Unbeliebte Jobs beim BAGMister oder Miss Corona verzweifelt gesucht
Der ehemalige Leiter der Abteilung für übertragbare Krankheiten ist schon über ein Jahr weg – und noch ist kein Nachfolger gefunden. Auch ein zweiter Posten ist verwaist.

Erinnern Sie sich noch an Stefan Kuster? Den jungen Arzt, der im April des ersten Pandemiejahrs in die Fussstapfen von Daniel Koch als «Mister Corona» getreten ist? Nach acht Monaten, per Dezember 2020, gab er die Leitung der Abteilung Übertragbare Krankheiten beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) wieder ab.
Seither ist der Chefposten vakant. Die Aufgaben werden intern «in vollem Umfang» von anderen Personen wahrgenommen, wie das BAG auf Anfrage betont. An öffentlichen Auftritten waren im letzten Jahr vor allem Patrick Mathys, Leiter der Abteilung Krisenbewältigung und internationale Zusammenarbeit, sowie Virginie Masserey, Leiterin der Sektion Infektionskontrolle, präsent. Doch auch Letztere hat beschlossen, das BAG zu verlassen – sie wird Generaldirektorin für Gesundheit im Kanton Waadt.
Kaum mehr Glück hatte das BAG mit Sang-Il Kim, der als Leiter der Abteilung digitale Transformation dem Bundesamt in Digitalisierungsfragen hätte auf die Sprünge helfen sollen. Nachdem Kim zwischenzeitlich krankgeschrieben war, wurde im September dieses Jahres bekannt, dass auch er das Handtuch wirft. Die Abteilungsleitung wurde ad interim von einem früheren IT-Spezialisten aus dem Finanzdepartement übernommen.

Beide Stellen waren zwischenzeitlich öffentlich ausgeschrieben. Doch eine Nachfolgeregelung ist noch nicht gefunden, wie das BAG bestätigt. «Die Besetzung der Schlüsselstellung in der Abteilung Übertragbare Krankheiten ist während der laufenden Pandemie komplex», sagt Gregor Lüthy, Abteilungsleiter Kommunikation beim BAG. Wie viele Bewerberinnen und Bewerber sich gemeldet haben, will er nicht sagen.
Durch die Pandemie hätten sich die Anforderungen an die Funktion geändert. «Deshalb läuft das Verfahren noch, genauso wie dasjenige zur Rekrutierung der Abteilungsleitung Digitale Transformation.» Letzteres befinde sich in einem neu geschaffenen Direktionsbereich und umfasse neue Aufgaben.
Eine Person, die regelmässig mit dem Bundesamt im Austausch steht, sagt, bei all den Abgängen und Reorganisationen sei es langsam herausfordernd, den Überblick über das Organigramm zu wahren. Dass es schwierig sei, die Stellen neu zu besetzen, sei wenig überraschend: «In dieser Pandemie kann man es als öffentlich auftretende Figur ja fast nur falsch machen. Kein Wunder, haben viele Angst davor, verheizt zu werden wie Stefan Kuster.»
Identifikationsfigur fehlt
Klar ist aber auch: Für das Pandemiemanagement wäre es zentral, eine Identifikationsfigur zu haben, die die Bevölkerung über die neusten Entwicklungen orientiert. In einer internen Studie, die das BAG letztes Jahr in Auftrag gegeben hat, heisst es, in der Kommunikation seien künftig mehr «Leadership und Orientierung gefragt».
In dem Bericht heisst es wörtlich: «Die befragten Expertinnen und Experten sind sich auch fast unisono darüber einig, dass in der Kommunikation von Bund und BAG eine zentrale Figur fehlt, die über genügend Autorität und Sachverstand verfügt, um der Bevölkerung die abhandengekommene Sicherheit und klare Orientierung zurückzugeben.» Nach dem Abgang von Ex-«Mister Corona» Daniel Koch sei ein Vakuum entstanden.
Gut möglich, dass im neuen Jahr etwas Bewegung in die Sache kommt. Dann wechselt die bisherige Berner Kantonsärztin Linda Nartey als neue Vizedirektorin ins BAG und übernimmt einen neu geschaffenen Direktionsbereich, in dem auch die Abteilung für übertragbare Krankheiten angesiedelt ist. In ihrem alten Job musste auch Nartey eine Reorganisation verkraften: Das vorher eigenständige Kantonsarztamt war mit anderen Ämtern zusammengefasst worden.
Jacqueline Büchi ist Autorin im Inlandressort und Mitglied der Tagesleitung der Redaktion Tamedia. Schwerpunkt ihrer Berichterstattung ist die Gesundheits- und Gesellschaftspolitik. Sie startete 2008 als Radiojournalistin und durchlief seither verschiedene Stationen bei Medien im In- und Ausland.
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