die DDR die Welt verändern wollte
Die Techniker der DDR waren eifrige Erfinder. Nun laufen ihre letzten Patente ab. Manche hatten Erfolg – doch viele Erfindungen hatten auf den westeuropäischen Märkten keine Chance.

Das letzte DDR-Patent läuft am Sonntag aus. Der Ingenieur Dieter Mosemann hatte es am 2. Oktober 1990 angemeldet, einen Tag vor der Wiedervereinigung. «Das war reiner Zufall. Ich war selbst überrascht, dass ich der letzte war», sagt Mosemann.
Der Chef der Verdichterentwicklung des volkseigenen Betriebs VEB Kühlautomat in Berlin war einer der fleissigsten Erfinder der DDR. Und einer der erfolgreichsten. Mit seinem Team entwickelte Mosemann Schraubenverdichter für Kühlanlagen, die bis heute weltweit gefragt sind. Sie klimatisieren Flughäfen und Wolkenkratzer, ermöglichen das Skifahren in einer Halle in Abu Dhabi, laufen in Brauereien und Molkereien und kühlen Vertriebszentren der grössten deutschen Lebensmittelhändler.
Die USA kopierten DDR
Zu DDR-Zeiten habe der VEB Kühlautomat kein Geld für die Patentgebühr in den USA gehabt und sei dort sofort kopiert worden. «Als wir dann in den USA auf den Markt wollten, wurden wir gestoppt. Wir mussten die Amerikaner erst aufklären, dass sie unsere Erfindungen benutzen und nicht umgekehrt», sagt Mosemann.
Als junger Ingenieur frisch von der TU Dresden fing Mosemann in einer Diesellok-Motorenfabrik an. Als die Sowjetunion von der DDR keine Loks mehr wollte, sondern Kühlschiffe mit Schraubenkompressoren, wechselte er die Stelle. «Eine schwedische Firma hatte alle Patente, wir hätten pro Patentbenutzung, also für jeden einzelnen Verdichter, 3000 DM zahlen müssen», erklärte Mosemann. «Da jede DM mit 4,80 Mark der DDR bezahlt werden musste, haben wir angefangen, uns selbst um den Verdichter zu kümmern. Wir waren sehr motiviert.»
Nur wenige DDR-Patente konnten sich am Markt behaupten
Am 3. Oktober 1990 hatte das Deutsche Patentamt in München den Schutz für 111'000 DDR-Patente übernommen. Aber nur wenige konnten sich am Markt behaupten. Viele Patente waren Ausdruck der Mangelwirtschaft. Da gab es Verfahren, wie man aus Kürbis und grünen Tomaten Orangeat- und Zitronat-Ersatz macht. Die DDR-Akademie der Wissenschaften liess 1984 patentieren, wie man Futterrüben mit Acetoglyceriden und synthetischem Ananas-Aroma so aufpeppt, dass sie «südfruchtähnliche Merkmale» annehmen. «Das Ziel der Erfindung besteht darin, die Rohstoffbasis zur Herstellung von Fruchtfleischsimulaten zu verbessern», heisst es in der Patentschrift.
Viele andere Erfindungen hinkten hinter der Entwicklung im Westen hinterher oder waren rasch überholt. Zigtausend Patente erloschen, weil die Jahresgebühren von bis zu 1940 Euro beim Patentamt nicht mehr bezahlt wurden. Rotraud Witte betreute nach der Wende ein Projekt in Sachsen-Anhalt, bei dem arbeitslose Ingenieure und Wissenschaftler rund 50'000 herrenlose DDR-Patente auf Verwendbarkeit prüften. Ein Zehntel davon stellten sie in Broschüren und CDs vor, die sie bis in die USA und nach Australien verschickten. Das Echo sei enttäuschend gewesen, sagt Witte. Vielleicht habe sich mancher heimlich bedient.
Im Unterschied zur Bundesrepublik waren die meisten Erfindungen in der DDR frei verfügbar. «Sie konnten von allen sozialistischen Betrieben genutzt werden», erklärt der Leipziger Historiker Matthias Wiessner. Erfinder in einem sozialistischen Betrieb wurden nach dem Arbeitnehmer-Erfinderrecht der DDR abhängig vom volkswirtschaftlichen Nutzen vergütet. Sie waren so am Gewinn ihres Produkts beteiligt. Ingenieure bekamen in der DDR am 7. Oktober, dem DDR-Geburtstag, den Orden Verdienter Erfinder am Nationalfeiertag - wie Mosemann 1977, als über 50 Patente auf seinem Konto standen.
Sprengmittel blieben ein Staatsgeheimnis
Einige Patente anderer Erfinder blieben Staatsgeheimnis. Ein «Verfahren zum Anbringen von Sprengmitteln», ein Schusszahlbegrenzer für automatische Waffen oder die Steuerung von Waffen mittels Rechner wurden in den 70er und 80er Jahren patentiert, aber erst nach 1990 veröffentlicht. «Es gab ein Spezialgesetz, nach dem militärische Sachen nicht ausgelegt werden mussten», erklärt Wiessner.
Lizenzen ins Ausland zu verkaufen, gelang der DDR selten. Mit Fotooptik, Chemie- oder Textilindustrie hatte sie ein paar Erfolge. Eine bahnbrechende Erfindung gelang zum Beispiel Physikern des VEB Carl Zeiss Jena. «Sie haben 1986 eine Faseroptik entwickelt, mit der man Sterne auf die Kuppel eines Planetariums projizieren kann. So funktionieren heute noch alle Planetarien, die von Carl Zeiss ausgeliefert werden», sagt Sprecherin Gudrun Vogel. Von Hamburg bis Los Angeles laufen Planetarien mit dieser Technik, und auch das weltweit grösste Planetarium in Nagoya in Japan, das gerade gebaut wird, wird damit ausgestattet.
dapd/miw
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