«Mein Geld will ich zurück»
Der Sturz von Lehman Brothers versetzt Klein-Anleger in der ganzen Schweiz in Wut. Sie klagen, dass sie von ihren Banken nicht über die Risiken nicht aufgeklärt worden seien.
«Man lässt mich einfach hängen.» Christian Z.* ist sauer. Er ist ein Opfer der Pleite gegangenen US-Investmentbank Lehman Brothers. Im Sommer 2006 hatte der Berner Oberländer auf Empfehlung des Kundenberaters bei seiner Bank, der Credit Suisse (CS), 50'000 Franken in ein strukturiertes Anlageprodukt mit Kapitalschutz von Lehman Brothers investiert.
Heute tönt das Wort «Kapitalschutz» allerdings wie blanker Hohn. Garantiegeberin der Zertifikate sind Lehman Brothers, die jetzt unter Gläubigerschutz stehen. Der Handel mit den Papieren ist, zumindest vorübergehend, eingestellt worden. Vielen Anlegern wie Christian Z. droht der Totalverlust. Im besten Fall erhalten sie nach Abschluss der Liquidation von Lehman eine Konkursdividende von 20, vielleicht auch 30 Prozent. Der Rest ist wohl verloren. Endgültig.
Die Schadensumme ist enorm: Gemäss dem Schweizerischen Verband für Strukturierte Produkte emittierte Lehman in der Schweiz total 83 Zertifikate. Das gesamte Emissionsvolumen beträgt 650 Millionen Franken.
«Alternative zum Konto»
Christian Z. will das nicht hinnehmen. «Ich wurde überhaupt nicht über die Risiken aufgeklärt.» Er selber bezeichnet sich als absolut risikoscheu, besass noch nie Aktien, nie Anlagefondsanteile, nie Obligationen. «Mein Geld lag immer auf dem Sparkonto.» Dies blieb bei der CS nicht verborgen. «Im Juli 2006 erhielt ich einen Anruf von meinem Berater», erinnert sich Christian Z. «Er schlug mir vor, mein Geld mit einer besseren Rendite anzulegen.» Ein Risiko gehe er nicht ein. «Er sagte mir, dass ich im schlechtesten Fall mein eingesetztes Kapital zurückerhalten werde.»
Die Aussagen von Christian Z., dass der Berater ihn nicht umfassend über die Risiken aufgeklärt habe, stützt ein Schreiben der CS, das dieser Zeitung vorliegt. In diesem Brief preist der Berater das Lehman-Zertifikat als «Alternative zu ihrem Konto» an. Mit keinem Wort wird erwähnt, dass nicht die CS, sondern Lehman Brothers Emittent und Garantiegeber der Anlage ist. Zwei Mal verwendet der Anlageberater in seinem Brief die Bezeichnung «100 Prozent Kapitalschutz», zwei Mal «interessant». Das Wort «Risiko» hingegen kommt nicht vor.
Auch als vor ein paar Wochen die Ausschüttung ausblieb und Christan Z. bei der Bank nachfragte, wurde er beschwichtigt. «Man sagte mir, ich solle mir keine Sorgen machen.» Dabei war die Krise der US-Investmentbanken damals bereits in aller Munde. Und die Risikoprämie auf Anleihen von Lehman waren zu jenem Zeitpunkt bereits deutlich erhöht Doch der Berater warnte Christian Z. nicht. Dieser fühlte sich sicher. Erst letzten Donnerstag, als er von der CS telefonisch über seine Situation aufgeklärt worden sei, habe er den Ernst der Lage realisiert. «Ich fiel aus allen Wolken.»
Fälle wie jener von Christian Z. wurden in den letzten Tagen von mehreren Medien aufgegriffen. Die meisten Banken stellen sich auf den Standpunkt, dass das Risiko bei dieser Art von Anlagen einzig und alleine beim Kunden liege. Dass man als Bank auch kulant handeln kann, hat die Berner Kantonalbank (BEKB) letzte Woche bewiesen. Sie übernimmt für ihre Kunden die Garantie für den Kapitalschutz auf Lehman-Papieren.
Ombudsmann im Stress
Seit der Pleite von Lehman Brothers läutet beim Bankenombudsmann das Telefon ohne Ende. Während der Geschäftszeiten von 8.30 bis 11.30 Uhr ist kaum ein Durchkommen. Für Christian Guex, den stellvertretenden Bankenombudsmann, ist die Situation allerdings weit weniger klar als für die Banken. Substanzielle Verluste seitens der Anleger will er gemäss dem «Tages-Anzeiger» zwar nicht ausschliessen. Guex kündigt aber an, bei solchen Fällen die Beratungssituation beim Verkauf analysieren zu wollen. «Die Bank muss sicher sein, dass der Kunde das Produkt verstanden hat.» Entscheidend sei auch, ob die Bank bei Lehman-Produkten mit Kapitalschutz dem Kunden erklärt habe, wer für den Kapitalschutz hafte.
Auch Christian Z. hat sich vom Ombudsmann beraten lassen. Er ist fest entschlossen, notfalls auf dem Rechtsweg gegen die CS vorzugehen. «Mein Geld will ich zurück.» Die Credit Suisse gab gestern trotz mehrfacher Anfrage keine Stellungnahme ab; weder zum konkreten Fall noch zu ihrer generellen Position in dieser Sache.
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