Mit der ganzen Familie auf Odysseus' Spuren reisen
Eine Reise in die Region um das einstige Troja ist spannend und abwechslungsreich. Bei den archäologischen Entdeckungstouren kommen Kinder und Erwachsene auf ihre Kosten.

Da steht es nun, das legendäre Pferd. Riesengross und direkt vor den Überresten jener antiken Stadt, deren Schicksal es besiegelte. Der symbolträchtige Nachbau vor Trojas Toren hat geradezu eine magische Anziehungskraft. Und die zwölf Kinder aus unserer Reisegruppe stürmen sofort los. Die Treppe an den Beinen des Pferdes hoch und hinein in den finsteren Bauch des Modells.
Im Inneren ist es eng, weil alle es gleichzeitig erobern wollen. «Hier kann man sogar rausgucken», ruft unser jüngster Sohn Luis, der ruckzuck ganz oben im hölzernen Aufbau ist. «Voll cool», freut sich auch der ältere Bruder Lino über den wuchtigen Koloss. Nur die Räder habe man vergessen. Doch jetzt müsse man es ja auch nicht mehr in die Stadt ziehen.
Ein Strand- und Geschichtserlebnis
«Auf Odysseus' Spuren» nennt sich die Reise, die unsere vierköpfige Familie in den Nordwesten der Türkei führt. Die individuellen Ferien im Strandklub in der Bucht von Edremit sind anspruchsvoll und erholsam zugleich. «Wir wollen, dass es allen Spass macht und zudem noch ein Schuss Abenteuer dabei ist», sagt die Architektin Christiane Kalies, die mit ihrem damaligen Bürokollegen Adnan Azatoglu vor ein paar Jahren die Idee der etwas anderen, familienfreundlichen Ferien hatte, die sie sofort gemeinsam in die Tat umsetzten.
Heldengeschichten am Tatort
Unser sprachgewandter Reiseführer Aykut, der lange in Deutschland gelebt hat und jetzt auf dem historischen Siedlungshügel Hirsalik steht, zieht mit seinen lebhaften Geschichten Erwachsene sowie Kinder in den Bann. Eindrücklich schildert er die heldenhaften Taten und heftigen Gefechte vor den sagenumwobenen Mauern des homerischen Troja.
Wie die Griechen genau hier zehn Jahre vergeblich gegen die Trojaner kämpften. Wie sie alles taten, um ihre schöne Helena zu befreien und wieder zurück zu ihrem Mann, König Menelaos, zu bringen. Aber lange Zeit dabei keinen Erfolg hatten. Erst als ihr Führer Odysseus die Strategie wechselte, konnten sie mit List die mächtige und reiche Stadt einnehmen. So täuschten die Griechen einen Abzug ihrer Schiffsflotte vor und hinterliessen lediglich ein Pferd aus Holz.
«Obwohl Kassandra, die Tochter des trojanischen Königs Priamos, vor dem Pferd ausdrücklich warnte», erklärt Aykut, «zogen die Trojaner es in die Stadt hinein.» Schliesslich glaubten sie, dass es ein Geschenk der Schutzgöttin Athene sei. Doch in der Nacht krochen vierzehn griechische Soldaten aus dem Pferd, öffneten die Stadttore für ihre Truppen und begannen ein schauriges Gemetzel, bei dem fast alle Trojaner starben.
Als wir vor dem Tor stehen, umgeben von zwölf Meter hohen, geschichtsträchtigen Mauern, geraten die Kinder ins Grübeln und wundern sich. «Da passte das Pferd ja gar nicht durch», protestiert Lino, der sich das Szenario lebhaft vorzustellen versucht. Denn vor dem Eingang zur Stadt gab es noch eine enge Kurve.
Die Zeitreise in die Vergangenheit gibt uns allen Rätsel auf. Was ist damals, vor fast 3000 Jahren, wirklich passiert? «Die berühmten Kämpfe um Troja gehören sehr wahrscheinlich ins Reich der Dichtung», sagt Aykut nüchtern und kommt gleich auf die Fakten zu sprechen.
Was ist wahr in Troja?
Laut Forschungen der Universität Tübingen wurde Troja mehrmals zerstört, aus gesellschaftlichen, aber auch aus natürlichen Ursachen wie etwa Erdbeben. Ob es zusätzlich auch noch den vom antiken Dichter Homer beschriebenen Krieg gab, dafür fehlen immer noch fundierte wissenschaftliche Beweise. Doch der tübinger Experte Ernst Pernicka geht davon aus, dass in Homers Epos «Ilias» eine Erinnerung an eine grosse Auseinandersetzung enthalten ist. Denn am Ende der Bronzezeit scheint die Stadt entvölkert oder verlassen worden zu sein, sodass sich neue Siedler in den noch vorhandenen Mauern einrichteten.
Gab es tatsächlich dieses Ereignis? Oder ist alles nur ein Märchen? Die Kinder sind irritiert und können es gar nicht glauben. Der stolze König Priamos, der furchtlose Hektor und der starke Achill vielleicht bloss erfunden, nichts weiter als ein Bluff?
Aykut berichtet weiter, wie die Menschen damals in der bronzezeitlichen Stadt lebten. Dass sie reich waren, weil die Handelsschiffe lange im Hafen warten mussten, um günstige Winde zu erhaschen. Und dass die Trojaner viel taten, um die Götter möglichst gütig zu stimmen. Der Beweis sind die grossen Opferstätten, die Archäologen aus dem Hügel freigegraben haben.
Und dann in die Hängematte
Am Abend kehren wir endgültig zurück in die Realität. In unserem Strandklub baden wir im Meer, fahren Kanu, spielen Volleyball oder lesen in der Hängematte unter Olivenbäumen ein Buch: Entspannung pur. Einige Kinder spielen mit ihren selbst gebastelten, trojanischen Pferden. Oder mit den fünf kleinen Kätzchen, die natürlich alle Namen aus der griechischen Mythologie haben. Die tapferen Helden Hektor, Achill oder Aeneas sind somit noch nicht vergessen.
Und der kleine Luis freut sich, dass er seiner Mutter nun sagen kann, dass die schöne Helena tausendmal schöner gewesen sei als sie. Gegen solche Frechheiten hilft nur eines: ab zur Wohlfühlmassage ins Beauty-Zelt.
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