Eine Chance für die Schweiz
Schmids Rücktritt bietet die Chance, die verfahrene Situation im Bundesrat zu bereinigen und die SVP wieder in die Regierung aufzunehmen. Mit einem Kandidaten, der mit Andersdenkenden zusammenarbeiten kann.
Samuel Schmid mag nicht mehr Bundesrat sein. Er hat seinen Rücktritt per Ende Jahr bekanntgegeben, nachdem er am Dienstag noch Nebelgranaten geworfen hatte («Diese Frage stellt sich nicht»). Der Zeitpunkt ist geschickt gewählt: Schmid demissionierte am Tag nach seinem Sieg in der Sicherheitspolitischen Kommission, wo er das Rüstungsprogramm nach monatelangem Widerstand durchgebracht hatte. Und er verkündete seinen Abgang noch rechtzeitig vor der Veröffentlichung des Berichts der Geschäftsprüfungskommission. Dieser wird an Schmids Fehler bei der Ernennung von Roland Nef zum Armeechef erinnern und hätte Schmids Chancen, zum Vizepräsidenten des Bundesrats gewählt zu werden, arg beeinträchtigt.
«Ich demissioniere meiner Gesundheit, meiner Familie, meinem Land und auch der Armee zuliebe», erklärte der 61-Jährige vor den Medien – und hat damit viermal Recht.
Gut für Schmids Gesundheit
Samuel Schmid wirkte in letzter Zeit angeschlagen. Und die Entzündung seiner Gallenblase dürfte seinen Rücktrittswunsch noch verstärkt haben. Zwar besteht laut seinem Arzt kein direkter Zusammenhang zwischen der Erkrankung und dem immensen Druck, der seit einigen Monaten auf Schmid lastete. Aber der politische und mediale Dauerbeschuss hat dem Verteidigungsminister zweifelsohne zugesetzt. Das zeigte sich auch bei seinem Auftritt, als ihn die Tränen übermannten.
Gut für seine Familie
Es ist kein Geheimnis, dass Schmids Frau Verena seit Längerem auf einen Rücktritt drängte. Denn sie litt noch mehr unter den Attacken als Samuel Schmid selbst. Kommt hinzu, dass die Familie immer wieder bedroht wurde. So soll Verena Schmid ihrem Samuel eröffnet haben, seine beiden verstorbenen Hunde würden erst wieder ersetzt, wenn er pensioniert sei. Nun dürfte Hundefan Schmid seinen Wunsch wohl erfüllt bekommen.
Gut für die Armee
Schmids Rücktritt löst die Probleme der Armee nicht. Aber der Wechsel im Verteidigungsdepartement birgt die Chance, dass die Mängel nun unbelasteter angegangen werden können. Schmids Nachfolger muss nicht ständig fürchten, das Gesicht zu verlieren, wenn er etwas ändert. Er kann auch darauf hoffen, dass im Parlament wieder mehr die Sache und weniger die Parteipolitik im Vordergrund steht. Denn die SVP muss sich nun nicht mehr an einem «Verräter» rächen, sondern kann sich wieder seriös für eine funktionierende Armee einsetzen. Kommt hinzu, dass voraussichtlich in den nächsten Wochen ein neuer Armeechef ernannt wird. Zusammen mit dem neuen Verteidigungsminister hat er die Chance, dem Militär zu einem besseren Ruf zu verhelfen. Dies hat die Armee, die gegenwärtig unter dem schlechtesten Image ihrer Geschichte leidet, dringend nötig.
Samuel Schmid hätte ihr nicht mehr viel helfen können. Stattdessen wurde er in letzter Zeit zu einer Belastung für die Armee. Zu stark wiegen seine Fehler, die er bei der Beförderung von Roland Nef und bei der Bewältigung dieser Affäre gemacht hat. Weitherum ist der Eindruck entstanden, der Verteidigungsminister sei seiner Führungsaufgabe nicht gewachsen. Kommt hinzu, dass er als BDP-Mitglied im Parlament keinen grossen Rückhalt mehr hatte.
Gut fürs Land
Schmids Demission ermöglicht nun, die verfahrene Situation im Bundesrat zumindest teilweise zu bereinigen. Nach der Abwahl von Christoph Blocher sowie der Abspaltung von Eveline Widmer-Schlumpf und Samuel Schmid ist die stärkste Partei gegenwärtig nicht mehr in der Regierung vertreten. In einem Land, in dem die wichtigen Kräfte traditionell gemeinsam nach Lösungen suchen, wiegt dies besonders schwer.
Die 30 Prozent aller Wählerinnen und Wähler, die sich im letzten Herbst für die SVP aussprachen, haben ein Recht, im Bundesrat vertreten zu sein. Das setzt allerdings voraus, dass die SVP auch gewillt ist, konstruktiv mit den anderen Parteien zusammenzuarbeiten. Sie darf durchaus Kandidatinnen und Kandidaten portieren, die ihr Gedankengut besser vertreten als Samuel Schmid und Eveline Widmer-Schlumpf. Voraussetzung ist aber, dass diese Personen fähig und willens sind, mit Andersdenkenden zu kooperieren und ihre Partei- und Privatinteressen hinter das Landeswohl zu stellen.
Christoph Blocher traut dies das Parlament nicht zu. Stellt ihn die SVP dennoch auf, zeigt sie, dass sie trotz anderslautender Beteuerungen nicht an einer Rückkehr in den Bundesrat interessiert ist. Das wäre nicht nur für das Land, sondern auch für die SVP bedauerlich. Nachdem sich die Partei nun fast ein Jahr lang mit der Oppositionsrolle schwer getan hat, sollte sie realisiert haben, dass dies in der Schweiz nicht ganz einfach ist. Der Rücktritt von Samuel Schmid ist daher nicht nur eine Chance für die Schweiz, sondern auch für die SVP.
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