Islamismus-Experte Ahmad Mansour«Menschen werden wieder in Gruppen eingeteilt. Wie rassistisch ist das denn?»
Der renommierte Autor und Psychologe rechnet mit der Ideologie des Antirassismus ab – und er macht sich grosse Sorgen wegen des explodierenden Antisemitismus.

Ahmad Mansour, am Dienstag hätten Sie live in Basel an einem Podium zum Thema Zionismus auftreten sollen – doch der Anlass fand wegen Sicherheitsbedenken nur digital statt. Was sagt das über den Stand der Dinge aus im Westen, wenn es um Israel, den Zionismus, das Judentum geht?
Es stärkt die zionistische Idee. Wenn im Jahr 2022 so vieles unmöglich wird für Juden in Europa, verstärkt sich deren Eindruck: Gott sei Dank haben wir ein Land, in dem wir selbstbestimmt leben können. Das sagt weniger über Israel aus als über Europa. Hier explodiert der Antisemitismus. In Berlin, in Paris – und neuerdings offensichtlich auch in Basel. Das sind beunruhigende Tendenzen.
Beunruhigend ist auch, was in Regierungsämtern passiert. Der deutsche Kanzler, Olaf Scholz, hat letzte Woche geschwiegen, als Palästinenserführer Mahmoud Abbas – neben ihm stehend – den Holocaust relativiert hat. Wie kann das sein?
Ich kann das nicht erklären. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass der Antisemitismus wieder grassiert. Wir sind im Westen gegenüber der Intoleranz zu tolerant. Diplomatische Beziehungen sind uns wichtiger als unsere Prinzipien. Und dann hat man halt einen Kanzler, der am Holocaust-Gedenktag über die historische Verantwortung Deutschlands spricht und sagt, dass man aus der Geschichte gelernt habe. Dann kommt Abbas und sagt solche Sätze, und Scholz findet nicht ein einziges Wort. Leider ist das exemplarisch.
Kurz darauf wurde bekannt, dass Deutschland den Palästinensern für die Jahre 2021 und 2022 für humanitäre Hilfe und Entwicklung mehr als 340 Millionen Euro gibt. Die Schweiz spricht ebenfalls Entwicklungsgelder.
Das ist einigermassen unfassbar. Ich erinnere hier an Donald Trump, der in dieser Sache recht gehabt und Hilfspakete gestrichen hat. Weil sie der Bereicherung der Führungsebene dienen. Arafats Frau, um ein Beispiel zu nennen, lebt als Milliardärin in Europa. Mit dem Geld wird auch Terrorinfrastruktur unterstützt – und Schulbücher voller antisemitischer Bilder.
Warum handeln demokratische Länder so?
Weil man angeblich moralisch ganz toll dasteht, dabei stützt man so die Korrupten, die Autokraten. Wir handeln im Namen des sogenannten Antirassismus. Und merken nicht, dass wir mit diesen Menschen genau damit noch viel rassistischer umgehen.
Wir bevormunden sie.
Leider ist das immer so bei dieser ideologischen linken Idee. Alle Menschen aus dem globalen Süden werden als Opfer angesehen. Was kann schlimmer sein als dieses Menschenbild?
Gegen aussen wird Mitgefühl ausgedrückt, Hilfsbereitschaft…
Im Namen dieser vorgespielten Toleranz ist eine Ideologie entstanden, die intoleranter als alles andere ist. Diese Strategie glorifiziert den globalen Süden, und für Anhänger dieser Idee ist Israel die letzte Kolonialmacht. Wer das kritisiert, wer sachlich diskutieren will, wird sofort abgekanzelt: als Rassist, Kolonialist, Rechtsradikaler. Debatten sind nicht mehr möglich.
«Antirassisten zelebrieren sich selbst, indem sie sich als moralisch überlegen, als bessere Menschen darstellen.»
Aber wir diskutieren doch leidenschaftlich: über den Song mit der «Puffmutter Layla», über kulturelle Aneignung wegen Dreadlocks…
Das ist einfach nur eines: lächerlich. Identitätspolitik. Ich will es vom Ausmass nicht vergleichen, aber das System ist dasselbe wie im radikalen Islam: Ich kenne das aus eigener Erfahrung. Es gibt nur noch eine Wahrheit für diese moralingeschwängerten Ideologen. Sie kämpfen nicht gegen Diskriminierung und Rassismus. Sie zelebrieren sich selbst, indem sie sich als moralisch überlegen, als bessere Menschen darstellen.
Was sind die Folgen davon?
Menschen werden plötzlich wieder in Gruppen eingeteilt: Hautfarbe, Religiosität, Nationalität. Alle Minderheiten sind gut, alte und weisse Menschen: ganz böse. Wie rassistisch ist das denn? So stärkt man die Rechtsradikalen und Linksradikalen. Wenn Sie Layla verbieten oder die Frisur: Das ist Symbolpolitik, die die missliche Lage noch verschlimmert. Wie wir etwa beim grassierenden Antisemitismus sehen.
Wer so denkt, hat im medial-gouvernementalen Komplex aber gute Karten…
Ja, natürlich. Sogar die CDU und die Ex-Kanzlerin Angela Merkel haben diese Narrative übernommen, ideologische Projekte mit viel Geld unterstützt. Na dann, herzlichen Glückwunsch.
Kürzlich hat die Ampel-Regierung, inklusive FDP, Ferda Ataman zur Antidiskriminierungsbeauftragten gewählt – gegen heftigen Widerstand. Ihr wird vorgeworfen, selber eine Rassistin zu sein.
Sie ist eine Spalterin, eine Anhängerin der Identitätspolitik. Ein Beispiel: Wenn Polizisten einen jungen Mann töten, der mit einem Messer auf sie losgegangen ist, ist es sofort Polizeigewalt. Bei Salman Rushdie, der von einem Islamisten niedergestochen wurde: nichts, dröhnende Stille, nicht mal der sonst übliche Empörungstweet.

Es gibt auch bei der Polizei manchmal Fehler…
Klar, aber mein Problem ist: Menschen, die von Polizeiarbeit keine Ahnung haben, schreien unglaublich schnell: Polizeigewalt! Ich arbeite mit der Polizei, ich kenne die komplexen Sachverhalte, die Gefährlichkeit bei Messerangriffen. Es passieren Fehler, natürlich, aber dieser Automatismus: Schrecklich. Sehen Sie die Doppelzüngigkeit dieser Ideologen: Beim angesprochenen Messerangreifer – ein junger, geflüchteter Mann – kommt sofort der Vorwurf der rassistischen Polizeigewalt. Wenn ein Ausländer jemanden tötet, kommt dagegen sofort ein anderer Ruf: Man solle doch bitte warten, bis die Ermittlungen abgeschlossen sind.
Das wirkt alles einigermassen kleingeistig, aber bei grossen Problemen ist dieses Milieu immer still. Zum Beispiel beim Antisemitismus-Skandal an der Documenta. Oder dass Jude auf dem Schulhof wieder ein Schimpfwort ist, dass in gewissen Vierteln niemand mehr öffentlich eine Kippa trägt. Warum lassen wir das zu?
Ich nenne Ihnen ein Beispiel, das diese Verrücktheit erklärt: Ein Verein hat untersucht, ob es an Schulen im Berliner Bezirk Neukölln religiöses Mobbing gibt, also wenn jemand im Ramadan nicht fasten, kein Kopftuch tragen, ein Salami-Sandwich essen will. Das Ergebnis war deutlich, die Antwort lautete: ja. Wissen Sie, was passiert ist?
Nein.
Das rot-rot-grün regierte Berlin hat sich nicht damit auseinandersetzen wollen – und hat diesem Verein die öffentlichen Gelder gestrichen, ihn sogar als rechtsradikal taxiert.
«Muslime sind dagegen eine Minderheit, die von Rechtsextremen bekämpft werden. Dann können sie in den Augen vieler automatisch nicht böse sein.»
Sie haben das Bundesverdienstkreuz für Ihren Kampf gegen Antisemitismus und für Integration erhalten. Dass die staatlichen Behörden Ihre Warnungen besonders ernst nehmen: Dieses Gefühl hat man nicht unbedingt…
Wir haben eine Bundesinnenministerin, die sagt: Der Rechtsextremismus ist die grösste Gefahr. Ich bin Extremismus-Experte und sage: Ja, den gibt es – aber auch ein islamischer und muslimischer Extremismus – und genauso auch einen Linksextremismus. Aber die werden teilweise zu Partnern gemacht.
Warum kämpft man nicht gegen jegliche Form des Extremismus?
Gegen rechts ist es halt sehr einfach. Das Feindbild stimmt, da übernimmt man gerne Verantwortung. Jeder junge Deutsche will anders handeln als die Grosseltern, also handelt er gut. Muslime sind dagegen eine Minderheit, die von Rechtsextremen bekämpft werden. Dann können sie in den Augen vieler automatisch nicht böse sein. Sehen Sie: Weil die AfD sagt, dass wir ein Problem mit der Integration haben, kann ich nicht dasselbe sagen. Obwohl es in der Diagnose stimmt. Ferda Ataman sagt über mich, dass ich ein muslimisch angehauchter Mann sei, der Rechtsradikale unterstütze. Ich erlebe solche Menschen als Rassisten.
Aber Ataman wird wohl auch wissen, dass Sie seit Jahren Polizeischutz brauchen.
Ja, aber es passt nicht in ihr Narrativ, in ihre kindliche Darstellung der Welt, der Realität: Es gibt für sie nur Gut und Böse, keine Grautöne mehr, aber die Realität ist komplexer, nicht immer politisch korrekt auch. So lange ich mich als Moslem als Opfer sehe, bin ich wohlgelitten. Wenn ich aber sage: Wir erleben Rassismus, ja – aber wir haben auch rassistische Einstellungen, produziert durch religiöse und kulturelle Werte, dann ist Schluss mit Akzeptanz. Sind wir mündig, sind sie nicht mehr tolerant, sondern rassistisch. Ideologen, ohne Reflektierfähigkeit.
Der grosse linke Widerspruch ist doch: Pro Zuwanderung, pro Gleichstellung der Frau – aber gegen importierte patriarchale Strukturen sagen genau diese Gruppen: nichts.
Sie erleben das nicht als Widerspruch. Sie haben die Fähigkeit des Widerspruchs verloren. Sie agieren nicht wissenschaftlich, sondern ideologisch zementiert. Ich mache immer wieder darauf aufmerksam, dass viele Frauen von dort hier bei uns unterdrückt werden: von ihren Eltern, ihren Männern. Aber das sind für Antirassisten nur Kollateralschäden. Sie können uns nur als Opfer sehen, nicht als Täter.
«Zionisten sind für Antirassisten die letzten Kolonialisten, Israel ist Apartheid.»
Aber solche Linken wollen ja nicht selber unterdrückt werden…
Sie finden Erklärungen. Statt patriarchaler Strukturen sind es Femizide. Messerstecher leiden an Perspektivlosigkeit oder sind traumatisiert – und sind darum anfällig. So wird die Ideologie zurechtgebogen.
Bei Juden, eine Mini-Minderheit in Deutschland, in der Schweiz: Da wird gar nichts zusammengebogen von einer Antidiskriminierungsbeauftragten. Warum nicht?
Zionisten sind für Antirassisten die letzten Kolonialisten, Israel ist Apartheid. Sie wollen Verbrechen mit dem singulären Holocaust gleichsetzen. Ich verstehe jeden, der an eine Emigration denkt. Und wir leben im Jahr 2022 – absurd.
Leon de Winter, der bekannte Schriftsteller, hat einmal gesagt: «Der Nazi-Traum wird wahr werden: Europa wird judenrein.» Denken Sie das auch?
Ich sehe noch Hoffnung, darum arbeite ich weiter. Verlöre ich diese, müsste ich selber an meinen Abschied denken. Denn es gibt judenreine Orte in Europa: Teile von Paris, Malmö, viele mehr. Darum: Die Vernunft muss gewinnen: Es geht nicht um Juden, um Israelis: Es geht um Meinungsfreiheit. Juden kennen eine lange Geschichte der Verfolgung. Darum kann man sagen: Gehts ihnen gut, gehts Europa gut – und, ganz wichtig, auch der Demokratie.
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