Stadtpräsidenten — eine Replik
Wählt mich»: Mit dieser Zeile spottete der gestrige «Tages-Anzeiger» über die Selbstverliebtheit von Politikern. Der Autor wünschte sich Stadtoberhäupter, die das Amt vor das Ego stellten.
Diese Forderung missversteht, was ein Präsident oder eine Präsidentin einer so ambitionierten Stadt wie Zürich eigentlich zu tun hat. Der Selbstdarstellungsdrang gehört sozusagen zum Jobprofil. Die wichtigsten Aufgaben sind die Führung im Stadtrat, aber vor allem das Vermarkten Zürichs auf dem nationalen und internationalen Parkett. Für beide Aufgaben ist es von Vorteil, wenn man sich sehr gerne reden hört und sich von Kritik aus allen möglichen Ecken nicht gross beirren lässt.
Der Stapi als Verkäufer
Die Arbeit des heutigen Stapi ist zum Teil mit jener eines Autoverkäufers vergleichbar, dessen Erfolg stark davon abhängt, wie gerne er fremden Leuten den neusten Mini Cooper andreht. Im internationalen Standortwettbewerb um Steuerzahler und Arbeitsplätze wird ein Stadtpräsident die polyglotten Stärken Zürichs nur gut verkaufen, wenn ihm Interviews mit japanischen Fernsehcrews und Ansprachen in den Fanzonen der Euro Spass machen.
Ideologische Unabhängikeit ist gefragt
Natürlich sollte ein solcher Stadtpräsident des grossen Auftritts kein Sensibling sein und auch mal Kritik einstecken können. Und natürlich braucht er eine Vision für Zürich. Ein Ziel, wohin sich die Stadt in den nächsten zehn Jahren bewegen soll. Keinesfalls darf er sich dabei aber zu sehr an die eigene Partei anlehnen. Nur mit einer gewissen ideologischen Unabhängigkeit erlangten Zürichs Stadtpräsidenten in der Vergangenheit Profil.
Und darum geht es bei diesem Amt. In der dissonanten Kakofonie der Grossstadt wählen wir weniger die Partei als die Person. Das mag man beklagen, doch sowohl in der Öffentlichkeit als auch im Stadtrat dürfte das Charisma eines Stadtpräsidenten mehr bewirken als die Raffinesse seines politischen Programms. Ob er sich dieses symbolische Kapital über die Jahre angeeignet hat wie der frühere Stapi Josef Estermann oder ob es zu seinem Naturell gehört wie bei Ledergerber, ist zweitrangig. «Es geht da auch um eine physische Präsenz», wie es Balthasar Glättli, Gemeinderat der Grünen, formuliert.
Im Prinzip gilt für Stadtpräsidenten: Nur wer sich selber gut darstellt, stellt auch Zürich gut dar.
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