Militär und Opposition im Sudan wollen sich Macht teilen
Die Streitkräfte und die Führer der Protestbewegung wollen für den Zeitraum von drei Jahren einen Obersten Rat mit wechselnder Führung einrichten.

Am frühen Morgen kamen die Ersten auf die Strassen der sudanesischen Hauptstadt Khartum und der Zwillingsmetropole Omdurman auf der anderen Seite des Nils. Die Menschen schwenkten die Flagge des Sudan und riefen: «Zivil, zivil.» Auf dieses eine Wort lassen sich die Forderungen der Opposition reduzieren, die seit Dezember für einen neuen Sudan kämpft, für eine Ablösung des Militärregimes und die Einsetzung einer zivilen Regierung. Mehr als 130 Menschen haben dafür ihr Leben gelassen. In der Nacht zum Freitag ist die Opposition dem Ziel einen Schritt näher gekommen: Die Führer der Protestbewegung einigten sich mit den Militärs auf eine Übergangsregierung, die 39 Monate im Amt bleiben soll, danach soll es freie Wahlen geben.
«Das ist der allererste Schritt zum Aufbau eines demokratischen Sudan», sagte der für die Opposition verhandelnde Siddig Jusif. Er hoffe auf «einen friedlichen Sudan ohne Krieg». Der stellvertretende Vorsitzende des Militärrats, Mohamed Hamdan Dagalo, erklärte: «Diese Einigung wird umfassend sein und niemanden ausschliessen.»
Generäle in der Regierung
Ob es tatsächlich so kommen wird, ist eine andere Frage. In den Jubel in der Hauptstadt Khartum mischten sich auch vorsichtige Stimmen. «Wir möchten vom Militärrat mehr Garantien sehen, sie haben schon viel versprochen und dann nicht gehalten», sagte Mohamed Ismail, ein 34-jähriger Ingenieur, dem Sender al-Jazeera. Besonders kritisch sieht die Protestbewegung die künftige Rolle von General Mohamed Hamdan Dagalo, genannt Hemeti, dessen paramilitärische Milizen für das Massaker an den Demonstranten vom 3. Juni verantwortlich sind; der den Befehl gab, Frauen zu vergewaltigen und Oppositionelle in den Nil zu werfen. Auch er wird nun Teil der Übergangsregierung sein. Diese soll aus jeweils fünf Vertretern der Opposition und des Militärs bestehen, ein elfter wird von beiden gemeinsam bestimmt. Er wäre bei strittigen Entscheiden derjenige, der den Ausschlag gibt, zur Mehrheit verhelfen kann.
Ein Parlament ist bisher nicht vorgesehen, die Ministerien sollen mit Technokraten besetzt werden. An der Spitze der Übergangsregierung wird für die ersten 21 Monate der Armeegeneral Abdel Fattah al-Burhan stehen. Anschliessend übernimmt die Opposition für 18 Monate, dann soll es Wahlen geben. Die Einigung kam unter Vermittlung der Afrikanischen Union zustande, besonders Äthiopien hatte befürchtet, dass das Nachbarland ins Chaos stürzt.
Es braucht Parteien
«Heute hat unsere Revolution gewonnen, und unser Sieg strahlt», teilte die Sudanese Professionals Association mit, ein Berufsverband von Ärzten, Lehrern und Richtern, der den Protest in den vergangenen Monaten massgeblich organisiert hatte. Letztlich ist die nun gefundene Einigung ein klassischer Kompromiss. Die Militärs hatten bereits in einem Jahr wählen wollen, die Opposition erst in vier Jahren. So hat man sich in der Mitte getroffen. Den vielen jungen Demonstranten gibt das nun Zeit, sich zu organisieren, eigene Parteien zu gründen – sie hatten befürchtet, bei baldigen Wahlen vom alten Regime überrumpelt zu werden. Nach der Übergangszeit und freien Wahlen soll sich das Militär komplett aus der Regierung und der Führung des Staates zurückziehen.
Das dürfte ein schwieriger Prozess werden. Den Generälen gehören zahlreiche Unternehmen. Und Milizenführern wie Hemeti würde in einem freien Sudan wohl eine Anklage wegen Völkermordes drohen. Seine Truppen sind für den Genozid in Darfur verantwortlich. Sie werden keine Regierung zulassen, die sie vor Gericht stellt. Deshalb erwarten manche nicht viel von der angekündigten «transparenten» Untersuchung des Massakers vom 3. Juni. «Das ist die Realität im Sudan», sagte ein Demonstrant dem Sender al-Jazeera. «Die Milizen kontrollieren alles. Wenn man eine zivile Regierung will, muss man sich mit ihnen arrangieren.»
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