Gleichstellung in ItalienMehr Frauen auf die Sockel!
78 Statuen, 78 Männer: In Padua diskutieren sie über ihren Prachtplatz. Es klingt Cancel-Culture an, doch besser trifft es: Adding-Culture.

Im schönen Padua streiten sie gerade sehr animiert darüber, ob es nicht richtig wäre, dass auf dem Prato della Valle, der grossen Piazza der Stadt, eingeweiht 1776, auch die Statue einer Frau stehen sollte. Endlich, wir schreiben schliesslich das Jahr 2022. Von den 78 «Glorien des Veneto», wie man sie nennt, die den Platz in zwei weiten Ringen säumen, sind nämlich alles Männer. Päpste, Wissenschaftler, Dichter. Durchnummeriert.
Grosse Namen sind dabei: Galileo Galilei, Francesco Petrarca, Girolamo Savonarola, alle mit enger oder loser Verbindung zur Stadt. Poet Torquato Tasso steht auf Piedestal Nr. 5. Er kam in Sorrento zur Welt, studierte aber in Padua, so schaffte er es ins Pantheon. Es sind aber auch Namen dabei, die kaum jemand kennt. Nur Männer also, 78 von 78.
Platz gäbe es
Zweieinhalb Jahrhunderte schien das niemandem aufgefallen zu sein, oder wenigstens hat es niemanden sonderlich gestört. Nun haben zwei linke Stadträte den Antrag gestellt, das Versäumnis zu reparieren und eine Frau hinzuzufügen. Platz gäbe es. Eigentlich stehen da 86 Sockel. Zwei sind leer, auf weiteren sechs haben sie Obelisken montiert. Früher standen da mal acht Dogen von Venedig. Die napoleonischen Truppen haben sie von den Sockeln gestossen – eine symbolische Demontage der Serenissima, der Republik Venedigs.
Cancel-Culture, damals schon. Die beiden Gemeinderäte haben auch eine genaue Vorstellung davon, wer da stehen müsste: Elena Lucrezia Cornaro Piscopia ist die erste Frau weltweit, die an einer Universität promoviert hat. In Philosophie, 1678, in Padua.
«Man verschiebt Monumente nicht wie Legosteine.»
Nun könnte man denken, dass so eine Zugabe auf einem ohnehin unbemannten Piedestal die Gemüter kaltlässt: Niemand fordert den Kopf eines der ausgestellten Herren. Mehr Adding-Culture als Cancel-Culture. Doch die Polemik ist gross, Petitionen werden aufgelegt und herumgereicht, dafür und dagegen, beide ähnlich kämpferisch. «Krieg der Statuen», titelt «La Repubblica».
Kritik gibt es am Vorhaben insgesamt, aber auch an der Wahl von Cornaro Piscopia, weil die schon auf dem Gelände der Universität mit einer Statue geehrt wird. Soll die jetzt verlegt werden? «Man verschiebt Monumente nicht wie Legosteine», sagt Carlo Fumian, Professor für Gegenwartsgeschichte in Padua. «Das ist ein gefährliches Spiel und wenig intelligent.» Andere schlagen zeitgenössischere Frauen vor, sogar lebende, was einigermassen kurios ist. Was die Machos denken, kann man ja mal ausblenden.
Nur 181 Frauen
Die Herrschaft männlicher Statuen, Köpfe und Büsten in der italienischen Öffentlichkeit geht natürlich weit über Padua hinaus. Die Vereinigung «Mi riconosci?», die sich auch mit der Geschlechterfrage bei der Benennung von Strassen und Plätzen beschäftigt, hat gezählt: Von den Tausenden Statuen, verteilt übers ganze Land, zeigen nur 181 Frauen. Auf dem Pincio in Rom zum Beispiel sind von 229 Büsten nur drei von Frauen. Und unter den 228 «Patrioten» auf dem Gianicolo findet sich nur eine Patriotin.
Fast die Hälfte der weiblichen Statuen sind namenlose Frauen, Vertreterinnen generischer Kategorien: Partisaninnen etwa, Wäscherinnen, Gärtnerinnen. Keine Politikerinnen, Dichterinnen, Wissenschaftlerinnen. Es ist wohl Zeit für neue Legosteine, solche mit Namen, für den grossen Prachtbau der Nation.
Fehler gefunden?Jetzt melden.